Kapitel 32

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POV Milam

Wir essen Pizza, sitzen auf der Couch und sehen einen Film an. Außerdem habe ich das Gefühl  wir lernen uns endlich kennen. Wir erzählen viel aus dem eigenen Leben und werden die Fragen los, die uns am anderen jeweils interessieren. Dadurch weiß ich jetzt auch, wer der fremde Kerl war, der mit Aris im Laden einkaufen war. Außerdem erzählt er mir mehr über sein wirklich kompliziertes Verhältnis zu seinen Eltern. Je mehr ich zu dem Thema erfahre desto mehr Mitgefühl entwickle ich für ihn. Ich würde ihm so gerne helfen und diese Last abnehmen. Am Ende sind mir da nur leider die Hände gebunden.

Ich checke irgendwann mein Smartphone das mir zeigt, dass wir bereits nach Mitternacht haben. Schlafe ich hier? Oder fährt Aris mich noch zum Minimarkt zurück? „Was schaust du so nachdenklich?" erkundigt sich der Größere bei mir. „Ich hab nur überlegt, ob ich Alex Bescheid sagen sollte, dass es heute später wird" lüge ich, um eine Tendenz aus ihm hervorzulocken. „Warum solltest du deinem Kumpel Bescheid geben, wo du bist?" „Wir wohnen zusammen. Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht." Los Aris, beiß schon an.

Er lehnt sich auf der Couch zurück „Ach, so ist das. Schreib ihm doch, dass du erst morgen heim kommst." schlägt er vor. Gut, damit hat er die Entscheidung für mich getroffen - ich werde also tatsächlich heute Nacht in einem Bett mit Aris verbringen. Das wird gleichzeitig generell mein erstes Mal, dass ich mir mit einem Mann, mit dem ich geschlafen habe ein Bett teile. Mein Ex - der gar nicht wirklich mein Ex ist - hat mich immer nach Hause geschickt oder ist selbst gegangen. Aufgrund meiner Schüchternheit hat sich sonst nichts ergeben, das nach sich ziehen könnte gemeinsam die Nacht zu verbringen.

Ich lasse Alex tatsächlich wissen, dass ich heute Nacht auswärts schlafe, was ihn aber nicht weiter zu interessieren scheint. Eine Antwort bekomme ich schließlich nicht, was für meinen Mitbewohner aber nicht ganz ungewöhnlich ist. Er ist nicht so der Nachrichten-Mensch. Generell kommuniziert er wohl eher auf seine Art und Weise. Ich leg mein Handy wieder beiseite und konzentriere mich auf den Film, der noch immer im Fernseher läuft. Ich habe ohnehin keinen Plan, worum es geht, da mich die bloße Anwesenheit von Aris Hemford in JOGGINGHOSEN komplett aus dem Konzept bringt.

Nach dem Film folge ich ihm ins Schlafzimmer, warte ab welche Bettseite er wählt um anschließend die entsprechend andere Seite zu wählen. Er leiht mir eine Zahnbürste und wir stehen nebeneinander vor dem Waschbecken und putzen unsere Zähne. Es fühlt sich so seltsam alltäglich an, in dieser Situation neben ihm zu sein. Es ist etwas, das ich bisher nicht kannte. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass ich mich schnell daran gewöhnen würde. Unterbewusst fange ich an, mir Hoffnungen zu machen. Spätestens seit der Uniparty habe ich permanent das Bedürfnis ihm nahe zu sein und ihn kennenzulernen.
Aber mich beschleicht ein leises Gefühl, dass ich mich am besten nicht daran gewöhnen sollte. Was ist in den letzten Wochen passiert, dass er plötzlich so eine 180-Grad-Wende hinlegt?

Als wir zurück im Schlafzimmer sind lege ich mich auf meine Seite des Bettes und warte ab, wie Aris sich jetzt verhält. Ich bin unbeholfen und will daher nicht irgendwas komisches machen. Er schlüpft unter die Decke, die wir uns teilen und knetet sein Kissen zurecht ehe er sich auf die Seite liegt, mir zugewandt. Ich hingegen liege auf dem Rücken wie ein Stein. Ein nicht lebendiger Stein. Weil ich nicht wusste, wie ich mich sonst positionieren sollte.

„Weißt du, ich hab noch nie eine meiner Bekanntschaften hier übernachten lassen. Es ist komisch jemanden hier liegen zu haben" gesteht er. Ich lächle ihn leicht an, wende meinen Kopf ihm zu - ihm geht es da also genau wie mir. Das beruhigt mich ungemein. Mir seinen starken Armen zieht er mich zu sich rüber, legt eines seiner Beine über meinen Körper. Ich lehne meinen Kopf an seine Brust und lausche seinem gleichmäßigen Herzschlag. Langsam aber sicher falle ich einen tiefen, erholsamen Schlaf.

Am nächsten Morgen fährt er mich wie versprochen zu meinem Fahrrad, zuhause komme ich daraufhin wenig später an und setze mich direkt an meinen Laptop, um Aris meine Bewerbungsunterlagen zu schicken - das musste ich ihm heute Morgen noch versichern. Also sende ich ihm die Unterlagen an seine geschäftliche Mailadresse. Da fällt mir ein, dass ich noch immer keine privaten Kontaktdaten von ihm habe. Naja, ich verlasse mich einfach mal darauf, dass er sich schon irgendwann melden wird.

Kurze Zeit später klopft es an meiner Tür und Alex taucht im Türrahmen auf.
„Wo warst du heute Nacht? Du schreibst sonst nie, wenn du nicht heim kommst - irgendwas ist faul." Erfasst er die Situation wie immer sofort. Ich muss kurz überlegen, wie ich mich da raus reden soll, beschließe aber zumindest im Grunde bei der Wahrheit zu bleiben. „Ich hab bei einem Typen übernachtet" Alex reißt seine Augen ungläubig auf „Bei Nate? Oder jemand anderes? Hattest du Sex? Du hattest Sex! Ich seh dir das an Milam, du Schlitzohr" er wirkt empört, das ist jedoch Alex' typische Art seine Begeisterung kundzutun.

„Ich weiß noch nicht, ob es was Ernstes ist" gebe ich zu. „Warum würdest ausgerechnet du mit jemanden ins Bett gehen, mit dem du keine ernsten Absichten hast?" er kennt mich einfach zu gut. Alex weiß, dass ich meine Prinzipien habe, die ich bisher befolgt habe. Ich zucke nur mit der Schulter und mein bester Freund scheint endlich zufrieden zu sein. „Na wie auch immer. Zocken wir ne Runde?"

Alex und ich verbringen den restlichen Nachmittag auf der Couch und kochen am Abend noch zusammen. Wir haben lange keinen WG-Tag mehr gemacht und einfach zu zweit Zeit verbracht. Es hat gut getan, mit Alex zu zocken und ein wenig zu quatschen. So war ich immerhin abgelenkt von Aris. Als ich in mein Zimmer komme ist der Laptop noch immer an, weshalb ich direkt sehe, dass ich eine Mail bekommen habe. Von der Personalabteilung der Firma von Hemford. Zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass mir direkt der Arbeitsvertrag zugesandt wurde.

Aris, wie du das auch immer angestellt hast, ich  bin mehr als dankbar. Er hat mir damit den Arsch gerettet, denn Ende nächster Woche ist bereits die Deadline für die Praktikumsanmeldung. In 2 Monaten wird mein dreimonatiges Praktikum starten. In der Firma, die Aris' Eltern gehört. Diese Tatsache bereitet mir, je länger ich darüber nachdenke, wirklich Kopfschmerzen.

Wir werden also noch eine Weile länger in einem wirklich komplizierten Verhältnis zueinander stehen.

Crossing Paths - ManxManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt