Der Streit

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„Was hast du grade gesagt?" fragte ich ungläubig. „Wiederhol' das nochmal."

„Ich glaube, ich hab' mich in dich verliebt." gestand er, noch leicht außer Atem. „Keine Ahnung, wie's passiert ist... aber es ist passiert."

Ich erwiderte nichts, starrte ihn einfach nur an.

„Hab ich's jetzt versaut?" fragte er. „Ich hab den Vibe gekillt, oder?"

„Ich soll die Leitung unserer Firma in San Francisco übernehmen." prustete es aus mir heraus und ich sah schamvoll zu Boden.

„Was?" fragte er überrascht. „Wie meinst du das? Seit wann weißt du das?"

„Seit gestern." murmelte ich. „Deswegen war ich so ruhig. Wir eröffnen einen neuen Standort in San Francisco und ich soll die Leitung übernehmen."

„Wow." murmelte Felix und ging einen Schritt zurück, entzog sich meinen Armen. „Tust du's?"

„Keine Ahnung." sprach ich. „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich lag die ganze Nacht wach und habe darüber nachgedacht."

„Das ist ne große Chance für dich." entgegnete er. „Vielleicht solltest du's tun."

Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. „Erst sagst du mir, dass du dich in mich verliebt hast und jetzt sagst du mir, dass ich gehen soll?"

„Das habe ich nicht gesagt." widersprach er.

„Doch, hast du."

„Was erwartest du jetzt von mir, Charleen? Dass ich dich anflehe, zu bleiben? Das werde ich nicht. Ich will nicht irgendwann dafür verantwortlich sein, dass du in deiner Karriere nicht voran gekommen bist, weil du das Angebot wegen mir aus geschlagen hast." erklärte er mit ernster Stimme, trat aus der Dusche heraus, legte sich sein Handtuch um und verschwand aus dem Bad.

Wie vor den Kopf gestoßen stand ich da, stellte den Wasserhahn ab, trocknete mich ab, zog mir den Bademantel über und folgte ihm. Felix lag auf dem Bett und scrollte auf seinem Handy.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll, Felix." sprach ich verzweifelt.

„Ich weiß es auch nicht." erwiderte er fast anteilnahmslos. „Wann hattest du denn vor, mir davon zu erzählen? Eine Woche vor Abflug? Einen Tag? Eine Stunde?"

„Was soll das jetzt? Ich weiß es doch selber erst seit gestern und ich wollte das erstmal mit mir selber ausmachen." erklärte ich.

„Dann mach das." murmelte er.

„Du bist grade ziemlich ungerecht, weißt du das?"

„Ich bin ungerecht?" fuhr er wütend hoch und schmiss sein Handy aufs Bett. „Ich sage dir, dass ich mich in dich verliebt habe und du kommst mir mit so einer Pisse, alter!"

„Es tut mir leid! Es kam einfach so aus mir raus, weil ich das schon seit gestern mit mir rumschleppe. Was hätte ich denn tun sollen?" fuhr ich ihn ebenfalls an.

„Keine Ahnung, Charleen." winkte er abgeklärt ab, während er sich Boxershorts und Jogginghose überzog.

„Wo willst du hin? Haust du jetzt einfach ab?"

Statt eine Antwort zu geben, zog er sich sein Shirt über, schnappte sich sein Handy und die Zimmerkarte und lief zur Tür.

„Antworte mir gefälligst!" rief ich ihm mit zittriger Stimme hinterher.

„Ich brauch' frische Luft!" rief er und knallte die Tür hinter sich zu.

Von einer Sekunde auf die andere schossen mir Tränen in die Augen. Ich setzte mich auf die Bettkante, legte meinen Kopf in meine Hände und fing an zu weinen. Von Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Wie konnte das nur passieren? Es war alles gut, mehr als gut. Gradezu perfekt und dann? Hatte ich alles zerstört. Warum musste ich ihm auch unbedingt jetzt davon erzählen. Warum konnte ich ihm nicht einfach sagen, dass ich mich ebenfalls in ihn verliebt hatte? Ich schob es auf eine Art Torschlusspanik. Wie auch immer, ich hatte es jedenfalls maßlos verkackt und wusste nicht, wie ich das wieder grade biegen sollte. Ich hatte Felix noch nie so erlebt. Er war wirklich sauer auf mich und ich konnte es ihm nicht mal verübeln. Ich robbte in die Mitte des Bettes, legte mich zur Seite und lies meinen Tränen freien Lauf.

Ich wusste nicht genau, wie viel Zeit vergangen war, seitdem Felix das Zimmer verlassen hatte. Ich lag nur da, starrte an die Decke und wartete darauf, dass er endlich zurück kam, als ich plötzlich das Klicken der Zimmerkarte hörte und mich aufsetzte. Felix trat herein, schloss die Tür hinter sich und sah mich an.

„Hast du geweint?" fragte er.

„Vielleicht." murmelte ich leise.

Er strich sich die Schuhe von den Füßen und setzte sich zu mir auf's Bett.

„Es tut mir leid, Felix." entschuldigte ich mich und spürte, wie mir sogleich wieder die Tränen in die Augen schossen.

„Ich weiß." entgegnete er in einem ruhigen Ton. „Mir auch. Ich hätte dich nicht so anschnauzen dürfen."

„Deine Wut ist aber berechtigt. Ich hätte nicht so mit der Tür in's Haus fallen sollen. Das war nicht fair."

„Mhm." machte er.

„Statt dir das mit San Francisco zu erzählen, hätte ich dir lieber sagen sollen, dass ich mich auch in dich verliebt habe." gab ich zu und knibbelte nervös an meinen Nägeln. Ich spürte, wie Felix mich ansah.

„Hast du?" fragte er.

„Ja." nickte ich. „Schon länger. Ich hatte mich nur nicht getraut, es dir zu sagen."

„Und was machen wir jetzt?"

„Ich weiß es nicht." erklärte ich. „Sag du's mir."

„Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst. Ich kann dir nur versichern, dass ich deine Entscheidung respektiere. Egal, wie sie ausfällt."

„Willst du denn, dass ich bleibe?" fragte ich.

„Das ist eine dumme Frage und das weißt du auch."

„Ich will's aber von dir hören."

„Natürlich will ich, dass du bleibst." seufzte Felix. „Aber ich will nicht, dass du deine Entscheidung nur daran festmachst. Ich will mir nicht in ein paar Monaten, oder meinetwegen auch Jahren, anhören müssen, dass ich daran Schuld bin, dass du nicht nach San Francisco gegangen bist."

„Wenn ich bleibe..." begann ich. „Was wird dann aus uns?"

„Müssen wir das jetzt entscheiden?" fragte er.

„Ich muss wissen, ob wir beide... funktionieren werden."

„Das kann ich dir doch nicht beantworten, das wird die Zeit zeigen." entgegnete er.

„Ich brauche irgendeine Art von Gewissheit. Ich muss sicher sein, dass wenn ich bleibe, das mit uns eine Zukunft hat." sprach ich und sah ihn an. „Verstehst du?"

„Ich verstehe das, aber ich kann dir das nicht versprechen. Es kann immer irgendwas passieren, weshalb es nicht mehr funktioniert. Ich stehe in der Öffentlichkeit, was schon mal sehr ungünstig für eine Beziehung sein kann. Wenn ich dann nach meiner Pause wieder auf Tour gehe, bin ich oft wochenlang nicht zuhause und selbst wenn ich mich dazu entscheide, nicht wieder zu touren weiß ich nicht, was danach kommt." erklärte Felix.

„Mhm." machte ich nachdenklich.

„Ich liebe dich. Das ist die einzige Gewissheit, die ich dir geben kann." Seine stahlblauen Augen durchdrängten mich. Mein Herz machte einen kleinen Sprung und ich musste automatisch lächeln. Ich lehnte mich zu ihm herüber und küsste ihn.

„Ich liebe dich auch." flüsterte ich, als wir uns wieder voneinander lösten und Felix lächelte versöhnlich.

„Wann musst du dich entschieden haben?"

„In 6 Tagen." antwortete ich.

„Dann lass uns die Zeit zusammen nutzen und das Beste daraus machen. Wie gesagt, ich kann und werde dir die Entscheidung nicht ab nehmen und du musst mir versprechen, dass wenn du bleibst, ich nicht der einzige Grund dafür sein werde. Und wenn du dich dazu entscheidest zu gehen, hatten wir wenigstens ein paar schöne letzte Tage zusammen und ich werde dir nicht böse sein."

„Okay." nickte ich.
Es gab mir ein gutes Gefühl, dass Felix so verständnisvoll war. Dennoch machte es das alles nicht leichter. Ganz im Gegenteil.

The night we met - Felix Lobrecht FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt