Von mir zu Fallon ist ungefähr ein Marsch von 20 Minuten, da das riesen Landhaus in dem ich wohne recht abgelegen ist. In der Gegend könnte man tot überm Zaun hängen und es würde ewig dauern bis es jemandem auffiele. Wenn es von außen jetzt im Herbst nicht so süß aussehen würde mit den ganzen goldenen Blättern rund herum, könnte man fast einen Horrorfilm drehen. Und manchmal fühlt es sich so an, als wäre ich die Hauptrolle in diesem Horrorfilm.
Da es für diese Jahreszeit noch recht warm ist, ist es garnicht so schlimm keine Jacke mitgenommen zu haben. Die Sonne ist schon vor einer Weile untergegangen und nurnoch leichte rote Schlieren sind vor mir als Überreste zu erkennen, während hinter mir schon die Dunkelheit einbricht.
Ich genieße es hier draußen. Die Luft wird nach diesem anstrengend warmen Tag langsam wieder klarer, eine leichte Brise weht mir um die Nase und zwischendurch hört man nur weiter entfernt einen kleinen Bach plätschern. Es fühlt sich so romantisch und unreal diese Allee entlang zu spaziern. Manchmal stelle ich mir in solchen Momenten vor es gebe nur mich. Als wäre ich in einem Film und alles dreht sich um mich und meine Gefühle, auch wenn ich dabei so sehr abschalten kann, dass dies garnicht mehr so schlimm wäre.
Es ist herrlich.Aber jeder Film hat ein Ende. Und so sind es nurnoch wenige hundert Meter bis ich in die Straße einbiege, in der Fallon wohnt.
Ihr und Mic hab ich noch nicht erzählt, dass ich ab morgen weg sein werde und ich sehe da auch keinen Nutzen drin.
Ändern können wir alle nichts mehr dran und warum eine so schöne Nacht versauen.Ehe ich mich versehe wird mir schon die Tür geöffnet, bevor ich auch nur daran gedacht hätte zu klingeln.
"Harper, Schätzchen wie schön dich zu sehen", trällert die Stimme von Carol, Fallons Mutter mir entgegen und schon werde ich in eine herzlichen Umarmung gezogen. So einen herzensguten Menschen wie Carol habe ich selten getroffen.
Eigentlich steh ich nicht mehr so auf Umarmungen, aber eine Umarmung von ihr ist so herzerwärmend, dass ich nicht anders kann als sie zu genießen."Bist du aber hübsch geraten", säuselt sie nachdem sie mich aus ihren Armen entlassen und ins warme Haus gezogen hat.
"Dankeschön und du erst", lache ich als ich meine Schuhe abstreife und fein säuberlich ins Regal einreihe.
"Ach hör mir auf", winkt sie schmunzelnd ab, aber ich weiß, dass sie sich über solche Komplimente mehr als freut."Hier riechts aber gut", bemerke ich. "Ich hab gebacken. Apfelkuchen. Möchtest du ein Stück?", fragt sie ganz euphorisch und geht mit schnellen Schritten in die Küche. "Ey ich hab auch schon gefragt und ich habe keins bekommen", schmollt Fallon, die plötzlich die Treppe herunter eilt.
"Du bist ja auch frech", zuckt Carol einfach mit der Schulter und beginnt schon bevor ich überhaupt zu einer Antwort ansetzen kann den Kuchen in Stücke zu schneiden."Komm wir teilen uns ein Stück", lächle ich und nehme das Stück und die Gabel die mir hingehalten werden dankend an. "Da hast du aber nochmal Glück Mäuschen", stupst Carol ihre Tochter an. "Nunja ich bin dann auch mal weg. Viel Spaß bei eurer Party heute. Lasst es krachen", lacht Carol und geht aus dem Zimmer.
"Sie hat dich lieber als mich", schmollt Fallon und zieht mich an einer Hand mit nach oben in ihr Zimmer, während ich wankend versuche, den Kuchenteller der noch immer in meiner Hand weilt zu balancieren.
"Garnicht wahr", lache ich.Bei Carol müsste ich mich definitiv verabschieden. Alles andere erscheint mir nicht richtig.
"So dann wollen wir mal", klatscht Fallon in die Hände und steht auf. "Deine Haare sehen zwar bombe aus, aber ich muss wohl oder übel nochmal duschen. Such du schonmal was schönes zum anziehen raus. Was wird das heute? Lass uns heut nen ruhigen machen", schlägt sie vor. "Also ich hätte schon bock mal wieder richtig die Sau raus zu lassen", erkläre ich und ziehe einen recht kurzen Rock aus meiner Tasche. Skeptisch hob sie eine Augenbraue. Früher hab ich nur so ungehemmt gefeiert, hab mich aber in den letzten Monaten wieder in den Griff gekriegt und mir seit dem nicht mehr so nen Kopf um Partys und meine Outfits gemacht. Getrunken hab ich trotzdem noch viel, so nicht, aber weniger, nun ja, nuttig eben. Aber heute, ein letztes mal, muss nochmal was besonderes werden. Zumindest optisch.
Als sie checkt, dass ich es ernst meine verzieht sich ihr Mund zu einem schäbischen Lächeln. "Nichts lieber als das", erklärt sie. Ich weiß, dass sie sich in letzter Zeit echt für mich zurückgenommen hat und ich bin ihr dafür auch echt dankbar. Jetzt ist sie dran. Vielleicht ist es dafür auch besser wenn ich nicht da bin.
Als sie im Badezimmer verschwunden ist, flitze ich schnell nach unten, in der Hoffnung, dass Carol noch nicht gegangen ist. Ich will mich unbedingt noch verabschieden. Und zum Glück erwische ich sie gerade als sie aus der Tür will.
Es fällt mir echt nicht leicht ihr zu sagen, dass ich gehe, aber vielleicht ist es schonmal eine gute Übung für das Gespräch mit Michael und Fallon.Als ich ihr erzähle, dass ich gehen werde seh ich ganz genau wie ihr sonst so herzlicher Ausdruck in den Augen in Wehmut umschwenkt. Sogar kleine Tränen bilden sich, die sie aber gekonnt zurückzuhalten versucht. Auch ich muss mich stark zusammenreißen.
Als sie mich aber schließlich in ihre Arme zieht kann ich nicht anders und schluchze einmal auf, was dafür sorgt, dass sie mich noch ein Stück fester an sich drückt.
"Ich wünsche dir alle Kraft und alles Gute für alles was dir passiert. Du hast es dir verdient. Und Harper, egal was passiert, du darfst niemals aufgeben. Es lohnt sich um sein Glück zu kämpfen. Und du wirst es finden. Egal was sich in deinen Weg stellt", sie schiebt mich kurz von sich um mich noch einmal von Kopf bis Fuß zu betrachten, bevor sie mich nochmal an sich zieht.
"So, jetzt muss ich aber los. Du schaffst das", schenkt sie mir noch ein letztes warmes Lächeln, bevor sie die grüne Haustür hinter sich zuzieht.Ich wische mir hastig eine Träne weg die es doch geschafft hat zu entrinnen und mache mich fix wieder auf den Weg nach oben.
Schnell zieh ich mir dort ein schwarzes Mesh-Longsleeve mit einem knappen tupe top drunter an, über den ich einen rot-weiß-beige grob-karierten Filzrock streife. Darüber zieh ich mir eine alte Leder Jacke, die fast schon länger geht als mein Rock.
Als Fallon aus dem Badezimmer kommt mit ihren schon fertig gestylten und geföhnten Locken, pfeift sie einmal beeindruckt durch die Zähne. Daraufhin zieht sie ein enges weiß-schwarz karriertes kleid mit Spagettiträgern an, welches ihre kurven super betonen und unten so wie oben rum nur wenig raum für Fantasie lassen.
Zugegeben ich bin schon deutlich freizügiger unterwegs gewesen, aber dafür, dass wir uns in letzter Zeit sonst nur in Jogginghose und top zu den kiffern gechillt haben und uns einen reingekippt haben war das schon ordentlich.
"Heißt das wir sitzen heute auch nicht nur bei den Untoten und pokern sondern tanzen auch?", fragt sie aufgeregt.
Schmunzelnd über ihre Euphorie nicke ich. Ihr einfährt ein leises quieken.
Das selbe Quieken nur etwa 3 Oktaven höher und panischer entfährt ihr wenige Augenblicke später als sie auf ihr Handy guckt." Mic hat geschrieben, dass er sofort losfährt. Wir haben ca. 10 Minuten, uns zu schminken, dann ist er hier", erklärt sie mir.
Hektisch beginnen wir das beste aus uns rauszuholen. Und tatsächlich steigen wir nur knapp 15 Minuten später fertig geschminkt und super heiß in Michaels Auto."Ich warte seit 5 Minuten", mault der direkt.
"Dann fahr das nächste mal nicht so früh los", entgegne ich schulterzuckend während ich mich anschnalle. Und direkt fällt mir auf, dass das nächste Mal noch echt ein wenig hin sein kann, was much schon jetzt ein wenig wehmütig werden lässt.
"Seit wann so schick?", fragt Mic als er den Motor startet.
"Unsere Nonne hier", Fallon, die vorne sitzt, zeigt auf mich, hinten in der mitte,"ist in Feierlaune". Erstaunt blickt Mic mich durch den Rückspiegel an. "Übertreibs aber nicht ok", rät er besorgt.
Ich verdrehe nur genervt die Augen bevor ich mich zurückfallen lasse.
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THE DOOR BETWEEN US
RomanceHarpers Leben wurde ihr bis jetzt nie leicht gemacht. Nachdem ihre Eltern gestorben sind, bekommen ihre gefühlskalte Tante und gewaltätiger Onkel das Sorgerecht für sie. Ab da geht es Berg ab. Dann jedoch wird sie auf ein Internat in England geschic...