Kapitel 1

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POV Aris

Ich betrete meine Stammbar, wie an so vielen Samstagen und steuere automatisch auf meinen Stammplatz am Tresen zu, wo mir der mir altbekannte Barkeeper mein Stammgetränk hinstellt, ohne, dass ich es bestellen muss. Der Scotch auf Eis lächelt mich verführerisch an, auf den freue ich mich an einem Tag wie heute besonders.

Obwohl wir Samstag haben bin ich auch heute nicht ohne Arbeit ausgekommen. Neben meiner Management-Position in der Firma meiner Eltern lehre ich einmal pro Woche an der städtischen Universität als Dozent. Warum ich mir den Stress antue?

Nun ja, mein Leben war von klein auf vorbestimmt. Da meine Eltern Geschäftsleute sind stand nach dem Schulabschluss fest, welches Fach ich studieren werde damit ich danach möglichst schnell in das Geschäft einsteigen kann. Meine Tätigkeit an der Uni ist das kleine Bisschen Freiheit, dass ich mir nach endlosen Diskussionen erkämpft habe. Also nehme ich den Stress gerne in Kauf.

Ich besuche diese Bar regelmäßig, da ich hier meist unerkannt bleibe. Die Stellung meiner Eltern sorgt für eine gewisse Bekanntheit in der Stadt, hier werde ich erstaunlicherweise seltenst erkannt. Und das ist  auch gut so. Es ist schön, wenigstens für ein paar Stunden mal nicht Aris Hemford, der nächste Geschäftsführer der Hemford Corporation zu sein.

Ich nehme einen Schluck von meinem Glas und lasse meinen Blick durch die Bar schweifen. Es ist nicht unbedingt die gehobenste Location hier, die dunklen Holzmöbel wirken abgenutzt und die Dekoration an den Wänden könnte mal wieder vom Staub befreit werden. Dennoch hat die Bar einen gewissen Charme, die Angestellten sind nett und die Drinks gut. An Wochenenden ist hier gut was los, so auch heute.

Schräg im Eck fällt mir eine Gruppe junger Männer auf - vom Alter her könnten sie Studenten an der Uni sein. Sie trinken und haben Spaß, letzteres ist kaum zu überhören. Inmitten der Truppe fällt mir ein blonder, schlanker Junge auf. Er trägt einen meiner Meinung nach viel zu großen Kapuzenpullover und eine zerrissene Jeans. Sein Haar ist etwas zerzaust aber im Allgemeinen sieht er ganz süß aus. Vermutlich aber zu jung für mich - also verwerfe ich den Gedanken wieder.

Ich seufze tief und widme mich wieder meinem Getränk. Mittlerweile scheine ich es so nötig zu haben, dass ich mich gedanklich fast an einem Jugendlichen vergangen hätte. Wann hatte ich zuletzt Sex? Es ist sicher nicht länger als zwei Wochen her, oder war es sogar letzte Woche? Ich weiß es nicht mehr. Ich hangle mich seit einiger Zeit von einem Kerl zum nächsten, da verdienen einzelne Male keine besondere Aufmerksamkeit mehr. Es läuft immer gleich ab: Wir treffen uns in einer Bar, trinken, haben Sex, einer von beiden verschwindet danach. Unverbindlicher, dreckiger Sex. Genau das, wonach mir gerade ist.

Warum ich nicht mehr will? Weil ich verdammt nochmal bekannt bin in dieser Stadt. Bis vor einem Jahr war ich mit meiner Jugendfreundin verlobt. Die große Hochzeit war bereits geplant, doch obwohl ich mir seit der Pubertät eingeredet habe „normal" zu sein, habe ich meine Scharade nicht mehr länger aufrechterhalten können. Ich habe mich von meiner Verlobten getrennt, mich vor meinen Eltern als Homosexuell geäußert. Familienintern war das ein Skandal, immerhin kann der Nachfolger der Hemford Corporation unmöglich schwul sein. Seitdem kommt meine Mutter alle paar Wochen mit einer neuen Frau um die Ecke, um mich zu verkuppeln. Beziehungen mit Männern sind mir strengstens untersagt.

Da ich aber auch nur ein Mann mit Bedürfnissen bin habe ich mich dazu entschieden, meine Lust also ganz unverbindlich zu befriedigen. Keine Namen, keine Kontaktdaten. Ein einziges Mal Sex und danach sehen wir uns nie wieder. Zu groß ist meine Angst, dass mich jemand wegen meinem Namen will, um aus mir Vorteile zu schöpfen. Ich darf nicht riskieren, meinen Ruf wegen ein paar Gefühlen zu riskieren, die mir ohnehin verboten werden von meinen Eltern. Also bleibe ich in der Regel für mich. Die meisten Typen sind ohnehin mit einer einmaligen Sache zufrieden und so kann ich nach nur einer heißen Nacht wieder aus deren Leben verschwinden.

Ich blicke auf und unsere Blicke treffen sich rein zufällig. Die dunkelgrünen Augen des blonden Jungen am anderen Ende des Raumes blicken direkt in meine. Er starrt mich regelrecht an, als er merkt, dass ich nun auch ihn ansehe lächelt er leicht, dreht sich dann wieder seinen Freunden zu. Hat er mich erkannt? Oder wollte er einfach nur mit mir flirten? Aus einem mir unbekannten Grund erweckt dieser Typ meine Aufmerksamkeit, weshalb ich immer wieder zu der Gruppe hinübersehe, ab und an kreuzen sich unsere Blicke für einen kurzen Moment. Ich bestelle einen weiteren Drink und beschließe spontan, für den unbekannten Blonden auch einen zu bestellen.

Ich beobachte, wie das Getränk an den Tisch der Gruppe gebracht wird und erkenne einen verwirrten Blick im Gesicht des Empfängers. Erst als der Barkeeper in meine Richtung zeigt und sich unsere Blicke wieder treffen weicht seine Verwirrung einem ehrlichen Lächeln. Er ist süß und definitiv zu jung. Aber was spricht schon gegen einen Drink als Ausdruck meiner Sympathie ihm gegenüber? Außerdem bin ich jetzt auch nicht unbedingt alt - mit Mitte 30 bin ich wohl im besten Alter. Das rede ich mir zumindest ein.

Als der Überbringer des Getränkes wieder hinter der Bar angekommen ist bedanke ich mich für seinen Service und wir unterhalten uns ein wenig über oberflächliche Dinge, wie das Wetter und die neuesten Weltgeschehnisse. Das tun wir fast immer, wenn ich alleine hierher komme. Manchmal begleitet mich mein bester Freund Tommy - dieser befindet sich aber aktuell im Ausland auf einer längeren Geschäftsreise, weshalb ich in letzter Zeit ausschließlich alleine losgezogen bin. Alleine nach Hause bin ich dennoch nicht sonderlich oft.

Im Augenwinkel sehe ich, wie sich jemand auf den freien Platz links von mir setzt.
„Ist hier noch frei?" „Klar" antworte ich reserviert und drehe mich etwas in die Richtung meines Sitznachbarn. Ich staune nicht schlecht, als dieser sich als der blonde Junge entpuppt. Ich blicke skeptisch in die Ecke der Bar, wo er noch vor einigen Minuten saß und erkenne, dass der Tisch sich mittlerweile vollständig geleert hat.

Noch immer verwirrt höre ich, wie der Fremde zwei Getränke bestellt und eines der Gläser schließlich in meine Richtung schiebt, wofür ich mich mit einem Nicken bedanke. Aus der Nähe wirkt er noch jünger, geradezu unschuldig. Herr vergib mir meine Sünden, ist der Kerl Überhaupt schon volljährig? Egal, wie notgeil ich auch sein mag, ich kann mich nicht an Jüngeren vergehen - wenn ich daran denke, dass dieser unschuldige Typ mir unter Umständen bereitwillig seine Jungfräulichkeit überlässt reizt mich der Gedanke daran nun doch sehr.
Okay Aris, tief ein- und ausatmen. Reiß dich zusammen.

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Und damit herzlich willkommen zu meiner zweiten Geschichte - diesmal aus zwei Perspektiven geschrieben 💕
Ich freue mich auf die Reise und bin gespannt, welche Wendungen noch auf uns zukommen!

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