In der Küche angekommen atmete ich erstmal tief durch. Mir war, als hätte ich in den letzten Minuten die Luft angehalten. Das ich John mit seiner Sekretärin erwischt hatte, war nun fast ein Jahr her und ich hatte eigentlich das Gefühl, darüber hinweg gekommen zu sein. Meiner Reaktion grade nach zu urteilen, war das allerdings nicht so. Es war nicht allein der Fakt, dass er mich betrogen hatte, der mich verfolgte. Es war eher das permanente Gefühl, nicht genug gewesen zu sein und als Ehefrau versagt zu haben. Laura lag schon ganz richtig mit ihrer Vermutung; so etwas zerstörte das Selbstbewusstsein.
„Bist du okay?" fragte Felix plötzlich und ich drehte mich zu ihm um. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er mir gefolgt war.
„Ja." antwortete ich leicht krächzend und räusperte mich kurz. „Ja, alles bestens."
Sein Blick wurde eindringlicher. Ganz zu glauben schien er mir nicht.
„Willst du darüber reden?"„Auf keinen Fall." lachte ich humorlos auf. „Alles gut, wirklich."
„Bist du dir sicher? Ich meine, oft wird's besser wenn man—"
„Es geht mir gut!" unterbrach ich ihn, energischer und lauter als ich es eigentlich wollte.
Ich erwartete, dass er mich erschrocken ansah, aber sein Blick und sein Gesichtsausdruck blieben gleich. Auch seine Energie war die selbe wie noch vor wenigen Sekunden. Er war die Ruhe selbst.
„Okay." sagte er schließlich. „Brauchst du was stärkeres als Bier?"
„Hast du was stärkeres?" fragte ich und er nickte.
„Magst du Captain?"
„Geht." antwortete ich.
„Was anderes habe ich nicht." sprach er entschuldigend.
„Ja, egal." winkte ich ab. „Muss nicht schmecken, muss wirken."
Felix lachte. „Warte hier."
Er lief in den Flur und aus meinem Sichtfeld und kam nach kurzer Zeit mit zwei Flaschen Captain Morgan Spice zurück.
„Reicht das?"„Willst du mich umbringen?" lachte ich.
„Die sollst du nicht alleine trinken, du Vogel." antwortete er amüsiert. „Ich trinke mit dir."
„Das ist sehr kameradschaftlich von dir."
„So bin ich." grinste er und nahm ein paar Gläser aus einem der Küchenschränke. „Komm."
Ich folgte ihm zurück auf die Terrasse und als Julian die Rumflaschen sah, begannen seine Augen zu strahlen.
„Ah, jetzt kommt das gute Zeug auf den Tisch."Es dauerte nicht lange und die erste Flasche war leer. Die zweite folgte auf den Schlag. Tommi blieb vernünftigerweise bei Bier, während Felix, Julian und ich beide Flaschen zusammen leerten.
„Irgendwann schmeckt's gar nicht mehr so scheiße." gab ich zu, als ich einen weiteren Schluck aus meinem Glas trank.
„Wundert mich, dass du überhaupt noch was schmeckst." amüsierte sich Julian. „Du bist ganz schön trinkfest."
„Ehrlich." bestätigte Felix.
„Eigentlich überhaupt nicht." gab ich zu. „Ich darf nur nicht aufstehen, dann ist alles gut."
„Dann musst du wohl auf diesem Stuhl übernachten." kicherte Laura.
„Oder jemand trägt sie in's Bett." sprach Felix und wackelte vielsagend mit seinen Augenbrauen Richtung Tommi, der grade dabei war, an Sam eine übrig gebliebene Bratwurst zu verfüttern.
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The night we met - Felix Lobrecht FF
FanfictionCharleen kommt aus einer gescheiterten Ehe in London zurück nach Berlin. Zusammen mit ihrem Golden Retriever Rüden Sam versucht sie sich wieder an das Single-Leben zu gewöhnen, nachdem sie Männern ein für alle Mal abgeschworen hat. Am Abend der Hoch...