Das Gefühl

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„Ja." bestätigte Mrs. Simon neben mir. „Sie haben diesen Standort hier mit aufgebaut. Sie waren von Anfang an dabei und fungierten so zu sagen als meine rechte Hand. Sie wissen, was zutun ist und führen ihre Arbeit immer ordentlich und verantwortungsvoll aus. Aus diesem Grund würden wir ihnen gerne die Leitung in San Francisco anbieten."

„Ich... also..." stammelte ich, während alle Blicke auf mich gerichtet waren. „Das ist wirklich sehr nett und ich fühle mich geehrt, aber... muss ich das sofort entscheiden?"

„Natürlich nicht." erklärte Mrs. Cox. „Wir wissen, was für ein riesiger Schritt das für sie wäre und möchten sie in keinem Fall bedrängen, sofort eine Entscheidung zu treffen. Nehmen Sie sich eine Woche Zeit und denken sie darüber nach. Bedenken sie dabei: das ist eine riesige Chance für sie und für unsere Firma. Sie erhalten natürlich allerlei Benefits, wenn sie sich für die Stelle entscheiden. Der Umzug, eine geeignete Wohnung, einen Firmenwagen, Krankenversicherung und die volle Entscheidungsgewalt über jeden noch so kleinen Schritt im neuen Standort sind nur ein paar davon."

„Wow, ich... das klingt alles wirklich gut." sprach ich. „Ich bin dankbar, dass sie bei dieser Stelle an mich gedacht haben. Ich werde mir die Zeit nehmen und in Ruhe darüber nachdenken."

„Das freut uns sehr zu hören, Charleen. Wir vertrauen auf niemanden mehr, als auf sie." lächelte Mrs. Simon mir zu und ich zwang mir ebenfalls ein Lächeln auf.

„San Francisco." murmelte ich leise vor mich hin, als ich auf dem Weg zurück zu meinem Büro war. Es war schon immer ein Traum von mir gewesen, irgendwann mal in die Staaten auszuwandern. Mrs. Cox wollte mich sogar schon einmal vor ein paar Jahren für Boston abwerben. Da hatte ich allerdings grade John kennengelernt und es kam für mich nicht in Frage, ihn zu verlassen.
Und jetzt? Jetzt war da Felix. Wieder musste ich mich entscheiden, zwischen meinem Traum von den USA und einem Mann. Mit dem Unterschied, dass dieses Mal noch mehr für mich drin sein konnte. Ich wäre nicht mehr nur eine Angestellte, ich würde einen neuen Standort aufbauen, ihn leiten und meine eigenen Entscheidungen treffen. So, wie ich es immer wollte. Aber... Felix...

„Da bist du ja endlich!" riss mich seine Stimme aus den Gedanken. Ich sah hoch und Felix lehnte an einem der großen Pfeiler im Flur. „Ich habe mir safe jeden Zentimeter dieses Gebäudes drei Mal angesehen. Was hat'n das so lange gedauert?"

„Tut mir leid." entschuldigte ich mich sofort. „Hätte ich gewusst, dass das so lange dauert, hätte ich dich nicht mit her geschleppt."

„Allet jut. Jetzt ham' wa das ja ab jefrühstückt." grinste er und legte seinen Arm um meine Schulter. „Apropos jefrühstückt... ick hab Hunger. Wo kann man hier in deiner Stadt denn was leckeres essen?"

„Ähm..." überlegte ich. „Ich denke, ich weiß da was."

„Du bist so ruhig." merkte Felix an, als wir in meinem Lieblingsrestaurant, nicht weit entfernt vom St. James Park, saßen und auf unsere Bestellung warteten. „Ist irgendwas?"

„Mhm?" machte ich und schnellte mit dem Kopf hoch.

Felix sah mich besorgt an. „Ich habe gefragt, ob alles okay ist."

„Oh." entgegnete ich. „Ja. Ja, alles bestens. Ich bin nur müde. Das frühe Aufstehen, der Flug, das Meeting... hat mich alles sehr geschlaucht."

„Das ist alles?" fragte er. „Lief das Meeting scheiße oder so?"

„Nein." schüttelte ich energisch den Kopf. „Im Meeting war alles in Ordnung. Wirklich, ich bin einfach nur müde."

„Alles klar." resignierte Felix und ich konnte ihm ansehen, dass er mir kein Wort glaubte.

The night we met - Felix Lobrecht FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt