Der erste Abend

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Nachdem wir alle unsere Koffer verstaut hatten, bestellten wir Pizza und setzten uns auf die Terrasse.

„Eigentlich wollte ich ja diesen Sommer so ne Ayurveda-Kur machen." erklärte Felix, während er genüsslich in ein Stück hinein biss.

„Ist das diese Droge, die die Ureinwohner in Südamerika einnehmen, um ihr Bewusstsein zu erweitern?" fragte ich und alle fingen an zu lachen.

Nein, das ist Ayahuasca. Google mal Ayurveda-Kur." sprach Julian. Das tat ich dann auch und verzog angewidert das Gesicht.

„Also dann lieber n' Drogentrip." murmelte ich vor mich hin. „Warum tut man sich das freiwillig an?"

„Das ist gesund." verteidigte sich Felix. „Ich will meinen Körper echt mal von den ganzen Giftstoffen reinigen."

„Ist ja schön und gut, aber tut's da nicht auch ne Saftkur?"

„Oder mit dem Rauchen aufhören." grätschte Laura ein und grinste.

„Ja, ja." winkte Felix ab. „Ich höre schon irgendwann nochmal auf zu rauchen."

„Eh, Charly?" unterbrach Julian das Gespräch und sah ernst von seinem Handy hoch.

„Mhm?"

„Hast du schon mal wieder was von Tommi gehört?"

Verwirrt sah ich ihn an. „Nein, warum?"

„Ah." machte er. „Nur so."

„Julian." ermahnte ich ihn und hob eine Augenbraue. „Was ist los?"

„Nichts."

Mit einer schnellen Bewegung nahm Laura ihm das Handy aus der Hand und fing an zu lesen.

„Ey!" beschwerte er sich. „Das muss absolut nichts heißen. Die schreiben doch alle immer so einen Quatsch."

Laura sah kurz zu mir hoch, dann las sie laut vor, worauf Julian gestoßen war.
„Liebes-Comeback bei TV-Moderator Tommi Schmitt und Influencerin Caro Daur? Am Montag Nachmittag wurde das einst so verliebte Pärchen am Kölner Flughafen gesichtet, wie sie Händchen haltend aus dem Flughafen kamen und in ein Taxi stiegen. Insidern zufolge sollen die Zwei sich schon seit längerer Zeit wieder annähern, nachdem Sie sich vor gut einem halben Jahr getrennt hatten. Aufgewärmt schmeckt also doch nicht nur Gulasch, was Herr Schmitt?"

„Das erklärt einiges." murmelte ich und legte mein angebissenes Pizzastück zurück in den Karton.

„Das erklärt gar nichts!" sprach Julian. „Promiflash schreibt doch ständig so einen Mist. Oder Felix?"

Dieser sah mich mit besorgtem Blick an. „Naja." begann er. „Da war mal was, vor ein paar Wochen. Aber ich dachte, das hätte sich schon wieder erledigt."

„Was heißt vor ein paar Wochen?" fragte ich.

„Kurz nachdem ihr euch kennengelernt habt kam die Alte halt wieder bei ihm an. Er hat mir davon erzählt und wollte meinen Rat. Ich habe ihm natürlich gesagt, er soll sich nicht mehr auf die einlassen und sich lieber auf dich konzentrieren und ich sag mal so, scheinbar hat er sich meinen Rat nicht zu Herzen genommen."

„Aha." machte ich. „Und du bist nicht auf die Idee gekommen, mir das zu erzählen?"

„Du willst jetzt nicht ernsthaft mir die Schuld daran geben?!" entgegnete Felix entsetzt.

„Du hättest mich ja zumindest warnen können."

„Klar! Weil du dann bestimmt auch noch offen dafür gewesen wärst, ihn weiter kennenzulernen. Ich wollte doch, dass das was mit euch wird." erwiderte er.

„Wurde es ja offensichtlich nicht." gab ich sarkastisch von mir.

„Ach und das ist jetzt meine Schuld oder wie?" lachte Felix humorlos auf. „Willst du mich verarschen?"

„Nein." schüttelte ich eifrig den Kopf. „Aber als mein Freund hättest du es mir sagen müssen."

Entnervt stand er vom Tisch auf. „Weißt du was? Frag doch Tommi lieber erstmal selber, was da los ist, statt deinen Frust jetzt an mir auszulassen. Ich wollte dir nur helfen, endlich mal wieder ordentlich gefickt zu werden."

„Hat ja super geklappt!" pampte ich hinterher, als er sauer in's Haus stampfte.

Peinlich berührt sahen Julian und Laura zu Boden, als ich ebenfalls stillschweigend die Runde verließ.

Während Felix seinen Frust im hauseigenen Gym abbaute, hatte ich meine eigene Art, mit Frust umzugehen und die hieß: Wein.
Die beiden Turteltäubchen hatten am Abend das Haus verlassen, um am nahegelegenen See spazieren zu gehen und ich hing mit einer Flasche Rotwein über dem Beckenrand unseres Pools und schaute zu den Bergen herüber. Ich bereute es, Felix so blöd angemacht zu haben. Ihn traf keine Schuld, dessen war ich mir bewusst. Ich brauchte nur einen Sündenbock, an dem ich meine Wut auslassen konnte und er war nun mal grade da. Eigentlich war ich auch gar nicht sauer auf ihn, ich war nicht mal wirklich sauer auf Tommi. Ich war sauer auf mich selbst. Was hatte ich auch erwartet? Das der erste Schuss nach meiner Trennung direkt ein Treffer werden würde? Tommi war nett, ja. Und dazu noch absolut mein Typ, aber wenn ich ehrlich zu mir selber war, wusste ich, dass die Weichen von Anfang an eher so semi gut für uns gestellt waren. Klar, da war irgendwas zwischen uns, aber so richtig gefunkt hatte es bis zuletzt nicht. Das hieß für mich, wieder bei 0 anzufangen.

„Hast du ihm geschrieben?" ertönte Felix' Stimme hinter mir und ich drehte mich erschrocken um. Er stand in Badehose am Beckenrand und blickte mich scharf an. Er war noch immer sauer, das konnte ich erkennen.

„Ja." antwortete ich knapp.

„Und?" fragte er nach.

„Er meint, es täte ihm leid, aber dass sich das einfach so entwickelte hätte." gab ich Tommis Nachricht von vor einer Stunde so wortgetreu wie möglich wieder.

„Mhm." machte Felix. „Tut mir Leid."

„Nein, mir tut's leid." entgegnete ich seufzend. „Ich hätte dich nicht so anfahren dürfen. Du konntest ja gar nichts dafür."

„Konnte ich nicht. Aber ich hätte dir spätestens dann davon erzählen können, als du dein schlechtes Bauchgefühl geäußert hast." erwiderte er und sein Gesichtsausdruck wurde weicher.

„Ist ja auch egal jetzt. Hätte vermutlich sowieso nicht funktioniert mit uns, also was soll's." sprach ich. „Sind wir wieder Freunde?"

Felix musste schmunzeln. „Immer." antwortete er und stieg zu mir in den Pool. „Krasse Aussicht, oder?"

„Mhm." nickte ich und blickte zurück in den Horizont. „Ich glaube, das ist das Schönste, was ich jemals gesehen habe."

„Als ich zum aller ersten Mal die Berge gesehen hab konnte ich gar nicht wegsehen, weil ich alles so wunderschön fand."

„So geht's mir auch." entgegnete ich. „Ich hatte vorhin kurz die Angst, dass ich nie wieder so geflasht von etwas sein werde."

„Das habe ich auch ne lange Zeit gedacht." gab er zu.

„Aber?" fragte ich.

„Was Aber?"

„Na, wurdest du eines besseren belehrt?"

„Du meinst, ob mich nochmal etwas so umgeworfen hat?" fragte er und ich nickte.

„Ja." antwortete er fast schon melancholisch. „Ist zwar grade fast unglaublich, aber es gibt noch schöneres als das hier."

„Echt? Das will ich sehen."

Felix lachte. „Ich zeig's dir irgendwann mal."

In den darauffolgenden Minuten sagte keiner von uns mehr etwas. Alles, was man hören konnte, war das Gezwitscher der Vögel in den Bäumen, das Plätschern des Pools und das Zirpen der Grillen im hohen Gras, während wir der Sonne dabei zusahen, wie sie hinter den Bergen verschwand.

The night we met - Felix Lobrecht FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt