Kapitel 5

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POV Aris

Ich bin wie immer pünktlich am Campus. Mein Auto parke ich am extra für das Personal vorgesehen Parkplatz, nehme meine Tasche und mache mich auf den Weg zu den ersten Vorlesungen des Tages. Unterwegs treffe ich andere Dozenten, die ich höflich aus der Ferne grüße, lediglich mit der Bibliothekarin Elsa halte ich einen kurzen Plausch. Da ich oft abends und an Wochenenden in der Bibliothek arbeite oder Klausuren und Material vorbereite kennen wir uns mittlerweile gut. Die Mitte 50-jährige Frau ist ein herzensguter Mensch.

Nachdem ich am Vormittag zwei Einführungsveranstaltungen für Erstsemester halte habe ich ein paar Stunden frei. Die freie Zeit verbringe ich in der Bibliothek mit Arbeit. Auch, wenn die Montage der Universität gewidmet sind, bin ich leider nicht ganz von meiner Arbeit in der Firma meiner Eltern befreit. Also nutze ich freie Zeiten dann doch gelegentlich für Mails und Telefonate - so auch heute.

Gegen 15:30 Uhr mache ich mich wieder auf den Weg in Richtung Hauptgebäude. Als letztes steht heute ein Proejtkseminar an, das ich dieses Semester erstmalig anbieten werde. Der Fokus liegt auf Gruppenarbeiten, in denen die Studenten möglichst praxisnahe Projekte betreuen, die ihnen unternehmerisches Handeln nachebringen. Ich betrete den Computerraum 30 Minuten vor Beginn, da ich noch Material vorbereiten will. An jedem Vorlesungsraum befindet sich ein kleiner Vorbereitungsraum in denen wir Dozenten Material aufbewahren können. Außerdem ist ein Arbeitsplatz eingerichtet, an dem man durchaus auch noch Vorbereitungen treffen könnte.

Der Vorbereitungsraum dienst für mich primär auch nur als Stauraum, da die Atmosphäre nicht unbedingt zum Arbeiten anregt. Überall steht Material rum, die Regale sind unordentlich und man muss beim Gehen aufpassen, nichts umzuwerfen. Der Schreibtisch sollte eigentlich nach Benutzung wieder geräumt werden - allerdings hält sich daran kaum einer meiner Kollegen. Scheinbar haben viele Dozenten den Eindruck, durch ihre Position eine Art Narrenfreiheit zu haben.

Nach und nach trudeln die ersten Studenten ein und ich beobachte von meinem Platz vorne vor der Leinwand die neugierigen Blicke, die durch den Raum wandern und sich ihre Plätze aussuchen. Die meisten Teilnehmer scheinen aus höheren Semestern zu sein, wenn mich mein Eindruck nicht täuscht. Mit Sicherheit werden einige von ihnen den Kurs auch wegen mit gewählt haben. Das soll nicht eingebildet klingen, aber wann hat man schon die Gelegenheit, unter der Obhut eines Bekannten Unternehmers praxisbezogenen Projekte zu betreuen? Gerade Studenten, die eine entsprechende Karriere anstreben können dieses Seminar guten Gewissens in ihrem Lebenslauf präsentieren.

Der Geräuschpegel steigt plötzlich erheblich, als eine Gruppe junger Männer den Raum betritt und plötzlich beginnen, lautstark zu diskutieren. Bei genauerem Beobachten sind es aber doch eher nur zwei Mitglieder der Gruppe, die wohl eine Auseinandersetzung zu haben scheinen. Ich kann aufgrund der übrigen Kursteilnehmer, die sich ebenfalls noch angeregt unterhalten nicht den genauen Inhalt der Diskussion ausmachen. Irgendwie kommen sie mir bekannt vor - vermutlich hatten sie bereits in einem der Vorsemester einen Kurs bei mir.

Als der größere den kleineren dann schließlich zu einem der freien Plätze lotst und ich die beiden Streithähne endlich vollständig zu Gesicht bekomme trifft mich plötzlich die Erkenntnis, woher ich zumindest Teile der Jungsgruppe kenne: Sie sind mir bereits am Samstag in meiner Stammbar aufgefallen. Und der kleinere der beiden ist niemand geringeres, als der blonde, unschuldige Kerl, mit dem ich ein paar spannende Minuten auf der Herrentoilette geteilt habe. Bei dem Gedanken an vergangenen Samstag muss ich ein wenig schmunzeln, doch je länger ich darüber nachdenke, was dieses erneute Treffen zu bedeuten hat, desto mehr vergeht mir dieses wieder.

Er kennt spätestens seit diesem Moment meinen Namen und weiß also ganz genau, wem er da einen geblasen hat. Es ist das erste Mal, dass einer meiner One Night Stands meinen Namen kennt - wobei ich diese Begegnung gar nicht so nennen würde. Dennoch weiß er jetzt wer ich bin und dass ich dem männlichen Geschlecht nicht unbedingt abgeneigt bin. Und so hat er automatisch etwas gegen mich in der Hand. Das stellt ein Problem dar. Ob ihm bewusst ist, welche Macht sein Wissen hat?

Jedenfalls scheint ihm diese Begegnung ebenfalls unangenehm zu sein, denn ich kann aus der Ferne erkennen, wie er sich ganz ofensichtlich versucht, hinter seinem Bildschirm zu verstecken. Ob er darauf spekuliert, unerkannt zu bleiben? Spätestens beim Überprüfen der Anwesenheit wird er seine Anonymität wohl oder übel aufgeben müssen.
Apropos. Ich drehe mich zu der großen Uhr, den an der Wand zu meiner Rechten hängt und sehe, dass es Zeit ist, die Vorlesung zu starten. Also erhebe ich mich von meinem Stuhl und bitte die Studenten um ihre Aufmerksamkeit, wodurch es augenblicklich Still wird im Raum.

„Hallo zusammen, ich freue mich, dass so viele von euch ihren Weg in mein Seminar gefunden haben. Ich heiße Aris Hemford und bin dieses Semester in diesem Kurs der Dozent. Bevor ich euch mehr zu meiner Person und den Inhalten des Kurses sage, möchte ich gerne die Anwesenheit überprüfen."
Ich nehme die Namensliste, die ich bereits bereitgelegt hatte, in die Hand und beginne, die Namen aufzurufen. Dann wollen wir doch mal sehen, wie du heißt, blonder Fremder.

...
„Milam Kensington" endlich regt sich der Kleinere und hebt zögerlich seine Hand und erwidert ein kleinlautes „h-hier". Nachdem ich die restlichen Namen überprüft habe weiß ich auch, dass sein Kumpel, der auch schon in der Bar dabei war Alex Smith heißt. Ich fahre mit der Organisation des Seminars fort. Im Seminar werden die Teilnehmer in 4er-Gruppen eigenständig ein fiktives Start-up gründen und von Woche zu Woche an ihrem Konzept sowie eines Businessplans arbeiten. Einer der Teilnehmer in jeder Gruppe wird zum Gruppenleiter ernannt, welcher mir jeweils an Ansprechpartner dient.

Am Ende des Seminars bitte ich die Leiter der eben gebildeten Gruppen zu mir nach vorne, während ich den Rest der Teilnehmer für heute entlasse. Zu meiner Überraschung bleibt auch der Blondschopf zurück, was sich durchaus anbietet. Ich hatte mir ohnehin vorgenommen, ihn mir nochmal zur Seite zu nehmen. Aus diesem Grund spreche ich auch zuerst mit den anderen Gruppenleitern nacheinander und hebe mir Milam für den Schluss auf.

Geduldig wartet er, bis nur noch er und ich im Raum sind.
„Also dann Milam Kensington, dann kommen wir mal zu dir." beginne ich während ich zur Tür gehe, um diese zu schließen. Ich will nicht riskieren, dass irgendwas von dem, was ich ihm sage, andere Ohren mitbekommen.

Crossing Paths - ManxManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt