Senna Quince 3 | Kapitel 14

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Die Trainingstage meiner Tribute vergingen wie im Flug. In der Früh brachten Finnick und ich unsere Tribute zum Training. Den restlichen Tag verbrachten wir meistens mit Johanna. Obwohl sie und ich so unterschiedlich waren verstanden wir uns blendend. Ich verstand immer mehr warum Finnick sie so sehr mochte. Mit ihr zusammen konnten wir zumindest für ein paar Stunden vergessen wo wir waren und was uns bevorstand. Trotzdem wurde Finnick mit jedem Tag unruhiger. Ob es einfach daran lag, dass Annie bald in der Arena sein würde oder weil er noch nicht einmal zum Präsidenten gerufen wurde, konnte ich nicht sagen.
Auch Johanna merkte sein angespanntes Verhalten, weswegen sie kurzerhand beschloss, dass es für mich Zeit war, einmal den Trainingsraum zu benutzen. Sie war die einzige hier, die mein deutliches hinken schon seit Anfang an ignorierte und mich wie ein normaler Mensch behandelte. Selbst Finnick schien die ganze Zeit, seit meiner Spiele, darauf bedacht, immer an meiner Seite zu sein, wenn es möglich war, um mich eventuell aufzufangen.
Johanna jedoch lief mit normaler Geschwindigkeit vorraus und redete normal mit mir weiter.
Als erstes forderte sie natürlich Finnick heraus, einfach um ihn abzulenken. Es dauerte ein paar Runden, in denen Johanna fast blind gegen ihn gewann, ehe er seine Konzentration endlich auf den Kampf lenkte und ein ebenbürtiger Gegner wurde. Es half ihm eindeutig, doch ich konnte einen eifersüchtigen Stich auf die beiden nicht unterdrücken. Auch wenn Johanna mich normal behandelte, konnte ich hier meinen Nachteil nicht verheimlichen. Ich konnte nicht meine geliebten Messer ergreifen und ebenfalls testen, wer von uns drein wirklich der Beste war.
Fast sehnsüchtig blickte ich einen Moment auf die kleinen Waffen, wodurch mein Blick auf die Station dahinter fiel.
Einer der Bögen, die dort warteten, schien mich regelrecht anzulächeln.
Vielleicht konnte ich nicht mehr mit meinen Messern umgehen, aber der Bogen war immer noch mein Freund.
Während meine Freunde weiter mit einander rangen, ging ich auf die andere Station zu und griff nach der Waffe, die mich so angezogen hatte. Es fühlte sich perfekt in meiner Hand an. So schlimm meine Spiele vielleicht auch gewesen waren, ein Leben, welches man dem Training mit Waffen gewidmet hatte, konnte man nicht abschütteln. Das Gefühl des Bogens in meinem Finger gibt mir wieder ein wenig mehr Selbstbewusstsein.
Die ersten Pfeile treffen zwar noch nicht ins Schwarze aber sind immer noch nahe genug dran, obwohl ich nicht so regelmäßig wie früher trainiert hatte. Nach kurzer Zeit fliegt einer nach dem Anderen treffsicher in sein Ziel und ich kann mir ein Grinsen nicht ganz verkneifen.
„Beeindruckend.", höre ich auf einmal eine Stimme hinter mir.
Sofort wirbel ich herum und blicke im ersten Moment auf ein Shirt, was über einer trainierten Brust spannt. Ein wenig höher grinste mir Gloss entgegen. Er sah nicht schlecht aus, groß und trainiert, aber das Lächeln erreichte seine Augen nicht wirklich. Vielleicht hatte er mich erschreckt, aber das würde der einzige Vorteil ihm mir gegenüber sein.
Deswegen erwiderte ich den Blick auch nur stur und antwortete nicht wirklich darauf.
Einen Moment gab Gloss sich dem kleinen Machtspiel hin. Als er jedoch merkte, dass er nicht gewann, grinste er noch ein wenig breiter.
„Wer hätte gedacht das so eine kleine Siegerin wie du, noch so in Form ist?"
„Gibt es hier irgendwelche Probleme?" Finnick taucht steht auf einmal hinter dem Mann aus Distrikt 1, ohne dass ich es bemerkt hatte. Auch wenn seine Frage freundlich klang, konnte ich sehen, wie angespannt sein Körper war.
„Nein, alles bestens.", erwiderte ich deswegen sofort, schaute jedoch nicht zu ihm, sondern hielt den Kontakt mit Gloss. „Unser Freund aus Distrikt 1 hat nur festgestellt, wie gut ich bin."
Ich wusste nicht wirklich woher ich den Mut nahm. Wahrscheinlich tat mir der Umgang mit Johanna noch besser als ich es selber wahr genommen hätte.
„Genau.", stimmte Gloss zu und grinste nun kurz zu Finnick. „Warum habt ihr sie nicht eher hier her geschickt. Sie ist gar nicht so wahnsinnig, wie alle behaupten."
Kichernd ging der Mann aus Distrikt Eins davon. Wütend hob ich den Bogen und wollte den Pfeil bereits reflexartig von der Sehne entlassen, als Finnick jedoch nach meinen Armen griff und sie nach unten drückte.
„Du kannst hier keine anderen Sieger umbringen.", erinnerte er mich ruhig, schmunzelte dabei aber.
„Ich wollte ihn nicht umbringen, nur weh tun." Das war sogar die Wahrheit. Immerhin hatte ich absichtlich auf seinen Hintern gezielt. Sollte er doch mal versuchen mich zu nerven, wenn er nicht mehr sitzen konnte.
„Wenn du willst verprügel ich ihn für dich bei einem Übungskampf.", schlug Finnick vor.
Einen Moment ließ ich mir den Gedanken durch den Kopf gehen, aber wie ich es auch drehte, gefiel es mir nicht. Ich wollte meine Kämpfe alleine schlagen. Da dies aber nicht mehr möglich war, zumindest nicht hier, musste ich wohl damit Leben.
„Schon gut. Ich ignorier ihn einfach und frag Johanna, ob sie ihn weiterhin Ärgern kann. Mal sehen wie witzig er sich noch findet, wenn sie sich stundenlang über ihn lustig gemacht hat."
Finnick schien den Gedanken auszuleben und begann nach ein paar Sekunden sogar zu schmunzeln.
„Das ist mein Mädchen.", lobte er mich.
Kurz legte er seinen Arm um meine Schultern und hauchte mir einen Kuss auf den Scheitel.
„Habt ihr es dann?"
Johannas Stimme drang zu uns und Finnick und ich schmunzelten gleichzeitig.
Mit einer Hand in ihre Seite gestemmt und in der anderen immer noch ihre Axt, stand Johanna da und schaute uns fragend an. Dabei wirkte es, als wöge die Waffe überhaupt nichts, was mir zeigte, wie gefährlich die andere Frau wirklich war.
„Ich glaube sie möchte weiter kämpfen.", schlussfolgerte ich und schaute zu Finnick.
„Erbarmen.", jammerte er, doch Johannas schelmisches Grinsen versprach eher das Gegenteil.
„Wann ist das Einzeltraining unserer Tribute heute vorbei?", wollte Finnick wissen und ich schielte kurz zu der großen Uhr, die in der Halle angebracht war.
„In circa drei Stunden."
Fast vielen Finnicks Augen für einen Moment aus seinem Gesicht, ehe er sich jammernd seinem Schicksal ergab.

Senna Quince 3 | Die 70. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt