Kapitel 22

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„Eleanor Shaw! Telefonierst du etwa mit mir, während du fährst?“ lachend nickte ich, obwohl sie es nicht sehen konnte. „Keine Angst, Mum. Du bist auf Lautsprecher.“ „Das macht es nicht ungefährlicher.“ das war so typisch Mum. „Dann rufe ich dich...warte.“ irritiert sah ich auf den Bürgersteig, der neben der Fahrbahn auf der Brücke verlief. „Das ist Willow.“ „Ja, du bist doch auf dem Weg zu ihr?“ das war ich, ja, aber ich sollte sie eigentlich bei sich treffen und nicht hier.

Je näher ich ihr mit meinem Wagen kam, desto deutlicher konnte ich sie sehen. „Scheisse!“ Panik überkam mich, als ich sah, wie sie über das Geländer kletterte. „Elly, was ist los?“ sofort parkte ich den Wagen auf dem Bürgersteig und stieg aus. „Willow!“ „Bleib stehen!“ wie erstarrt hielt ich in meiner Bewegung inne und sah zu meiner Schwester, die sich zu mir umdrehte und sich am Geländer festhielt.

„Das hier ist schon lange überfällig.“ „Nein, das ist es nicht. Bitte, komm wieder zurück.“ zitternd streckte ich meine Hand aus und kam ihr etwas näher. „Ich kann einfach nicht mehr.“ „Wir bekommen das zusammen hin, das verspreche ich dir!“ „Wie willst du das schaffen?“ schrie sie mich verzweifelt an. „Ich liebe ihn so sehr und er hat mich einfach betrogen.“ „Ich weiss und das tut mir auch leid, aber das hier ist keine Lösung. Bitte, komm mit mir nach Hause.“ wieder kam ich ihr etwas näher. Ich hatte keine Ahnung was ich machen sollte.

Verzweifelt sah ich um mich. Die ganze Brücke wurde mittlerweile von Polizisten abgesperrt, so dass niemand sie betreten und befahren konnte. Einige Meter von uns entfernt standen zwei Polizisten und deuteten mir mit ihr weiter zu reden. „Es tut mir leid, Elly.“ gerade als ich mich zu Willow umdrehte, liess sie das Geländer los. „Nein!“ sofort machte ich einen Schritt nach vorne und umfasste mit beiden Händen ihr Handgelenk.

Die Freude, meine Schwester vor dem Tod gerettet zu haben, hielt nicht lange, denn kaum hielt ich sie fest, sprang sie runter. Ruckartig wurde ich durch das plötzliche Gewicht nach vorne gezogen und hielt mich geistesgegenwärtig am Geländer fest. „Es ist zu spät.“ „Ich lasse dich nicht los!“ ich spürte zwei Hände an meiner Hüfte, die mich etwas zurück zogen und verhinderten, dass ich mit Willow auf die Gleise unter uns fiel.

„Elly, lass mich los.“ „Nein. Ich lasse es nicht zu, dass du stirbst und uns alleine lässt. Wir alle brauchen dich.“ es fiel mir zunehmend schwerer Willow festzuhalten und so liess ich das Geländer los, damit ich sie mit beiden Händen festhalten konnte, aber sie liess es gar nicht erst soweit kommen.

Noch während ich das Geländer losliess, hielt sie sich an meinem Unterarm fest und krallte ihre Nägel in meine Haut. „Willow!“ schmerzhaft schrie ich auf, als sie mit ihren Nägeln meinen gesamten Unterarm nach unten fuhr und dabei fünf blutige Linien zog. „Es ist nicht deine Schuld.“ eindringlich sah sie mich an, ehe sie meinen Finger gewaltsam nach hinten riss und ich sie dadurch losliess.

„Willow!“ niemals würde ich dieses zufriedene Lächeln auf ihren Lippen vergessen, während sie in die Tiefe fiel und dieses dumpfe Geräusch, als sie auf den Gleisen landete. Es waren nur einige Sekunden, aber genau in diesen Sekunden veränderte sich mein gesamtes Leben. Ich hatte meine Schwester verloren und konnte ihr nicht helfen.

„Elly!“ keuchend riss ich meine Augen auf und sah gleich Isaac neben mir auf dem Bett sitzen. „Geh weg!“ schluchzend drehte ich ihm den Rücken zu und legte mir den Arm über den Kopf, damit er mich nicht weinen sah. „Ich lasse dich nicht alleine.“ Isaac schlang seinen Arm um meinen Bauch und zog mich sanft an seinen Körper. „Du gehörst zu mir.“ auch wenn ich das hier nicht zulassen durfte, konnte ich mich nicht von ihm wegbewegen. Zu sehr genoss ich es wieder in seinen Armen zu liegen und seine Sicherheit zu spüren.

Eleanor - Gut und BöseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt