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Nachdem ich noch ein wenig geschlafen habe, immerhin sind 16 Stunden flug nicht unerheblich, landet das Flugzeug endlich. Zum Glück gab es keinerlei Komplikationen mit meinem Koffer und so ist wenigstens schon die erste Hürde überwunden.

Alan hatte noch gewartet bis ich sicher im Taxi saß, da er meinte, so tief in der Nacht sei es hier nicht sicher genug. Viel geredet haben wir sonst aber nicht mehr. Er war nett. Das gibt mir ein wenig Hoffnung, dass es in diesem Drecksinternat doch noch ganz angenehm werden kann.

Also sitze ich jetzt hier. Um drei Uhr Nachts allein in einem Taxi auf dem weg in meine persönliche Hölle. Naja vielleicht auch Himmel. Schlimmer als "Zuhause" kanns kaum werden, oder?
Wenigstens ist der Taxifahrer nicht so ein komischer Kauz wie der auf der Hinfahrt.

Eine halbe Stunde fahrt, die arsch teuer war, später und ich stehe mit meinen Koffern in der Hand vor dem großen Tor des Internats. Soweit ich das von hier erkennen kann ist das gesamte Gebäude umgeben von einer großen verputzten Mauer.
Die beiden großen Backsteingebäude auf dem Gelände kann ich durch das gusseinerne Tor schon schwach im flackernden Licht der Laternen erkennen. In der Dunkelheit wirken sie sehr Majestätisch.
Cool, und wie komm ich da jetzt rein? Es ist mitten in der Nacht, es wird mir wohl kaum jemand aufmachen. Eigentlich hab ich echt nicht vor hier vor der Tür zu pennen. Zudem ist das Internat recht abgeschottet von der Stadt, durch die wir gefahren sind und von einem kleinen Wald umgeben. Wer weiß wer hier alles rumlungert.

"Psst", macht es just in dem Moment hinter mir, was mich heftig zusammen zucken lässt.
Ein Mädchen ca. in meinem Alter mit schönen langen braunen Haaren tritt einige Schritte näher an mich ran. Sie mustert mich skeptisch.
"Was machst du denn hier?", frage ich immernoch erschrocken. "Also ich gehe hier zur Schule. Deswegen weiß ich auch, dass du es nicht tust. Also sollte ich die Frage wohl eher zurückgeben", fragt sie leise. Man kann die Skepsis aus ihrer Stimme hören, durch ihr Lächeln wirkt sie aber dennoch freundlich.
"Ich geh hier auch zur Schule. Also ab jetzt. Ich bin neu. Jedenfalls bin ich jetzt erst angekommen",erkläre ich.
"Ah dann bist du der Grund für die Unruhe hier. Die Lehrer machen die ganze letzte Woche schon so Andeutungen, aber wollten nicht genau sagen was los ist. Konnte ja keiner von uns ahnen, dass mitten im Semester eine neue Schülerin kommt", erklärt sie. "Ich hab mich schon gewundert, dass das Tor offen ist", spricht sie weiter und drückt dieses auf. Oh.
"Du machst mir aber auch einen Strich durch die Rechnung", redet sie weiter als wir den roten Weg zwischen den Rasenflächen entlanggehen, der uns zu einem der beiden Gebäude führt.
Fragend gucke ich sie an. Sie deutet auf die Eingangstür, durch dessen Fenster Licht scheint.
"Es brennt noch Licht. Ergo: Die Sekretärin ist noch da. Sie erwartet dich wohl. Sonst ist hier um diese Zeit alles ruhig. Keine Ahnung wie ich jetzt wieder rein komme", seufzt sie. Ich blicke sie nur entschuldigend an. "Ich kann dir helfen dich reinzuschleichen", kommt mir in den Sinn. Immerhin will ich nicht direkt bei ihr verkackt haben, auch wenn ich sie nicht so einschätze. Sie wirkt aufrichtig freundlich. Ein Grund mehr. "Wirklich?", fragt sie erleichtert.
"Klar, wo musst du denn hin?", frage ich, um mir einen Überblick über die Situation zu machen. "Die Treppe hoch. Die ist am anderen Ende des Eingangsbereichs. Davor steht allerdings der Tresen, an dem Frau Reinhold wahrscheinlich noch sitzt",erklärt sie. "Ohne nen guten Plan wird das nichts", seufzt sie. "Ich hab da schon eine Idee", sage ich und fange an in meinem Rucksack zu kramen. "Ich bin übrigens Harper", füge ich hinzu und suche weiter. "Madison", sagt sie knapp und guckt mich zweifelnd an. "Aber nenn mich bitte Maddie oder so, machen alle"
Triumphierend halte ich eine 1½ Liter Flasche hoch.
"Was...?", setzt sie an, als ich mir fast die ganze Flasche über den kopf und meine Kleidung kippe. Dabei schaut sie mich nur verstört an. Klitschnass wische ich mir grinsend meine Haarsträhnen aus dem Gesicht.
Dann verstaue ich seelenruhig meine Tasche zurück in den Rucksack und hole zwei weitere kleine Wasserflaschen, die ich vom Flughafen hatte mitgehen lassen, hervor und kippe die nach einem kurzen Moment zögern über meine Tasche.
Es muss hier vor ca. einer Stunde geregnet haben, die Steine waren noch nass.
"Ok, ich lasse die Tür einen Spalt offen, dann hörst du, wann du rein kannst",flüstere ich. Mühsam versuche ich all meine Taschen gleichzeitig zu tragen. Ich zwinkere Maddie kurz zu, die mich immernoch verdutzt anstarrt, und stürze praktisch durch die Türen, wo ich gekünstelt hinfalle. Dabei fiel ich voll auf meine Blauen Flecken, weshalb ich laut vor schmerz aufzische. Sofort sehe ich eine kleine, rundliche Gestalt auf mich zu eilen. "Oh Schätzchen, gehts dir gut?", fragt eine zierliche, piepsige Stimme. "Oh es tut mir wirklich leid, ich wollte sie nicht wecken. Ich bin Harper",sage ich ganz schnell und aufgeregt. Dabei richte ich michwieder auf und lege einen arm um meine Schulter um zu symbolisieren, dass mir kalt ist. "Oh man, du bist ja ganz durchnässt. Ich hole dir schnell eine Decke", fiepst sie und geht schnell durch eine anliegende Tür. Super. Wär auch echt peinlich gewesen, wenn mein Plan nicht funktioniert hätte. In dem Moment kam Madison reingeflitzt, schloss schnell die Tür hinter sich und machte sich mit großen Schritten auf den weg durch den doch recht großen Eingangsbereich in Richtung Treppe. "Ich bin übrigens Mrs. Reinhold", nähert sich die quietschende Stimme wieder, was sowohl mich als auch Maddie vor Schock erstarren lässt. In letzter Sekunde duckt sie sich, sodass sie hinter dem Tresen verschwindet, als auch schon Mrs Roberts den Raum wieder betritt. Hoffentlich hatte sie die Bewegung nicht wahrgenommen. Sie kam in schnellen aber kurzen Schritten angewatschelt und legt mir eine dünne Decke um die Schultern. "Vielen Dank", säusel ich in überfreundlichem Tone weiter.
"Warte, ich hole dir eben deine Papiere, die musst du noch kurz absegnen", sagt sie und macht sich auf den Weg zu ihrem Tresen. Scheiße. "Oh nein", sage ich schneller als, dass mir eine Lösung einfällt. Sie dreht sich erstaunt zu mir um und schaut mich erwartend an. Schnell hebe ich eine Hand zu meinem Ohr. "Ich muss beim Sturz einen Ohrring verloren haben. Die sind mir sehr wichtig, sie waren das letzte Geschenk meiner Mutter", sage ich gespielt panisch, während ich mit geschickten Handgriffen meinen Ohrring Löse und in meinen Ärmel rutschen lasse. Dann präsentiere ich ihr mein freies Ohr. Panisch werfe ich mich zu Boden um ihn zu "suchen". "Oh nein, dann werde ich dir mal suchen helfen", bietwt sie an und fängt an den Boden mit mir abzutasten. Maddie, die gerade hinter dem Pult hervorguckt, gebe ich ein Handzeichen, dass sie weiter gehen soll. Gerade als Mrs. Reinhold sich wieder aufrichten will, zeige ich neben ihren Schuh, da Maddie noch auf der Treppe ist. "Da ist er ja", sage ich erleichtert, was sie nach unten schauen lässt, und hebe gespielt den Ohrring in meiner Hand auf.
"Na dann ist ja alles wieder gut", sagt sie liebevoll. Maddie war nach oben verschwunden. "Ja das ist es", lächle ich.
Nachdem sie mir einpaar Dokumente gezeigt hatte und das wichtigste erklärt hatte, gab sie mir ein paar Anweisungen und schickte mich hoch in mein zimmer um mich auszuschlafen. Zimmer 403. Na dann mal los.

THE DOOR BETWEEN USWo Geschichten leben. Entdecke jetzt