Senna Quince 3 | Kapitel 28

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Nicht zu wissen, wann es passieren würde war das Schlimmste.
Jeden Tag versuchte ich nicht darüber nachzudenken, doch um so mehr Stunden vergingen, um so unruhiger wurde ich. Auch Tarek spürte dies. Wann immer ich aufblickte, konnte ich in sein besorgtes und trauriges Gesicht blicken. Wo ich war, war auch er, als wen wir wie Magneten zusammen hingen. Selbst wenn ich versuchte mich zurück zu ziehen. Schließlich wusste ich nicht, wie Snow mich umbringen lassen wollte aber ich würde es mir nicht verzeihen, wenn er als Kollateralschaden für den Präsidenten in Ordnung war.
Ich rechnete jede Sekunde damit, dass etwas passierte und trotzdem traf mich der Brief um so mehr.
Weiße Rosenblätter waren darin, nichts weiter und doch wusste ich genau, was sie bedeuteten. Präsident Snow trug immer eine unglaublich stark riechende weiße Rose an seinem Jacket. Eine Art Markenzeichen, welcher jeder Bürger von Panem mit ihm in Verbindung brachte.
Heute.
Es würde heute sein.
Wieder schaute ich auf und blickte in Tareks Augen.
Ich musste nichts sagen, er verstand auch so. Für einen Moment schien Wut und Verzweiflung sein Gesicht zu übernehmen, ehe er sich wieder unter Kontrolle hatte. Traurig Lächelnd drückte er mich kurz an sich und dann... verschwand er.
Auch wenn ich froh darüber war, da er so aus dem Weg war, fühlte ich mich doch auf einmal unglaublich verlassen. Auch wenn wir jede Sekunde ausgenutzt hatten, wollte ich jetzt noch mehr davon haben.
Nun war es an mir, dass der Schock von Wut und Verzweiflung abgelöst wurde.
Da niemand sonst da war ließ ich mich aufs Sofa fallen und gab den Tränen nach. Zusammengerollt bemitleidete ich mich eine Weile selber. Immerhin hatte ich mich schon einmal freiwillig zum Tod gemeldet, aber damals, in den Hungerspielen konnte ich dagegen kämpfen. Einfach zu warten, zu wissen, dass man nichts ändern konnte, machte es so viel schrecklicher. Ein Teil von mir hoffte darauf, dass er einen Assasinen schicken würde, auch wenn es ein dummer Gedanke wäre. Es würde so sicher nicht wie ein Unfall aussehen. Trotzdem könnte ich mich dabei zumindest verteidigen. Ich könnte kämpfend sterben, so wie ich es mir damals in den Hungerspielen gewünscht hatte.
Abgelenkt durch mein Selbstmitleid bemerkte ich die Gestalt nicht, bis sich die Arme auch schon um mich legten. Eine Hand wanderte zu meinen Mund und verhinderte jegliches aufschreien. Ich hatte damit nicht gerechnet, auch nicht, dass die Person mich einfach so hochheben konnte. Zwar trat ich um mich, doch mit meinem zerstörten Knie konnte ich keine wirkliche Kraft aufbringen. Fast schon war es traurig, wie schwach ich mittlerweile war, seit ich nicht mehr auf die Hungerspiele hin trainierte.
Als wöge ich nichts und würde mich nicht wehren legte mein Gegner immer mehr Weg zurück.
Warum brachte er es nicht hier zu Ende? Warum trug er mich zur Hintertür?
In meinem Kopf gab es alle verschiedenen Möglichkeiten, doch keine wirklich Sinn ergeben. Wehren konnte ich mich aber nicht wirklich, da ich anscheinend nicht einmal ein Hinderniss für die Person war.
Draußen angekommen setzte er mich immer noch nicht ab und langsam wurde es mir zu dumm, weswegen ich erneut nach meinen Gegner trat. Dieses mal schien ich ihn besser zu treffen, den ich konnte ihn zumindest ein Grunzen entlocken.
Auch wenn es nur ein kleines Geräusch war, würde ich die Stimme unter tausenden wieder erkennen. Genau so wie sich die Arme auf einmal um einiges vertrauter anfühlten, als noch vorher, weswegen ich fast vor Schreck erstarrte.
„Endlich verstanden?", brummte Tarek eindeuitg beleidigt in mein Ohr.
Eigentlich nicht aber das konnte ich ihm nicht sagen, da er mir immer noch den Mund zu hielt, während er weiter durch die Nacht eilte.
Ich ließ es zu bis er ein ganzes Stück hinter sich gebracht hatte und wir in der Deckug von Felsen waren. Der elektronische Zaun, der uns vor wilden Tieren schützen sollte, nicht mehr weit entfernt. Erneut strampelte ich los, auch wenn ich dieses mal darauf verzichtete, nach ihn zu treten.
Als ich endlich auf den Boden abgesetzt wurde und die Hand von meinem Mund verschwand, holte ich geschockt Luft.
Ungeschickt herumwirbelnd blickte ich wirklich in Tareks blaue Augen.
„Was zum Henker?", wollte ich wissen, stieß ihn aber auch schon im nächsten Moment gegen die Brust. „Was tust du da?"
„Dein Leben retten.", stellte er klar, weswegen er sofort noch einmal einen Schlag kassierte.
Er schien damit gerechnet zu haben, da er nicht zusammen zuckte, was mich fast noch wütender machte.
„Du weißt genau dass das nicht geht! Denkst du nicht, ich wäre mit dir weggelaufen, wenn es möglich wäre? Snow wird es dann an Finnick und Annie auslassen. Das kann ich nicht zu lassen!", warf ich ihm entgegen, auch wenn meine Stimme mehr ein verzweifeltes Quitschen war, als kräftig und überzeugt.
Zu viele Emotionen waren in den letzten Stunden einfach durch meinen Körper gerast und langsamw urde ich es Leid.
Ich wollte mich an ihn vorbei drücken und zurück zu meinem Haus laufen. Wenn ich mich beeilte, könnte ich es noch schaffen. Es war als wenn eine innere Stimme über diesen Gedanken nur lachen konnte und mich für meine Todessehnsucht hasste. Doch ich tat es für meine Freunde.
Zumindest war dies der Plan, doch Tarek hielt mich einfach am Arm fest.
Das er stark war, war mir schon immer klar gewesen, aber wann war er so kräftig geworden? Oder hatte er sich einfach immer nur zurück gehalten?
„Verdammt Senna lass mich doch ausreden, wir haben nicht viel Zeit.", knurrte nun er, wie iches noch nie von ihm erlebt hatte, weswegen ich ihn nur erstaunt anschauen konnte.
Für einen Moment war nur das Summen des elektronischen Zaunes zu hören und aus der Ferne die Wellen. Anscheinend war dies aber Antwort genug für Tarek, da er weiter sprach.
„Als du mir vor den Spielen erzählt hast, was los ist, war mir klar, was du vorhaben würdest. Ich wusste, dass du dich opfern würdest, um die beiden zu retten. Was du aber nicht weißt, ist das ich auch meine Kontakte habe. Mit fünfzehn bin ich wieder einmal durch den Distrikt geirrt als mich ein Mann aufgehalten hatte. Isaih hat mir von Distrikt 13 erzählt."
„Distrikt 13 ist während der Rebellion zerstört worden.", warf ich verwirrt ein und verstand immer noch nicht, besonders da Tarek unglaublich schnell sprach.
„Nur oberflächlich. Menschen leben unter der Erde in einem Komplex und haben langsam die Rebellion wieder aufgebaut. In allen Distrikt haben sie ihre Leute und auch im Kapitol."
„Und Isaih ist einer dieser Rebellen.", schlussfolgerte ich und Tarek nickte, was nur einen Gedanken zuließ. „Du bist ein Rebell?"
Bei dem Wort verzog er kurz das Gesicht, ehe er fast entschuldigend schaute.
„Ich wollte es dir sagen aber du hast schon so viel durchgemacht. Isaih hat verstanden, dass ich nicht mehr für ihn und Distrikt 13 arbeiten konnte, als ich dich traf. Doch als du im Kapitol warst hab ich mich an ihm gewandt. Es ist alles geplant."
„Was ist geplant?", verstand ich immer noch nicht, als eine Explosion auch schon die Nacht durchschnitt.
Ich musste nicht in die Richtung schauen, aus der die Geräusche kamen, um zu wissen, dass es mein Siegerhaus war.
„Das", murmelte Tarek nur und zog mich weiter zu dem Zaun.
Das elektronische Summen war verschwunden. Trotzdem konnte ich nur darauf starren, während Tarek seinen Rucksack durchwarf und selber hindurch schlüfte, wodurch er in der Wildnis stand. In der Wildnis, die voller Tiere, Mutationen und anderer Gefahren war.
Verwirrung, Angst und Hoffnung durchzogen mich gleichzeitig, während Tarek zu mir schaute.
„Komm. Wir haben nicht viel Zeit. Das ist unsere einzige Chance. Der Strom kann jede Sekunde wieder zurück sein."
„Finnick..."
„Er wird denken, dass wir beide Tod sind. Gasexplosion, so wie es Snow geplant hatte. Nur das der Ausführer der Aufgabe ein Rebell im Kapitol ist.", erklärte Tarek abgehetzt. „Ihm wird nichts passieren. Die Anderen sind sicher."
Es waren seine Worte und die Art wie er mich anblickte, die mich ebenfalls schnell durch den Zaun schlüpfte. Keine zwei Sekunden später war das Summen wieder da.
Ich stolperte regelrecht gegen Tareks Brust und blickte zu ihm auf.
Er hatte mir einen großen Teil seiner selbst verschwiegen, obwohl ich ihm alles anvertraut hatte. Aber er hatte es getan, um mich zu schützen. Genau wie er nun alles riskiert hatte, um mich zu retten. Er hätte in Ruhe leben können, als Witwer einer Siegerin. Sein Leben war gesichert gewesen und trotzdem hatte er mich gerettet.
„Sie sind wirklich sicher?", fragte ich unsicher noch einmal nach.
Tarek nickte.
„Niemand wird etwas erfahren.", versprach er.
„Und jetzt?", wollte ich wissen, da ich es nicht wirklich wusste.
Wir waren in der Wildnis. Auch wenn in Distrikt 13 wirklich noch etwas existierte, wie sollten wir dort hin kommen?
„Wir versuchen uns durchzuschlagen.", schien Tarek meine Gedanken zu lesen.
„Wir können aber nicht durch irgendwelche Distrikte. Wenn uns jemand sieht..."
„Senna", unterbrach mich Tarek und nahm mein Gesicht in seine Hand. „Die Chance ist gering, dass wir überleben aber immerhin haben wir jetzt eine."
„Du hattest bereits eine, wenn nur ich gestorben wäre.", erinnerte ich ihn und spürte Tränen in den Augen, wenn ich daran dachte, was er für mich aufgegeben hatte.
„Ohne dich hätte und wollte ich nicht leben."
War es nicht das, was ich mir noch vor wenigen Stunden gewünscht hatte? Eine Chance, egal wie klein sie war? Zusammen mit Tarek, egal wohin wir gingen?
„Hast du Waffen dabei?", brachte ich deswegen leise hervor und doch grinste Tarek breit, als er einen Dolch hervor zog und mir reichte.
„Nur du und ich.", flüsterte er und küsste mich kurz, was mich Lächeln ließ.
Senna Quince war Tod. Gestorben in einer Explosion. Eigentlich war sie schon in ihren Spielen gestorben.
Aber ich war am Leben. Ich und mein Mann.
„Nur du und ich."

ENDE

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Ich hoffe euch hat die Geschichte (alle drei Teile) gefallen. Dies ist (vorerst) das offene Ende von Sennas Geschichte. Ich freu mich über Sterne und Kommentare. Sagt mir, wie ihr die Geschichte findet.


Senna Quince 3 | Die 70. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt