Der Flug

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„Hast du jetzt langsam mal alles gepackt? Wir müssen los." fragte ich genervt, als ich mich in Felix' Schlafzimmertür lehnte.

„Ja, einen Moment noch. Wie ist'n das Wetter da drüben?" entgegnete er, während er in seinem Kleiderschrank wühlte. „Vielleicht sollte ich noch einen Hoodie einpacken. Oder zwei."

„Felix." seufzte ich. „Wie kann jemand, der beruflich so viel unterwegs ist wie du, so schlecht im Packen sein?"

„Weiß ick doch och net!" stöhnte er genervt. „Ach, egal jetzt. Zur Not kauf ick mir was bei Gucci."

Ich lachte. „Alles klar. Können wir dann jetzt?"

„Yo!" antwortete er, schloß noch den Reißverschluss seines Koffers und rollte diesen in den Flur.

Am Flughafen angekommen kamen wir erstaunlich schnell durch die Sicherheitskontrollen, was unser Glück war. Der Verkehr war der Horror und Felix' stundenlanges Packen hatte uns einiges an Zeit gekostet. Grade so schafften wir es pünktlich zum Boarding am Gate zu sein.

„15 b und 15 c." murmelte ich auf der Suche nach unseren Plätzen im Flugzeug. „Ah, hier!"

„Warum musst du für dieses super wichtige Meeting eigentlich unbedingt persönlich anwesend sein? Nicht, dass ich was dagegen hätte, mit dir nach London zu fliegen, ganz im Gegenteil, aber hätte man das nicht auch in nem Zoom Meeting klären können? Ist doch super nervig dafür extra rüber zu fliegen." sprach Felix, als wir unsere Plätze eingenommen hatten.

„So ganz verstehe ich das auch nicht. Gibt wohl ein paar neue Mitarbeiter in Boston. Schätze mal, die Leitung unserer Tochterfirma will uns alle mal persönlich vorstellen. Habe da aber auch nicht so genau nachgefragt. Die GF labert mir sonst wieder ein Kotelett an's Ohr und das muss ich später schon über mich ergehen lassen, das reicht mir." antwortete ich, während ich mir den Sicherheitsgurt umlegte.

Felix lachte. „So schlimm?"

„Schlimmer."

„Bin ich froh, dass ich mein eigener Chef bin. Ich könnte nie wieder in nem Angestellten-Verhältnis arbeiten."

„Ja, sei froh. Nervt mich auch ein bisschen, aber was soll ich machen? Ich könnte mich in unserer Branche bestimmt auch selbstständig machen, das Wissen dafür habe ich, aber die finanziellen Mittel fehlen." erklärte ich.

„Vielleicht könnte ich dich dabei unterstützen." bot Felix an und ein unglaubwürdiger Blick meinerseits folgte.

„Auf keinen Fall." lehnte ich sofort ab. „Ich nehme kein Geld von dir."

„Wäre ja nur ein Darlehen quasi. Bis der Laden so gut läuft, dass du's mir zurück zahlen kannst."

Ich sah ihn an. Er meinte das tatsächlich ernst. Unermüdlich schüttelte ich den Kopf.

„Nein, wirklich. Ich will das nicht. Bei Geld hört die Freundschaft immer auf."

„Wir sind doch schon lange nicht mehr nur Freunde, oder?" grinste er und mein Herz rutschte mir kurz in die Hose.

„Ja... ist ja noch schlimmer." entgegnete ich schnell. „Das lassen wir mal schön bleiben."

„Na gut, war nur ein Angebot." erwiderte Felix. „Kannst es dir ja nochmal überlegen."

„Okay." murmelte ich in dem Wissen, dass ich es mir garantiert nicht noch einmal überlegen würde. Niemals wieder wollte ich in irgendeiner Art und Weise von jemandem abhängig sein, nicht mal für eine kurze Übergangszeit.

Das Flugzeug setzte sich langsam in Bewegung und ich hörte Felix tief durchatmen.

„Hast du Flugangst?" fragte ich und sah ihn an.

The night we met - Felix Lobrecht FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt