Unruhig wackelte ich auf meinem Stuhl herum, während Finnick immer wieder zu mir schielte und mich fragend ansah.
Ich wusste, dass ich das Richtige tat und doch fühlte es sich gleichzeitig falsch an.
Die anderen ehemaligen Sieger beachteten mich kaum, während sie Drein, einen Mann Mitte 40, lauschten, wie die diesjährige Auswahl an freiwilligen stand.
Dummerweise nicht gut.
Das Schicksal wollte uns auch wirklich ärgern.
Selbst wenn Annie gezogen werden würde, hatte ich darauf gehofft, dass ein Mädchen ihren Platz einnahm, jedoch war, laut Dreins Schilderung, keiner von den diesjährigen Kanidaten wirklich gut genug, als dass sie ihnen ein „okay" gegeben hätten.
Natürlich meldeten sich manchmal auch Jugendliche ohne das einverständnis der ehemaligen Sieger und Trainer, so wie es die Kinder in Distrikt Eins und Zwei taten, aber es war noch nie gut gegangen. Das letzte Beispiel war Reeta gewesen, was als gute Abschreckung diente.
Leider.
Gerade dieses Jahr wäre ich froh über eine Reeta gewesen.
„Ich will nicht pessimistisch sein, aber dieses Jahr einen Sieger nach Hause bringen, wird schwer.", beendete Drein was ein frustriertes Murren durch die Anwesenden gehen ließ.
„Okay kommen wir zu den Mentoren, damit wir heim gehen können.", brummte Morin, ein älterer Mann, von dem ich sogar vergessen hatte, welche Spiele er gewonnen hatte.
Die Kinder im Distrikt hatten jedoch Angst vor ihm und seiner mechanischen Kapitolshand. Keine Ahnung ob er deswegen so ein Brummbär war oder einfach schon immer schlecht drauf.
„Wie immer", seufzte er, wodurch ich ihn wieder anblickte, „will das Kapitol Finnick als Mentor."
„Was soll ich sagen, sie lieben mich.", meinte Finnick sarkastisch und setzte sein Siegerlächeln auf.
Morin ignorierte ihn einfach.
„Die weibliche Mentorin bleibt uns wieder frei. Mags sollten wir mal eine Auszeit können, weswegen ich für Kami wäre."
Kami hatte acht Jahre vor Finnick gewonnen, auch wenn sie um einiges jünger wirkte, mit ihrem blonden wallenden Haar. Sie war selber erst zwei mal Mentorin gewesen, da sonst immer Mags Finnick begleitete.
Mich blickte Morin nicht einmal an, doch das war mir egal.
„Ich will dieses Jahr gehen."
Ich konnte selber nicht glauben, dass ich es gesagt hatte und besonders nicht, dass meine Stimme dabei so stark und sicher klang. Hatte ich mich gerade freiwillig gemeldetet zurück ins Kapitol zu gehen? Als Mentorin, obwohl ich dies noch nie getan hatte?
Hatte ich. Einfach weil ich nicht wusste, wie ich sonst Annie und Finnick helfen konnte. Dort könnte ich zumindest Sponsoren besorgen, wenn Annie wirklich Tribut werden würde.
Etwas anderes war weder mir noch Tarek eingefallen.
Ich hatte es ihm am Abend von Finnicks Ankunft erzählt. Begeistert war er natürlich nicht, besonders weil er nicht bei mir sein konnte, um mir zu helfen. Aber etwas besseres konnte er auch nicht liefen, weswegen er nach gab und zustimmte.
„Du?", fragte Kami und holte mich aus meinen Gedanken. „Bist du sicher?"
„Ja bin ich.", gab ich wieder, doch es schien niemanden wirklich zu überzeugen, weswegen ich seufzte. „Ich hab mich lange genug hier im Distrikt versteckt. Morin hat Recht, dass Mags wirklich einmal eine Auszeit verdient hat. Also bleiben nur du und ich Kami. Ich vermute aber nicht, dass du deinen Mann mit den drei Kindern alleine lassen willst. Wie alt ist dein Kleiner jetzt? Neun Monate? Das ist doch kein alter um ein Kind alleine zu lassen!"
Vielleicht war es unfair Kamis Familie gegen sie zu verwenden, aber ich wusste, dass ich sie damit auf meine Seite zog.
Einen Moment schien sie zu überlegen, ehe sie auch nickte.
„Wenn es dir wirklich nichts ausmacht, wäre mir das wirklich Recht.", gestand sie.
Drein und Morin blickten noch ein wenig skeptisch drein, doch im Endeffekt konnten sie nichts daran ändern.
Ich wusste, dass die beiden Männer nicht wirklich gegen mich waren, sondern eher mich schützen wollten, auch wenn sie es niemals zugeben würden.
Nach den Spielen war ich ein Frack gewesen und erst seit kurzen ging es mir besser.
Natürlich musste es auf sie wirken, als würde ich mich komplett überschätzen und nur zusammen brechen.
„Ich schaff das.", versprach ich deswegen. „Und wenn hab ich immer noch Finnick bei mir. Er war mein Mentor und ist mein bester Freund. Keiner wäre also besser für mich, für mein erstes Jahr als Mentor. Früher oder später wird das Kapitol mich sowieso einmal anfordern, also will ich es lieber unter meinen Bedingungen. Ihr alle kennt Snow. Er liebt es uns leiden zu sehen und die Leute im Kapitol interessieren sich nur für gute Geschichten. Nichts gegen einen kleinen neunmonate alten Sohn Kami, aber die Rückkehr eines gebrochenen ehemaligen Tributes, der sich bis jetzt verkrochen hat, ist eine viel bessere Story und somit auch besser für unsere Tribute."
„Das ist ein Argument.", hatte Finnick seinen Schock endlich überwunden und begann mir zu helfen. „Wer ist also dafür, dass Senna Mentorin ist dieses Jahr?"
Seine Hand ging gleichzeitig mit seiner Frage nach oben. Mags folgte ihm nur eine Sekunde später, weswegen ich die alte Frau dankbar anlächelte. Auch Kami zögerte nicht mehr lange, was auch Drein und dann auch einen brummenden Morin die Hände heben ließ.
„Na dann ist es wohl entschieden.", schlussfolgerte Finnick und grinste mich spitzbübisch an. „Du und ich Senna sind die Mentorin von Distrikt Vier in den 70. Hungerspielen."
Ich schaffte es mir ein Lächeln aufzuzwingen und es aufrecht zu erhalten, bis die anderen aufgestanden und verschwunden waren, ehe Finnick und ich ihnen folgten.
Gleichzeitig konnte ich nur hoffen, dass ich wirklich das Richtige getan hatte.
Finnick sagte nichts, schien zu wissen und verstehen, warum ich es tun musste und doch fragte ich mich nun, ob ich wirklich eine Hilfe im Kapitol wäre.
Konnte ich wirklich eine Mentorin sein?
Konnte ich eine gute Mentorin sein?
Ich musste es einfach schaffen. Für Annie.
DU LIEST GERADE
Senna Quince 3 | Die 70. Hungerspiele
Fanfic_Teil 3_ Endlich scheint Sennas Leben wieder in geordneten Bahnen zu laufen. Den Tod ihres Vaters einigermaßen verkraftet und die Halluzinationen hinter sich gelassen, lebt sie mit Tarek zusammen in ihrem Siegerhaus. Doch gerade da kommt Finnick m...