Kapitel 10

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Als ich aus der Dusche kam, lag Mike auf seinem Bett und las irgendeine Sportzeitschrift. Das Shirt, das er mir vorerst geliehen hatte, ging über die Hotpants, die ich noch anziehen konnte. Mein Top war nach der Nacht neben Mike eher für die Waschmaschine als für meinen Körper bestimmt. Zugegeben, der Aufdruck war ein wenig komisch, aber ja. „Fuck the System". Passte immerhin zu der dunklen Farbe des Stoffstücks. „Sexy", kommentierte Mike mit einem anzüglichen Grinsen. Ich warf ein Kissen nach ihm, bevor ich es mir am Fußende bequem machte. Da ich mich nicht im Schneidersitz setzen wollte, zog ich meine Beine lediglich an. Und da Alex natürlich noch schlief war ich nun mit dem größten Lackaffen der Welt alleine in einem Zimmer. Und mit Justin Bieber, der übrigens ein Wenig verunstaltet war. Ich könnte natürlich auch zu mir gehen, doch irgendetwas hielt mich zurück. Und so saß ich auf seinem Bett und chattete mit alten Freunden, während mein Nachbar seelenruhig in seinem Hochglanzmagazin blätterte. Auf dem Cover waren ein Motorrad und ein Radfahrer. Also irgendein Sportblatt. Brauchte eh kein Schwein. „Hier, die Werbung. Solltest du dir auch zulegen, wenn du neben mir wohnst", sagte Mike und zeigte auf eine Kondomwerbung. „Ah ja", entgegnete ich sarkastisch. Ernsthaft?! Dieser Kerl schreckte vor nichts zurück. „Wir könnten ja gleich welche ausprobieren", schlug er vor. Nach dieser Aussage überlegte ich erst einmal, ob sich Zehn bis Zwanzig Jahre Gefängnis für einen Mord nicht lohnen würden. „Könnten wir, aber da würden wir in Gefahr laufen, deine bezaubernde Schwester zu wecken", sagte ich letztendlich. „Die wacht nicht so leicht auf." Mikes Magazin landete auf dem Boden, als er näher an mich ran rückte. Unmerklich wich ich zurück, befand mich aber immer noch in seiner Reichweite. Zu sanft für seine Verhältnisse schob er mir eine blonde Haarsträhne hinters Ohr, legte seine Hand dann auf meiner Schulter ab. Mein Atem geriet ein Wenig ins Stocken. Langsam rutschte er noch ein Stück zu mir, sein Gesicht befand sich nun unmittelbar vor meinem. Ich konnte seinen Atem auf meinen Lippen spüren, konnte einzelne braune Sprenkel in seiner Iris ausmachen. Warum waren die mir davor noch nie aufgefallen? Genau genommen hatten sie die Farbe von Karamell. Und sie waren nicht sonderlich zahlreich, jedoch in beiden Augen vorhanden. Mikes Hand ruhte noch immer auf meiner Schulter. Läppische zwei oder drei Zentimeter trennten unsere Lippen noch voneinander, doch ich traute mich nicht, den Abstand zu verringern, aus Angst vor seiner Reaktion. Stattdessen kam er etwas näher. Wie gebannt starrte ich von seinen smaragdgrünen Augen mit den karamellfarbenen Sprenkeln zu seinen sinnlichen Lippen und fragte mich, wie sie sich wohl anfühlen mochten. Waren sie weich der rau? Waren sie sanft und liebevoll oder doch hart und leidenschaftlich? Küsste er gut? Ich wollte eine Antwort auf meine Frag, wollte sie so dringend, dass es mir in den Lippen schmerzte. Doch dann, aus heiterem Himmel, drehte er sich weg. Warum zu Teufel drehte er sich weg? „Interessant, was Nähe bei Mädchen bewirkt", murmelte er leise, bevor er sich endgültig von mir entfernte. Auf einem Schlag wurde mir eiskalt, nicht nur äußerlich. Ich hatte das Gefühl, das hunderte kleine Nadeln von Innen gegen mein Herz trommeln würden. Das Atmen fiel mir zunehmends schwerer, und nur mit Mühe verkraftete ich den Stich, den mir Mikes Korb verpasst hatte. Ich hätte mich selbst ohrfeigen können, dass ich so naiv war und tatsächlich geglaubt hatte, dass Mike Time mich küssen würde. Mich küssen wollte.


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Rechtschreibfehler schenk ich euch!

BlondinenwitzeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt