Regel Nummer drei

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Mit den verstörenden Bildern von Chris im Kopf renne ich fast Kate über den Haufen, die mir in der Diele entgegen kommt. „Du Nicolai, ich bin heute Abend verabredet, aber vielleicht können wir alles Weitere dann morgen bei einem gemeinsamen Frühstück besprechen. Könntet ihr vielleicht noch Milch besorgen, sonst ist alles noch da." „Ja klar, machen wir. Viel Spaß", sage ich noch, dann ist sie auch schon zur Tür raus.

In meinem Zimmer lasse ich mich auf meine Matratze fallen und werfe einen Blick auf mein Handy. Keine Nachricht von meinen Eltern oder Toni. Wahrscheinlich warten sie gerade auf den Check-in. Ihnen jetzt zu schreiben täte viel zu weh. Denn mit jeder Stunde, die vergehen wird, wird sich der Abstand zwischen uns vergrößern.

„Ich bin wirklich allein", spreche ich laut vor mich hin. „Nein, du hast ja noch mich", sagt Chris, der nun zur Tür reinkommt. Ich rolle mit den Augen und durchforste dann die Kleinanzeige im Internet, auf der Suche nach einem Bett. Tatsächlich finde ich eins nur zwei Haltestellen entfernt, welches ich am nächsten Tag abholen kann.

„Kate hat uns gebeten, noch Milch kaufen zu gehen", spreche ich nun Chris an. Seine Taschen hat er noch nicht angerührt, aber liegt mit einem zerfledderten Buch auf dem Bett und liest. „Die kannst du ruhig besorgen. Das macht mir nichts", sagte er. Wow, wie großzügig von ihm. Wahrscheinlich wird er sich bei den Putzdiensten auch so großzügig zeigen. Aber das ist mir im Moment auch recht. Ich muss mir sowieso noch was zu essen besorgen.

Eine halbe Stunde später gehe ich mit drei Litern Milch und einem Sandwich in der Hand wieder Richtung Wohnung. Das überwältigende Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit will sich einfach nicht einstellen. Ich sehe nur, was ich verloren habe und wünsche mir nichts sehnlicher, als das Familienessen vom Vorabend zurück.

Ich stelle die Milch in den Kühlschrank und gehe dann auf mein Zimmer. Chris, wie könnte es anders sein, liegt immer noch auf dem Bett. Er scheint daran festgewachsen zu sein.

„Hast du schon das Geld für die Miete überwiesen?", frage ich ihn. „Nein, wollte ich bar zahlen." „Super, meine Eltern haben 'nen Dauerauftrag eingerichtet, also würde ich vorschlagen, du gibst mir einfach deinen Anteil."

Weil er nicht reagiert, strecke ich die Hand aus und er quält sich aus dem Bett, wühlt in mehreren Taschen und kratzt mit Mühe und Not 200 Dollar zusammen. Ich fürchte das Schlimmste.

„Willst wohl nicht, dass Mummy und Daddy das erfahren, oder?" Ich nehme die Scheine, stopfe sie in meine Hosentasche und lasse seinen Spruch unkommentiert.

„Warum sollen sie es nicht wissen? Damit du dir was Schönes von dem Geld kaufen kannst? Oder dürfen sie nicht wissen, dass ein Fremder mit ihrem kleinen Jungen in einem Zimmer schläft?"

Er fährt mit dem Daumen über meine Wange und ich kann seinen Blick kaum ertragen. Mein scheiß Herz hämmert so schnell gegen meine Brust und verzehrt sich nach dieser kleinen Berührung.

Sein Lachen reißt mich schließlich aus meiner Starre und ich schlage seinen Arm zur Seite. „Leck mich doch." Ich kann gar nicht so schnell reagieren, wie er meinen Arm gepackt hat und mich aus seinen rehbraunen Augen anfunkelt.

„Ist es das, was du willst?" Ich reiße mich los, schnappe mir mein Schlafzeug und knalle die Tür, mit einem „Fick dich", hinter mir zu.

In der Diele läuft mir Luke über den Weg. „Regel Nummer drei!" „Was?, frage ich irritiert. Er zeigt auf eine Liste an der Pinnwand. „Du hast gerade Regel Nummer drei gebrochen. Türen leise schließen."

Da er im Bad verschwindet, wo ich auch gerade hinwollte, studiere ich die Liste und bleibe bei Punkt sechs hängen:

Kein Sex unter Mitbewohnern.

Dieser Punkt war wohl zuvor durchgestrichen, aber dann hat jemand mit einem Rotstift wieder darüber geschrieben. Ich bin mit nicht sicher, ob ich wissen will, was das zu bedeuten hat.

Nachdem Luke das Bad verlassen hat, schminke ich mich ab und ziehe mich dann dort um, bevor ich zu unserem Zimmer zurückkehre. Chris hat das Licht schon gelöscht und nur die Nachtischlampe an seinem Bett brennt noch.

Schnell lege ich mich unter meine Decke und ziehe diese dicht an mich. Bevor Chris das Licht löscht steht er nochmal auf und öffnet das Fenster. Er trägt nur Boxershorts und so riskiere ich noch einen Blick, als er zurück zu seinem Bett geht, aber nur einen kurzen, schließlich will ihm nicht in seinen Worten bestätigen.

Sein Oberkörper ist trainiert und seine Brust behaart. Das Tattoo, oberhalb der Brust, welches sich bis zu seinem Hals erstreckt, kann ich nicht richtig sehen.

Dann löscht er das Licht und ich rolle mich auf die Seite. Vielleicht ist das hier doch ganz gut gelaufen. Vielleicht habe ich doch was gewonnen. Mit dem Geld, was ich jeden Monat spare, kann ich das Flugticket für Toni locker bezahlen und muss wahrscheinlich nicht mal einen Nebenjob annehmen.

Doch dann setzt Chris' Schnarchen ein und ich bereue meine Entscheidung, hier geblieben zu sein, zutiefst. Nach einer Stunde halte ich es nicht mehr aus. Laut knalle ich das Fenster zu, aber Chris dreht sich nur auf den Rücken und schläft dann weiter.

„Chris...Chris", sage ich immer wieder, aber er wird einfach nicht wach. Wäre es Toni, hätte ich ihn einfach geschüttelt, aber das traue ich mich nicht. Er liegt total friedlich da, mit geschlossenen Augen, entspannten Gliedern. Ich könnte ihn ewig so angucken, wenn nur nicht diese unsäglichen Geräusche aus seinem Mund kommen würden.

Mein Blick schweift weiter zu dem Tattoo an seinem Hals. Vorsichtig schalte ich die Nachtischlampe an, um ihn besser zu sehen und beuge mich dann über ihn.

Es sieht aus wie eine geschwungene 7, aber das Ende verschwindet unter der Bettdecke. Ich schaue nochmal prüfend zu Chris' geschlossenen Lidern und ziehe die Decke ein Stück zur Seite. Keine 7, es ist ein geschwungenes Z.

Plötzlich werde ich nach unten gezogen und noch bevor mir bewusst ist, dass es Chris' Hand in meinem Nacken ist, haucht er mir ins Ohr. „Bist du fertig mit Gaffen?"

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So und nun die Fragen aller Fragen!

Welcher fiktive Charakter stand optisch Vorbild für Chris?

Bin gespannt wer drauf kommt.

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