Das Kribbeln

642 29 3
                                    

Als Julian endlich seine blöde Melone bekam, ging ich in's Bad um zu duschen und mich bettfertig zu machen. Ich ließ das heiße Wasser über meinen Rücken laufen und schloß die Augen.

Was war das da vorhin? Warum küsste Felix mich plötzlich? Und die viel wichtigere Frage: warum hatte der Kuss so eine unglaubliche Wirkung auf mich? Ich war wie Wachs in seinen Händen, hatte keine Kontrolle über meinen Körper oder meinen Geist und hätte am liebsten die ganze Nacht so mit ihm verbracht. Es fühlte sich an, als wäre ich am verdursten gewesen und dieser Kuss war mein Schluck Wasser. Ich wollte mehr.

Das Wasser, und vor allem meine Gedanken, wurden mir mittlerweile ein bisschen zu heiß. Wenn ich mich heute Nacht neben ihm irgendwie kontrollieren wollte, brauchte ich dringend eine Abkühlung. Schließlich drehte ich den Wasserhahn nach rechts und eiskaltes Wasser lief über meinen Körper. Ich atmete ein paar Mal ruckartig ein, ehe ich mich an die Kälte gewöhnt hatte.

Nach der Dusche föhnte ich noch schnell meine Haare, putzte mir die Zähne, trug eine Gesichtscreme auf und lief in's Schlafzimmer. Felix lag schon in Boxershorts und Shirt, frisch geduscht, auf seiner Seite des Bettes und zappte mit der Fernbedienung durch's TV-Programm. Schnell huschte ich durch sein Sichtfeld und legte mich neben ihn.

„Es läuft echt nur Mist." beschwerte er sich und schaltete den Fernseher wieder aus. „Stört es dich, wenn ich noch n Talk auf'm Handy laufen lassen?"

„Nein, mach ruhig." entgegnete ich. „Ich kann eh besser schlafen, wenn's nicht zu still ist."

„Ich auch." grinste er. Ich schaute ihm dabei zu, wie er auf YouTube hoch- und runter scrollte und letztendlich eines der Videos startete.

Es war komisch. Er erwähnte mit keinem Wort, was da vorhin unten im Pool passiert war. Er benahm sich mir gegenüber aber auch nicht anders. Ich zweifelte sogar ganz kurz daran, dass es wirklich passiert war, aber es war passiert. Felix und ich hatten uns geküsst. Und jetzt? Jetzt lag er neben mir, verlor kein Wort darüber, versuchte nicht, es nochmal zu tun, gar nichts. Lag es an mir? Empfand er den Kuss als schlecht? Ich wurde leicht nervös. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, er solle mit mir reden, irgendwas sagen oder tun, aber ich blieb stumm.

„Du denkst schon wieder." murmelte er, während er den Blick nicht von seinem Bildschirm hob.

„Mhm?"

„Ich kann deine Gedanken hören."

„Das bezweifle ich." nuschelte ich.

Er nahm sein Handy in die Hand und legte es auf seinen Nachttisch, während das Video weiter lief. „Komm mal her." sprach er und deutete, dass ich näher rücken soll, was ich tat. Mit seinen starken Armen zog er mich noch näher an sich, sodass ich meinen Kopf auf seiner Brust ablegen musste. Einige Minuten lagen wir so da und horchten den Stimmen des Videos. Die Bewegungen seiner Brust durch seine Atmung hatten eine seltsam beruhigende Wirkung auf mich. Seine Haut war warm und weich und er roch verboten gut. Da war es wieder. Dieses Kribbeln in meinem Körper. Es war nicht nur mein Bauch, selbst meine Füße kribbelten. Vielleicht vertrug ich das Chlorwasser im Pool nicht? Vielleicht lag es daran. Vielleicht war es aber auch etwas anderes. Vielleicht, ganz vielleicht, war es Felix und die Wirkung, die er plötzlich auf mich hatte. Vielleicht war da etwas, die ganze Zeit über schon, was ich übersehen hatte. Oder vielleicht waren es auch nur meine Hormone, die verrückt spielten. Was es auch war, es fühlte sich gut an. So verdammt gut.

„Felix?" flüsterte ich.

Keine Antwort. Vorsichtig hob ich den Kopf und sah, dass er bereits eingeschlafen war. Ich lächelte kurz, dann legte ich meinen Kopf wieder zurück auf seine Brust und es dauerte nicht lang, dann schlief ich ebenfalls ein.

The night we met - Felix Lobrecht FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt