„Ah ja, genau so. Mhm. Noch ein bisschen fester ... Aua, zu fest." Stöhnend liege ich auf dem Bett meiner besten Freundin. Ebendiese sitzt auf meinem Rücken und massiert meinen strapazierten Rücken. Chris hat mich gestern hart rangekommen, leider nur im Ballettstudio.
Die letzen Wochen haben mir gezeigt, dass Regel Nummer sechs ihre Daseinsberechtigung hat. Sex unter Mitbewohner macht einfach alles scheiße kompliziert. Dabei hatten Chris und ich nicht mal welchen. Nicht auszudenken, wie wir uns verhalten würden, wenn er etwas in mich rein gesteckt hätte. Aber mich nerven schon alleine unsere oberflächlichen Gespräche. Würde mich nicht wundern, wenn wir uns bald über das Wetter unterhalten.
Kate und Luke sind allerdings so verknallt, dass sie nichts mitbekommen. Ich verstehe nicht, wie sie so glücklich sein können. Vielleicht haben sie Regel Nummer sechs auch einfach noch nicht gebrochen. Vielleicht sollte ich sie besser warnen.
Allerdings denken sie immer noch, wir würden nicht merken was abgeht. Dabei schweben sie sowas von auf Wolke sieben.
Und ich? Ich habe kurz nach dem Gespräch mit Chris eine Bruchlandung auf Wolke null hingelegt. Leider ist dabei einiges kaputt gegangen.
Zwei Mal waren wir seit dem nochmal mit unseren Turteltauben im Schlepptau aus, aber jedes Mal bin ich nüchtern geblieben. Lust zu tanzen hatte ich auch keine und so hatte ich mich den ganzen Abend an meinem alkoholfreien Cocktail festgehalten.
Chris war auf der Tanzfläche oder am Nachbartisch und hat nichts anbrennen lassen. Er hat geflirtet und rumgeknutscht und ich habe zugeschaut. Anschließend habe ich eine Runde auf dem Männerklo geheult und, zu guter Letzt, Gott gedankt, dass er doch mit mir heimgekommen ist und nicht die Nacht woanders verbracht hat.
„Ich weiß, was passieren wird", spreche ich in das Kissen unter meinem Kopf, während Ashley weiter meine Schultern bearbeitet. „Wir werden irgendwann heiraten, obwohl wir für jemand anderen bestimmt sind." Lachend wirft sich die Rothaarige auf die Matratze neben mich.
„Okay, wenn wir mit 30 noch alleine sind, machen wir das. Aber meine Brüste behalte ich." Ich werfe einen Blick auf ihr Dekolleté und ziehe den Ausschnitt nach unten für eine bessere Sicht. „Mhm, dann aber nur Sex von hinten." Schon wird alles schwarz und sie versucht mich mit einem Kissen zu ersticken.
„Wenn du nicht ständig an Sex denken würdest, wärst du jetzt nicht in dem Schlamassel. Sich mit seinem One-Night-Stand das Zimmer zu teilen, ist echt übel", sagt sie lachend. „Danke, erinnere mich dran. Ich habe gerade mal zehn Minuten nicht an ihn gedacht." „Erzähl mir nochmal, wie er Julien angeschnauzt hat."
Ich setze mich auf und stütze meine Hände auf der Matratze ab und dann erzähle ich ihr zum hundertsten Mal von der Tanzstunde nach meinem Ausraster. Chris hatte mir eine fünfminütigen Moralpredigt gehalten. Natürlich vor allen, damit er sein Gesicht wahren konnte und ich habe betreten zu Boden geblickt, um nicht lachen zu müssen.
Julien hatte dies allerdings auch ziemlich amüsiert und er konnte mit seiner Freude noch weniger hinter dem Berg halten als ich, was Chris dann wirklich wütend gemacht hatte. „Findest du das etwa witzig? Hältst du mich für eine Witzfigur?", hatte er ihn angeschrien und war bedrohlich auf ihn zugekommen, sodass Julien ein paar Schritte zurück gestolpert war. Seinen entsetzten Gesichtsausdruck werde ich eine ganze Weile nicht vergessen. Leider kann auch diese Genugtuung nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich mich stetig im Sinkflug befinde.
Inzwischen bin ich wieder öfters bei Ashley, um Chris und mir etwas Freiraum zu geben. Damit meine Wunden etwas besser heilen und ich mich schneller entlieben kann. Aber dann steht er, wie heute vor dem großen Spiegel im Ballettsaal, demonstriert ein paar Tanzschritte und Bewegungsabläufe und alles, an was ich denken kann, ist, wie geschmeidig er sich an mir gerieben hat und wie sehr ich diesen Tanz hasse.
Aber Chris ist der perfekte Vertreter, ich würde ihm alles abkaufen, auch diesen doofen Tanz, der bei ihm einfach nur sexy aussieht. Ich habe die Tanzschritte inzwischen verinnerlicht. Man kann mich nachts wecken und ich könnte es tanzen, aber es steckt kein Herzblut dahinter und das sieht man, selbst ich.
„Nicolai, bleibst du bitte noch kurz", sagt Chris nach unserer Stunde, während der Großteil unsere Gruppe schon den Saal verlassen hat. „Julien, du kannst gehen. Gute Leistung", ruft er noch in dessen Richtung, weil auch dieser sich nur langsam zum Ausgang bewegt hatte. Sicher wollte er wissen, ob ich einen erneuten Anschiss kassiere.
„Ich habe dich beobachtet."
Wow, ich fühle mich geschmeichelt. Leider völlig umsonst.
„Du machst deine Bewegungen immer noch zu flüssig. Ich zeige dir, was ich meine." Dann tanzt er kurz den Part, den er meint, vor. „Du trägst Turnschuhe. Vielleicht liegt es daran." „Nicolai, was ist das für eine Ausrede? Das hast du gar nicht nötig."
Er zieht die Schuhe aus und trägt jetzt nur noch seine dunkelrote Jogginghose und das schwarze Muskelshirt. Natürlich sitzt auch ohne Schuhe jeder Schritt. „Vielleicht liegt es an der Hose." Ein Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Netter Versuch. Streckt die Arme aus."
Ich strecke die Arme zur Seite. Dann geht Chris um mich rum und fährt mit seinen Händen meinen Arm entlang, bis er bei meinen Handrücken angekommen ist und seine Finger sich mit meinen verschränkt. „Wir machen das jetzt einmal zusammen", haucht er gegen meinen Nacken und ich kann es nicht verhindern, dass sich alle Nackenhärchen aufstellen. Unsere Blicke treffen sich im Spiegel.
„Das ist nichts Sexuelles." Scheiße und warum berühren seine Lippen dann fast meinen Hals? „Warum sollte ich das denken?" Er grinst, schaut dann zwischen unseren Körpern hinab. „Auf drei."
Ich bin seine Marionette, im wahrsten Sinne des Wortes. Langsam legt er seinen Oberkörper auf meinen, als wir uns zusammen vornüberbeugen. Jede Armbewegung, die er ausführt, mache ich auch. Als ich schließlich etwas Hartes spüre, was gegen meinen Hintern drückt, schalte ich den Kopf einfach aus, vergesse, dass wir im Ballettstudio sind und nicht in einer Diskothek.
„Das war super. Hast du die Veränderung gemerkt?", fragt Chris freudestrahlend und ich drehe mich zu ihm um und gucke auf seine Hose. Aber die sitzt so locker, dass sie nicht verrät, was sich darunter verbringt.
„Erde an Nicolai. Die Veränderung hat hier oben stattgefunden. Nicht in meiner Hose", sagt er und tippt gegen meinen Kopf.
„Jetzt du alleine." Wahrscheinlich war es sein Hüftknochen, der sich in meinen Rücken gebohrt hat, was nur zeigt, wie erbärmlich ich bin. Chris schaltet die Musikanlage ein und zählt runter. Ich tanze die ganze Passage von zuvor erneut und ...versage.
Chris schaltet die Musik wieder aus, während ich meine Unterlippe mit den Zähnen malträtiere. Er wirkt genau so frustriert wie ich. Wahrscheinlich hat er soeben erkannt, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin. „Darf ich gehen?" „Du bist entlassen."
Schnell schnappe ich mir mein Handtuch und flüchte in die Umkleide, in der ich eine böse Überraschung erlebe.
DU LIEST GERADE
Baumkronenschüchternheit
RomanceAchtung! Diese Geschichte wird überarbeitet! „Ich will dir nicht wehtun", flüstert er. „Ich weiß doch längst, dass du es tun wirst. Ich habe mich schon darauf vorbereitet. Also warum vorher nicht ein bisschen glücklich sein?" Der 17-jährige Nicolai...