POV Milam
„Das kann nicht dein ernst sein" beginnt seine Mutter, nachdem Aris fertig ist. „Das kannst du uns nicht antun. Wir haben alles für dich getan. Womit haben wir das verdient? wir - ..." „Ihr habt alles getan? Was habt ihr jemals getan, außer mich mit Geld zu überschütten? Habt ihr mich großgezogen? Wart ihr für mich da? Habt ihr jemals gefragt, was ich mir für mein Leben wünsche? Ich erzähle euch von meinen Wünschen und, dass ich eine Entscheidung getroffen habe. Ich erzähle euch, dass ich jemanden Liebe und alles, an das ihr denkt ist die Tatsache, was ICH EUCH ANTUE? Geht's noch?"
Hat er gerade Liebe gesagt?
Mittlerweile schreit Aris. Er schreit seinen Eltern all das entgegen, was er sich hat gefallen lassen. Er ist stark.
Ich respektiere ihn.
Ich liebe ihn. Verdammt, ich liebe diesen Kerl.Seine Mutter weint.
Sein Vater ist wütend.
Ich stehe immer noch im Hintergrund und beobachte die Szene, wie ein Zuschauer im Fußballstadion und denke über das Wort LIEBE nach. Eigentlich denke ich darüber nach, dass er gesagt hat dass er jemanden liebt. Ich weiß, dass das gerade unpassend ist und nichts zur Sache tut. Trotzdem hilft es mir diese unangenehme Situation ein wenig ausblenden zu können. Ich kann ohnehin nichts beitragen.„Wenn du diesen Weg gehst gibt es kein Zurück." sagt sein Vater ruhig. Er wirkt gefasst - ich erkenne seine Schutzmauern, die gar nicht so anders sind als die von Aris. Sicher ist er wütend und enttäuscht, weil er Aris nicht verstehen kann. Keines dieser Gefühle ist gerade in seinem Gesicht abzulesen.
„Ich weiß" bestätigt Aris.
„Du wirst aus der Wohnung ausziehen. Du wirst das Auto abgeben. Und wir werden nicht länger Geld auf dein Konto überweisen. Das war's mein Lieber." spricht er weiter, während der seinen Mantel vom Sofa nimmt und seiner Frau eine Hand in den Rücken legt um ihr verstehen zu geben, dass die Unterhaltung beendet ist.Ohne ein weiteres Wort gehen sie an uns vorbei. Ich weiche zur Seite, um die Tür nicht zu blockieren, neben der ich noch immer stehe. Seine Mutter wirft mir einen abwertenden Blick zu.
„Eins noch. Wenn du es dir je anders überlegen solltest. Du weißt, wo wir sind. Ich hoffe diese ... Phase ist nicht von allzu langer Dauer Aris. Denk an deine Familie" sagt sein Vater, als er durch die Tür geht. Aris sagt nichts.
Er steht wie angewurzelt da und starrt durch den Raum.Die Tür fällt ins Schloss. Aris fällt keine Sekunde später auf seine Knie. Endlich löse auch ich mich aus meiner Starre und eile zu ihm, knie mich vor ihn. Er hat sich auf einen Unterarmen abgestützt. Er zittert wieder. Sein Körper bebt regelrecht. Ich lege meine Hand auf seinen Rücken, fahre diesen langsam entlang und warte, bis er sich beruhigt hat. Ein Schluchzen. Er weint.
Der letzte Mann, von dem ich es erwartet hätte, weint. Er hat gerade seiner Familie den Rücken zugekehrt. Sicher ist sein Herz gebrochen. Ich kann nichts tun, außer hier zu sein und zu warten, bis er soweit ist mir mir zu reden.Es vergehen Minuten, vielleicht sogar eine halbe Stunde. Das Schluchzen ist verstummt und ich ringe mich doch dazu durch etwas zu sagen.
„Soll ich dir ein wenig Raum geben? Du kannst mich anrufen, wenn du - ..." Er packt mich am Handgelenk, richtet sich auf und drückt mich an sich. Er zieht mich auf seinen Schoß und umschließt mich mit seinen Armen und ich tue es ihm gleich. Er muss nichts weiter sagen, das war eine blöde Idee von mir. Ich wollte ihn nur nicht auch noch belasten.„Es ist vorbei" flüstert er, nachdem es wieder einige Zeit ruhig war. Sein Kopf ist gegen meine Brust gelehnt und ich spüre die Vibration seiner rauen Stimme in meinem Körper widerhallen. „Danke, dass du geblieben bist" Ich streiche ihn durch sein dichtes Haar, antworte aber nichts.
Irgendwann - endlich - erwacht Aris wieder zum Leben. Zwar sagt er nichts weiter, aber immerhin stehen wir auf. Er schenkt uns was zu trinken ein in der Küche und geht dann zum Fenster im Wohnzimmer. Ich habe noch nie wahrgenommen, dass hier ein Balkon ist. Erst als er die Schiebetür, die ich für ein Fenster gehalten habe, öffnet und hindurch geht fällt der Groschen. Wortlos folge ich ihm und spüre die frische Brise, die hier draußen herrscht. Wir sind einige Stockwerke weit oben, daher ist es hier doch ein wenig windig. Aris geht zum Geländer und stützt sich mit den Armen ab, richtet seinen Blick auf die Lichter der Stadt, die in der Dunkelheit funkeln.
„Komm her" sagt er leise. Ich folge seiner Anweisung und stelle mich neben ihn, er geht einen Schritt zur Seite sodass er hinter mir steht, seine Arme links und rechts von meinem Körper auf das Geländer gestützt. Ich spüre seinen Oberkörper gegen meinen Rücken lehnen und empfinde sofort ein Gefühl der Geborgenheit.
„Ich bin stolz auf dich" flüstere ich. Aris legt sein Kinn auf meinem Kopf ab und atmet tief. „Danke, dass du geblieben bist" wiederholt er seine Worte von vorhin. „Wenn du nicht hier gewesen wärst, hätte ich es nicht geschafft. Ich hab mich endlich losgesprochen. Es tut mehr weh, als erwartet aber ich schaff das schon." spricht er weiter. „Niemandem würde es leicht fallen, seine Familie zu verlassen. Du bist so stark und ich bewundere dich dafür" entgegne ich. Ich drehe mich in seinen Armen um, lehne mich gegen das Geländer und umarme ihn. Ich rieche seinen mittlerweile so vertrauen Duft, spüre die Wärme seines Körpers.
„Ich muss mir eine Wohnung suchen" sagt er einige Zeit später. „Und ich brauch ein Auto" fährt er fort. „Schaffst du das finanziell?" „Mach dir keine Sorgen. Ich habe zwar auf großem Fuß gelebt, aber immer darauf geachtet zu sparen. Außerdem werde ich Vollzeit an der Uni arbeiten, das wird schon." versichert er mir.
„Aber ich glaube, wenn ich die Miete nicht ganz alleine zahlen muss wäre das schon eine Erleichterung." „Du und eine WG? Komm schon Aris, das ist nicht dein Ding" necke ich ihn. Ich stelle mir vor wie er in einem Studentenwohnheim eine WG gründet mit einem 18-jährigen Erstsemester gründet und muss automatisch schmunzeln. Nein, das passt wirklich ganz und gar nicht zu Aris.
„Ich rede nicht von einer WG" widerspricht er mir. „Was dann?" „Ich dachte, vielleicht willst du mir ja mit der Miete helfen? Deine WG ist nicht schlecht, aber langfristig ist ein Zimmer doch viel zu wenig für dich" sagt der Größere. Ich lehne mich nach hinten um ihn mustern zu können. Ich versuche an seinem Blick abzulesen, ob er seine Worte ernst meint oder ob er mich gerade nur auf den Arm nimmt. Sein Blick jedoch ist gewohnt undurchsichtig.
„Ist das dein Ernst?" „Wenn du nicht willst, versteh ich das. Außerdem wäre dann Alex allein" „Alex wird mich hassen. Aber das hält nicht länger als 2 Tage, das Risiko kann ich eingehen". Endlich eine Reaktion in seinem Gesicht. Seine Augen weiten sich kaum merklich und seine eine Augenbraue ist hochgezogen. Er ist sich wohl jetzt nicht sicher, ob ich es ernst meine.
Jetzt sitze ich endlich mal am längeren Hebel.
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Crossing Paths - ManxMan
General FictionZwei Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Der eine ein erfolgreicher Geschäftsmann, der sich mit One-Night-Stands über Wasser hält. Der andere ein Student ohne Dating-Erfahrung. Eigentlich würden sich die Wege der beiden niemals kr...