Kapitel 5

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Am nächsten Tag fand ich mich am Esstisch neben Alexandra wieder, während David uns Kaffee einschenkte. Er schien freundlich zu sein, jedenfalls freundlicher als sein Bruder. Die heiße Flüssigkeit rann meine Kehle hinunter und wärmte mich von innen. „Was habt ihr denn gestern noch gemacht? Elena sieht völlig fertig aus!" Davids tiefe Stimme riss mich aus meiner Lethargie. Nervös schielte ich zu Alex. Ich hatte ihr das mit Mike nicht erzählt, allerdings konnte sie etwas gemerkt haben, als ich aus dem Zimmer geschlichen war. Doch sie plapperte munter und unbekümmert über den Film. Erleichtert schloss ich die Augen und begann, mein Croissant zu essen. Ab und an tauchte ich es in den Kaffee, während ich so tat, als würde ich Alex gespannt zuhören. David, der gegenüber von mir Platz genommen hatte, sah bereits so aus, als hätte er die Erzählung seiner Schwester ausgeblendet. Vorsichtig warf er mir einen Blick zu und wollte gerade etwas sagen, als Rockerdad, wie ich Eric insgeheim nannte, in die Küche platzte und sich neben seinen ältesten Sohn fallen ließ. Er begann, mit ihm ein Gespräch über Motorrädern zu führen, bedachte dabei aber seine Tochter nicht, die ihn feindselig ansah. Ein normaler Morgen in der Chaosfamilie, wie es schien. Nach ein paar Minuten kam auch Meredith an den Esstisch und wickelte uns in eine heftige Diskussion über Magermodels. Von Mike fehlte weit und breit jegliche Spur, was mich freute. Ich bezweifelte, dass ich ihm noch in die Augen sehen konnte, nicht nachdem er meine Zeichnung gesehen hatte. Bis 11 Uhr blieb es so familiär, dann klingelte mein Handy, was mich dazu verleiten ließ, den Raum zu verlassen. „Schätzchen, kommst du auch mal rüber? Wir wollten ein Eis essen gehen", meldete sich meine Mutter, bevor ich auch nur einatmen konnte. Genau in dem Moment kam Mike die Treppe hinunter geschlendert, wieder einmal oben ohne. Irritiert sah ich auf seinen nackten Oberkörper, bevor ich Mom antwortete. „Kannst du Alex sagen, dass ich von meiner Mutter zu menschlichen Dingen gezwungen werde? Danke", rief ich Mike zu und machte mich gemächlich auf den Weg in meinen Garten, in dem meine Familie schon wartete.

(...)

Genervt zog ich mir meine heißgeliebte Kapuze zum hundertsten Mal wieder auf den Kopf und sah David wütend an. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mir das Boarden beizubringen, konnte aber mit meiner Kopfbedeckung nicht leben. Zugegeben, es regnete nicht gerade, doch es sah so aus, als würde es in ein paar Minuten wie aus Eimern gießen. „Wie oft noch? Ich habe die Kapuze auf dem Kopf, weil ich nichts von sogenannter Kommunikation mit Fremden halte, nicht weil es gleich anfängt zu regnen!", fuhr ich mein Gegenüber an. Doch der seufzte nur und erklärte mir erneut, was ich für einen Ollie machen musste. Dabei interessierte ich mich gar nicht für das Skaten, und noch weniger für David, was der allerdings nicht zu bemerken schien, denn er wuselte ständig um mich herum. Ja, er war nett, eignete sich bestimmt gut als festen Freund, doch er war einfach nicht mein Typ. Dazu war er einfach ZU nett. „Und dann musst du... Hörst du das auch?" Tatsächlich dang ein leises Rauschen an meine Ohren. Verwundert sah ich meinen ‚Lehrer' an. „Das ist... Scheiße!", fluchte ich laut und zog David an der Hand weiter, da es zu regnen begonnen hatte. Dicke Tropfen prasselten uns auf die Köpfe, und bereits nach ein paar Metern waren wir vollkommen durchnässt. Da sich außer uns niemand im Park aufgehalten hatte, fanden wir den nächsten Unterschlupf leer vor. Lachend setzten wir uns auf die Bank, die sich unter dem Holzdach befand, die Boards unter dem Arm. „Das war irgendwie lustig", kicherte ich amüsiert. Endlich wieder Regen. Das rhythmische Prasseln des Wassers beruhigte mich irgendwie. „Möglich", entgegnete David, schmunzelte dabei aber. Eine Weile saßen wir schweigend im Trockenen, jeder hing seinen Gedanken nach. Das war keine peinliche Stille, eher eine Angenehme. Sehr zu meiner Enttäuschung wurde der Regen langsam weniger, und wir beschlossen, uns auf den Weg nach Hause zu machen. Ein leichter Wind kam auf, strich um die Bäume und zerzauste Davids Haar. Kalt., bemerkte mein Unterbewusstsein, und ich fing an zu zittern. Keine zwei Sekunden später spürte ich einen Arm, der sich um meine Schultern legte. Unwillkürlich zuckte ich zusammen, was David allerdings nicht aufzufallen schien. „Ist dir kalt?", fragte er stattdessen. „Es geht." Und jetzt nimm deinen scheiß Arm da weg! Doch er dachte gar nicht daran, sondern zog mich nur noch näher an sich. Angewidert runzelte ich die Stirn. Nimm. Das. Da. Weg.!, brüllte ich in Gedanken. „Es ist ja nicht mehr weit. Hältst du das durch, Elena?" Nein. „Ja, ich denke schon", sagte ich lächelnd. Ein Wenig Fake konnte man sich schließlich auch mal leisten, oder?

Kurz bevor wir ankamen, fing es wieder heftig zu regnen an, und David und ich sahen uns gezwungen, loszurennen. Was David natürlich nicht davon abhielt, mit seinem Arm weiterhin meine Schulter zu vergewaltigen. Unsere Schritte dröhnten im Gleichtakt durch die verlassene Gasse, sein Arm scheuerte unangenehm an meiner Haut. Endlich kamen unsere Häuser zum Vorschein. Auf der überdachten Veranda der Times sah ich Mike, der bei dem Geräusch unserer Füße aufsah. Interessiert musterte er uns, wie wir umschlungen ins Trockene rannten. Als wir nahe genug an ihm dran waren, sah ich ein seltsames Blitzen in seinen Augen. „Ist das glückliche Pärchen wieder zurück?"


Rechtschreibfehler schenk ich euch

LG, Crazyb00ks


BlondinenwitzeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt