Kapitel 71

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POV Aris

Ich bin nervös. Ich sitze im Auto auf dem Weg zu Tommy's Haus. Wir essen heute gemeinsam mit seiner Frau und Lydia zu Abend. Das Essen ist dabei nur ein vorgeschobener Grund. Eigentlich wollen wir heute über meine Eltern reden und über die Frage, wie es weiter geht. Ich brauche meine Freunde jetzt mehr, als ich zugeben will.
Warum ich aber eigentlich nervös bin: Milam sitzt auf dem Beifahrersitz - er begleitet mich. Tommy's Frau Ellen hat darauf bestanden, dass ich den Kleinen heute mitbringe. Nachdem Tommy von ihm mittlerweile sowieso weiß und er es wohl Ellen erzählt hat hat sie gedrängt, dass er mich begleitet. Sie wolle wissen, wer der wundersame Typ ist, der mich dazu bringt, mein Leben endlich zu hinterfragen.

Wir fahren die Einfahrt vor dem Haus hoch und ich parke den Wagen.
„Bist du bereit?" frage ich und sehe Milam an. Er wirkt ebenso nervös wie ich - heute wird er zum ersten Mal jemanden aus meinem Leben kennenlernen. Er nickt zuversichtlich und schnallt sich ab.

Lydia ist bereits da, weshalb uns die drei gemeinsam an der Tür empfangen. Alle reagieren positiv auf Milam, begrüßen ihn in unseren Reihen. Ellen ist mittlerweile im Endspurt ihrer Schwangerschaft, weshalb sie und Lydia gemeinsam kochen, damit sich Tommy's Frau nicht zu sehr verausgabt. Wir anderen drei sitzen währenddessen bereits am aufwendig eingedeckten Tisch und warte , während wir uns das erste Glas Wein genehmigen.

Kurze Zeit später sitzen wir alle zusammen beim Essen. Ellen ist eine begabte Köchin, weshalb alles wie immer wunderbar schmeckt. Im Augenwinkel sehe ich, wie Milam und Lydia sich angeregt über die Uni unterhalten. Lydia ist nämlich auch ein paar Jahre jünger als ich, weshalb die beiden vom Alter her am nächsten zueinander sind. Ein Blick nach unten verrät mir, dass Milam dennoch extrem angespannt ist, seine Hände bohren sich förmlich in seine Oberschenkel. Ich platziere meine Hand auf einer seiner und streichle sanft darüber. Der Blondschopf zuckt zusammen, fokussiert sich aber weiter auf das Gespräch, um schließt meine Hand aber währenddessen.

„Also, was willst du jetzt tun?" beginnt Ellen, als wir gerade dabei sind den Nachtisch zu essen. Alle Blicke sind auf mich gerichtet.
„Wow, ist das hier ein Verhör? Starrt mich bitte nicht so an" bitte ich, woraufhin Tommy in Gelächter ausbricht. „Man, entspann dich. Wir sind auf deiner Seite. Außerdem färbt deine Anspannung auf den süßen Typen neben dir ab. Der arme atmet kaum noch!" spaßt mein bester Freund, weshalb ich erschrocken rüber sehe zu Milam, der jedoch relativ entspannt aussieht.

„Idiot" sage ich, als ich begriffen habe, dass er mich nur aufziehen wollte. „Aber mal ernsthaft. Seid ihr beiden jetzt zusammen?" hakt Lydia mit hochgezogener Augenbraue nach. Tatsächlich haben wir das zwischen uns noch nicht definiert, obwohl es wohl langsam an der Zeit wäre. Ich umschließe Milam's Hand fester und sehe ihn kurz fragend an. Er zuckt mit den Schultern, lässt mich aber nicht aus den Augen. „Oh Gott ich bitte dich. Alle wissen, was das zwischen euch ist außer du selbst Aris" redet sie weiter und wechselt das Thema.
Alle wissen es außer ich?

Wir diskutieren über meine Eltern und über die Optionen, die ich habe. In diesem Zuge sprechen wir auch nochmal über meinen Vorschlag, dass Tommy meine Position übernimmt, wovon Ellen mehr als begeistert ist. Tommy stimmt zu. Ich habe für mich also schon einmal den ersten Entschluss gefasst: Ich werde die Firma meiner Eltern verlassen.

Lydia eröffnet uns außerdem, dass sie vor hat einen neuen Job anzunehmen - im Ausland. Sie wollte also ohnehin mit mir sprechen, wie lange unser Arrangement noch laufen soll. Sie war bereits seit das Thema Hochzeit das erste Mal aufkam dafür, dass ich es möglichst bald beende - ihr wurde die Situation wohl auch allmählich zu brenzlich. Auch Milam scheint erleichtert zu sein, dass er künftig nicht länger in Konkurrenz zu einer Fake-Freundin steht. Ich bin mir dennoch nicht sicher, ob ich meinen Eltern gegenüber zugeben kann, dass Milam und ich eventuell ein Paar sind. Sie würden es eh nicht akzeptieren.

Je länger wir über das Thema reden, umso klarer wird mir, dass ich die Beziehung zu meiner Familie hinterfragen muss. Meine Eltern waren nie mehr als meine Erzeuger. Kindermädchen haben mich großgezogen. Sie haben mir immer all das aufgezwungen, was sie wollten. Es ist keine positive Beziehung. Wenn ich für mich entscheiden werde, das Glück zu wählen, dann werde ich die Bande zu meinen Eltern trennen müssen. Mein Herz wird schwer bei dem Gedanken. Ich weiß nicht, ob ich dazu bereit bin.

„Aris, hilfst du uns eben?" bittet mich Ellen, als sie uns Lydia dabei sind abzuräumen. Ich nicke und erhebe mich von meinem Platz, sehe auf Milam herunter, der mich anlächelt. „Lass dich nicht von Tommy einwickeln, er ist ein Arschloch" witzel ich. „Halt die Klappe" kommt es vom anderen Tischende und ein Mittelfinger wird mir entgegengestreckt. „Ich wollte deinem FREUND sowieso mal mein Männerzimmer zeigen. Komm Milam, ich zeig dir was cooles" Das Freund hat er extra betont - Idiot.

Ich sehe den beiden Hinterher, wie sie den Raum verlassen und im Gang verschwinden. „Kommst du endlich?" ruft Lydia gespielt genervt, also gehe ich zu ihnen in die Küche und helfe beim Aufräumen und Abspülen.

„Du magst ihn sehr oder?" Fängt Ellen an, als wir zu zweit am Spülbecken stehen. „Mhmmm, schon" gebe ich kleinlaut zu. Sie lehnt den Kopf an meine Schulter. „Weißt du, ich kenne dich schon so lange Aris. Du traust dich nicht, glücklich zu sein. Aber du hast es verdient. Und dieser süße Kerl scheint dir gut zu tun. Also erlaube dir ein bisschen Liebe und Glück." Ihre Worte lösen ein warmes Gefühl in mir aus, ich frag mich manchmal wie ein Holzkopf wie Tommy eine so tolle Frau ergattert hat.

„Hallo schließt mich hier mal nicht aus ihr beiden!" Mault Lydia und steckt ihren Kopf zwischen unseren hindurch und legt ihre Arme um uns. „Ich bin ja schon beleidigt, dass du deine Affäre, mit der du mich betrügst zum Dinner mitbringst. Mein Herz ist auf ewig gebrochen" scherzt Lydia, wofür sie eine Kopfnuss kassiert. „Du hast mich einfach so wenig angemacht, dass ich schwul geworden bin" kontere ich, wofür ich einen Ellbogen in die Rippen kassiere und schallendes Gelächter ernte.

„Ihr beide - bitte hör auf! Wegen euch gehen am Ende noch die Wehen los" prustet Ellen lachend und hält sich den Bauch.

Und heute ist einer der Abende, die mir zeigen, dass es Verbindungen geben, die viel mehr sind als die Beziehung zu meinen Eltern. Eigentlich sind die Menschen hier meine echte Familie.

Eine Familie, die mir den Rücken stärkt.

Crossing Paths - ManxManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt