Kapitel 14

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POV Aris

Die Zeit in der neu eröffneten Kneipe vergeht wie im Flug, da wir tatsächlich einige Leute kennen und den einen oder anderen Plausch führen. Natürlich ist der Sohn des Geschäftspartners meiner Eltern auch mit seinen Anhängseln zu uns rüber gekommen und hat uns auf ein Getränk eingeladen. Schleimige Vollidiot.

Ich teile Tommy mit, dass ich an die Bar gehe und unsere Rechnung bezahle - wir wechseln uns von Woche zu Woche ab mit dem Bezahlen, daher bin heute ich am Zug. Ich drängle mich also durch die Menschen, die kreuz und quer im Weg stehen bis ich endlich an der Bar angekommen bin. Ich versuche, den Barkeeper auf mich aufmerksam zu machen, da bin ich nur leider nicht der einzige, weshalb ich nach kurzer Zeit einfach geduldig warte, bis ich dran bin. Drängeln hat bei der Masse an Menschen keinen Sinn.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Bar fällt mir ein Student auf, der in meinem Projektseminar ist. Als ich den Rest seiner Gruppe betrachte fällt mir auch dieser Alex auf. Ist Milam etwa auch hier? Panik steigt in mir auf, hat er mich bereits gesehen? Ich scanne die Umgebung der Gruppe ab und dann sehe ich ihn, gleichzeitig wünschte ich mir aber, ich hätte das, was sich mir darbietet nicht gesehen. Die Panik weicht und ich merke, wie mir übel wird.

Der Blondschopf, der mir seit Wochen im Kopf umherspukt sitzt auf einem Barhocker. Zwischen seine Oberschenkel hat sich ein dunkelhaarige Typ gedrängt, welcher seine Hände auf Milams Hüften abgelegt hat. Das ist aber noch nicht das Schlimmste an diesem Szenario. Die beiden knutschen heftig miteinander. Milams Augen sind geschlossen, seine Arme um den Hals des Unbekannten geschlungen. Ich kann nichts tun, außer zu Starren und zuzusehen, wie sich die beiden gefühlt gegenseitig auffressen.

Kurze Zeit später erkennt mich einer der Kommilitonen, die ebenfalls zu der Gruppe gehören und winkt mir aufgeregt zu. Dieser Typ ist normalerweise eher einer der unauffälligen Studenten - wenn Alkohol im Spiel ist scheint diese Beobachtung offensichtlich nicht mehr zuzutreffen. Auch der Rest der Gruppe erkennt mich und grüßt mich wortlos. Dieser Alex stupst schließlich Milam an, welcher sich von dem Unbekannten löst und zuhört, was ihm sein Kumpel zu sagen hat.

Und dann fährt er herum, unsere Blicke treffen sich. Seine Wangen sind gerötet, das kann ich trotz der Lichtverhältnisse und der Entfernung deutlich erkennen. „Sie wollen zahlen?" Der Barkeeper taucht in meinem Blickfeld uf, unterbricht dadurch unwissentlich den Kontakt zu dem Blonden. Ich halte dem Angestellten meine Karte entgegen, zahle die Rechnung und entferne mich, wie ferngesteuert, von der Bar.

Mein erster Impuls war, zu ihnen rüber zu gehen und kurz Hallo zu sagen.
Und eventuell Milam von dem Typen wegzuziehen und zur Rede zu stellen.

Mein zweiter Impuls hat schließlich gesiegt: Flucht.
Ich erinnere mich an Milams Worte. Er hat sich von mir gedemütigt gefühlt. Ich habe ihn respektlos behandelt, habe ihn benutzt. Ich habe nicht das Recht, mich in seinen Abend mit Kumpels einzumischen. Ich habe ebenfalls kein Recht, sein Liebesleben zu beeinflussen. Vielleicht hat er zwischenzeitlich jemanden gefunden, der ihm das geben kann, was er braucht: Zuneigung. Liebe. Eine Beziehung.

Auch, wenn ich zulassen würde, Gefühle für einen Mann zu entwickeln, wäre die ganze Sache von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Meine Eltern dürften es niemals erfahren. Wir könnten niemals eine offizielle Beziehung führen. Es würde keinen Sinn machen, Gefühle zuzulassen und Gefahr zu laufen, dass einer oder gar beide verletzt werden. Da ist meine Strategie am Ende des Tages sinnvoller. Sauberer.

Also sammle ich meinen besten Freund ein und verlasse wenig später die Bar.
Draußen angekommen wende ich mich an Tommy „Du, ich glaub ich lass es für heute gut sein. im Büro ist grad viel los und irgendwie frisst die Uni auch mehr Energie als sonst. Ich werd einfach nach Hause gehen. Ist eh schon spät" ich zwinge mich ein künstliches Lächeln auf.
„Aris, irgendwas ist komisch an dir. Erst versetzt du mich drei Wochen lang und dann bist du alles andere als in Topform. Hast du, also damit meine ich ausgerechnet du, Liebeskummer?" beim letzten Wort zieht er die Augenbrauen lang nach oben.

„Spinnst du? Du kennst doch meine Prinzipien. Ich bin einfach erschöpft" winke ich ab „Aris, ist okay wenn du gerade nicht darüber reden kannst. Aber merk dir eins ..." Er legt seine Hand auf meiner Schulter ab, drückt diese leicht „... ich kenne dich besser als jeder andere. Sag mir Bescheid, wenn du mit mir teilen willst was dich belastet. Ich bin da Kumpel" Seine Reaktion spiegelt wieder, wieso ich diesen Mann niemals an meiner Seite missen möchte: Er drängt einen zu nichts, ist aber jederzeit da, wenn ich bereit bin mich zu öffnen.

Eine Weile gehen wir noch nebeneinander her. Als wir an der U-Bahn Station ankommen trennen sich unsere Wege dann schließlich. Wir verabschieden uns wenig später und ich steige in ein Taxi nach Hause, während Tommy die Treppen nach untern zur Bahn geht. Ich starre teilnahmslos aus dem Fenster, schweife wieder gedanklich ab. Was ist nur mit mir los? Warum passiert das? Im Endeffekt macht Milam nichts anderes, als sein Singleleben zu genießen, so wie ich es eigentlich auch tun sollte. Nichts daran ist verwerflich.

Dennoch beschäftigt es mich. Wie er an den Lippen dieses Kerls geklebt hat. Halt gesucht hat und sich an dessen Hals geklammert hat. Ob die beiden heute die Nacht miteinander verbringen? War es ihr erster Kuss oder kennen sie sich schon viel länger? Wie weit sind sie wohl bereits gegangen?
Okay, stop. Das geht mich nichts an und ich sollte mir darüber auch gar keine Gedanken machen. Ich sollte wieder einen Schritt zurück gehen, hinter die Linie, die uns voneinander trennt. Ich bin sein Dozent. Er ist einer meiner vielen Studenten. Ja, wir hatten ein turbulentes erstes Treffen, aber das ist Vergangenheit.

Das was war sollte ohnehin nicht sein. Obwohl es rein objektiv betrachtet nicht der Rede wert ist. Es war nicht mal besonders gut oder überhaupt irgendwie herausragend. Im Endeffekt habe ich ihm beim ersten Mal mein Glied in den Mund gestopft und beim zweiten Mal habe ich ihn nicht gerade liebevoll von hinten genommen. Ja, es waren insgesamt zwei sexuelle Begegnungen. Ja, er kennt meinen Namen und weiß, wer ich bin. Und ja, ich habe ihn dummerweise auch noch geküsst.

Aber es ist nicht zu spät. Ich kann immer noch zurück zu meinen Prinzipien.

Crossing Paths - ManxManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt