POV Milam
Er scheint eingeschlafen zu sein.
Ich liege in den Armen des Mannes, den ich vergessen wollte.
Ich liege im Bett von Aris, in dessen Schlafzimmer ich nie wieder landen wollte.Ich hätte damit rechnen müssen. Ich hätte damit rechnen müssen, dass ich, wenn ich herkomme so enden werde. Ich bin schwach.
Ich habe nicht nachgedacht, als ich die Wohnung verlassen habe und zu ihm gegangen bin - meine Füße haben mich ganz von alleine dort hin getragen. Plötzlich stand ich vor Aris' Wohnung und die Klingel war auch schon gedrückt.
Für wenige Augenblicke habe ich gehofft, er ist einfach nicht hier. Wobei ich ganz tief in mir kaum erwarten konnte ihn zu sehen.Bevor sich unsere Lippen das erste Mal berührt haben wusste ich, es ist ein Fehler. Aber ich hatte keine Absichten, diesen Fehler zu verhindern. In diesem Moment war es der beste Fehler den ich je begangen habe. Die Anziehung war unerträglich, jede Faser meines Körpers wollte nur ihn. Als hätte er plötzlich all das bekommen, wonach er sich über ein halbes Jahr gesehnt hat. Alles mit Nate war gut, aber das hier ist besser.
Als wir miteinander geschlafen haben und ich Aris in die Augen gesehen habe wusste ich es: Ich liebe ihn. Ich habe ihn die ganzen Monate geliebt.
Tränen laufen über meine Wangen und ich drücke mich noch näher an den schlafenden Mann neben mir. Seine tiefen, regelmäßigen Atemzüge beruhigen mich, halten mich aber nicht davon ab, zu weinen. Ich weine, weil ich glücklich bin. Ich weine, weil ich traurig bin. Und ich weine, weil ich Nate betrogen habe.Oh Nate. Du warst wohl immer zu gut für mich. Ich habe den Mann, der mich über alles liebt betrogen und fühle mich schuldig. Gleichzeitig bin ich gerade glücklicher als das vergangene halbe Jahr. Ich bin überfordert mit allem, was ich gerade gleichzeitig empfinde. Wie wird es weitergehen? Ich muss mich von Nate trennen, oder? Egoistisch wie ich bin habe ich Angst davor, ihn zu verlassen weil ich Angst habe, Aris lässt mich wieder fallen. Ich wiederhole: Ich bin ein riesen Arschloch.
Ich schluchze leise auf, versuche sämtliche Geräusche zu unterdrücken, was mir aber zugegeben nur mäßig gelingt. Aris brummt. Ich habe ihn scheinbar geweckt, denn trotz der Dunkelheit erkenne ich seine geöffneten Augen, die mich verschlafen ansehen. Er versteht sofort, was gerade vor sich geht und zieht mich nur noch mehr an sich, weshalb bei mir nun alle Dämme brechen. Ich weine an seiner Brust, schluchze und zittere. Es ist zu viel. All das ist zu viel für mich.
„Ssssshh, beruhig ich. Alles wird gut okay?" er streichelt meinen Rücken auf und ab und hält mich fest. Obwohl er in mir so viel Unsicherheit weckt fühle ich mich gerade so sicher, als wäre ich in einer Festung.
„Es tut mir leid" murmle ich, als ich mich wieder beruhigt habe. „Ich geh mal kurz ins Bad". Ich stehe auf und tapse durch den dunklen Raum ins angrenzende Bad. Ich spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht in der Hoffnung ich könnte dann klarer denken. So viele Fragen in meinem Kopf und so wenige Antworten darauf. Ich fühle mich, als würde ich gerade gar nichts wissen. Ich habe mit Aris geschlafen und es war wundervoll. Wir waren uns so nah, dass ich förmlich die Gefühle zwischen uns greifen konnte.
Oder waren es nur meine Gefühle?
Ich habe Nate betrogen. Betrachte ich es ganz objektiv bin ich wirklich das Letzte: Ich geh mit meinem Freund auf ein Date, lass mich zum Essen und ins Kino einladen, schicke ihn dann nach Hause um mich zu betrinken und zwei Stunden später bei dem Mann aufzuschlagen, der mein Herz in tausend Teile zerfetzt hat. Und ich schlafe mit ihm, völlig außer Acht gelassen, dass Nate mich liebt und ich ihn gerade betrüge.
Ich gehe wieder ins Schlafzimmer, noch immer nackt, was mir jetzt zugegeben etwas unangenehm ist. Ich hebe mein Shirt und meine Boxershort vom Boden auf, ziehe beides an und setze mich wieder aufs Bett, wo Aris mittlerweile am Kopfteil lehnt und so gar nicht mehr verschlafen wirkt. Sein Körper ist nur von der Bettdecke eingehüllt.
Ich fische nach meinem Handy in meiner Jeans und ziehe es heraus. Wir haben 04:30 Uhr. Ein Blick auf meine Nachrichten verrät mir, das mein Freund mir geschrieben habe, als ich hier war.
Nate: Danke für den schönen Tage Babe. Ich liebe dich unglaublich und hätte dich gerne heute Nacht in meinem Bett gehabt :-* Lass uns das bald nachholen. <3
Wieder spüre ich, wie sich Tränen in meinen Augen sammeln. Er ist zuhaue, schläft seelenruhig und denkt, alles wäre okay. Ich habe ihn nicht verdient. Ich bin ein genauso großer Mistkerl wie Aris, wir beide haben uns wirklich verdient. Wir sollten uns gegenseitig ins Unglück stürzen, für den Rest unseres Lebens. Wobei diese Vorstellung durchaus reizvoll ist.
„Ich sollte gehen" sage ich leise. Ich will nicht gehen, aber ich muss. Ich muss das alles in Ordnung bringen und mir klar werden, was ich will. War das heute Nacht ein Fehler? Oder der Beginn von etwas wirklich Richtigem? Kann ich Nate verlassen oder werde ich bei ihm bleiben, weil es mit ihm unkompliziert ist und er mir gut tut? Ich weiß es nicht und ich werde nicht schlauer, wenn ich hier in meiner Blase bleibe, in der es den Anschein hat, alles wäre okay.
Also stehe ich auf, Aris folgt mir. Ich ziehe mich komplett an und verlasse das Schlafzimmer. Im Eingangsbereich angekommen ziehe ich meine Schuhe an, sehe dann zu Aris, welcher mittlerweile wieder seinen Bademantel trägt. Er lehnt im Türrahmen, seine Arme verschränkt vor der Brust. Er sieht gekränkt aus. Er denkt ich bereue es.
„Bereust du es?" bestätigt er mit seiner Frage meine Vermutung. Ich öffne die Türe und trete über die Schwelle, drehe mich aber noch ein letztes Mal zu ihm um.
„Ich bereue wirklich vieles, Aris. Aber das hier bereue ich nicht."
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Crossing Paths - ManxMan
Aktuelle LiteraturZwei Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Der eine ein erfolgreicher Geschäftsmann, der sich mit One-Night-Stands über Wasser hält. Der andere ein Student ohne Dating-Erfahrung. Eigentlich würden sich die Wege der beiden niemals kr...