Ausgesprochen

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Lucy fand sich in ihrem Zimmer wieder. In Spinners End. In Snapes Haus. Ob es eine gute Idee war, wusste sie nicht. Es war jedoch der erste Ort, der ihr einfiel und an dem sie sich sicher fühlte.
Sie hatte Glück, dass nichts schief ging. Sie konnte zwar nach langem Üben apparieren, die Prüfung jedoch hatte sie noch nicht abgelegt. Sie nutzte den Desillusionierungszauber und lauschte, ob sich jemand im Haus befand. Sie ging langsam die Treppe hinunter und hörte immer noch nichts. Scheinbar war die Luft rein. Snape war nicht Zuhause und auch keine anderen Todesser. Vermutlich waren sie noch beschäftigt die Hochzeit zu zerstören. Ausgerechnet an Lucys Geburtstag. Sie wusste, dass sie nun Harry erstmal nicht mehr wiedersehen würde. Dabei hatte sie sich nicht mal von ihm verabschieden können. Die Welt, wie sie sie kannte, gab es nun nicht mehr. Was sollte sie nun tun? Wo sollte sie hin? Sollte sie einfach hierbleiben und abwarten oder war es doch zu gefährlich? Lucy ging wieder nach oben in ihr Zimmer und schloss sich ein. Sie verhielt sich ganz ruhig und ließ auch sämtliche Lichter aus. Sie wollte keine Aufmerksamkeit erregen. Lucy entdeckte einen Stapel Bücher auf ihrem Schreibtisch. Es waren die Schulbücher, die sie für das kommende Schuljahr brauchte. Scheinbar hatte Snape sie für sie besorgt. Lucy wunderte es. Dachte er wirklich, dass sie nach seinem Mord an Dumbledore, bei ihm bleiben würde? Schlussendlich freute es sie jedoch, da sie somit nicht in die Winkelgasse musste, in der es vor Todessern nur so wimmelte. Lucy spürte, wie sie sich langsam zurückverwandelte. Sie war nun nicht mehr das rothaarige Muggelmädchen, sondern die wunderschöne Lucy Potter. Sie öffnete ihren Schrank, um sich umzuziehen. Sie entdeckte, dass Snape ihr wohl auch einen neuen Schulumhang besorgt hatte. Lucy wusste nicht, was sie von ihm halten oder denken sollte. Plötzlich hörte sie die Tür ins Schloss fallen. Danach war es absolut still.
„Du bist da." sagte eine tiefe Stimme laut von unten. Es war Snape. Scheinbar wusste er, dass sie im Haus war. Lucy antwortete jedoch nichts, sondern hielt die Luft an und bewegte sich ganz leise. Sie hörte ihn die Treppe hochkommen. Da sie die Tür abgeschlossen hatte, würde er nur mit „Alohomora" hereinkommen. Er klopfte jedoch und trat nicht herein. Auch nicht mit Magie.
„Hör zu. Ich weiß, dass du sicherlich Angst vor mir hast. Ich wollte dir nur sagen, dass ich dir niemals etwas antun würde." sagte er. Lucy antwortete nicht. Sie wusste nicht was. Sie sah den Menschen vor sich, der sie großzog, von dem sie immer viel gehalten hatte und sah vor sich, wie er kaltblütig jemanden ermordete und offensichtlich ein Todesser war.
„Bitte.. vertrau mir einfach.." sagte Snape und Lucy hörte das erste Mal etwas wie Angst in seiner Stimme, die sonst eher monoton klang.
Lucy öffnete nicht die Tür, trat jedoch an sie heran und sagte „Du hast Albus Dumbledore ermordet und bist ein Todesser. Wie sollte ich dir jemals wieder vertrauen?!".
„Ich werde es dir erklären. Du wirst es irgendwann verstehen. Ich bin jedoch nicht auf der Seite des dunklen Lords.. alles, was ich tat, war im Interesse Dumbledores."
„Achja? Also wollte Dumbledore in jener Nacht sterben?"
„Ja."
„Das glaube ich dir nicht, Severus! Wieso sollte er das wollen?!"
„Öffne die Tür."
„Nein."
„Bitte."
„Wieso? Willst du mich dann auch umbringen?!"
„Ich würde dir nie etwas antun! Es ist traurig, dass du so etwas von mir denkst."
Lucy zögerte einen Moment und dachte nach. Wenn Snape sie umbringen wollen würde, hätte er 16 Jahre Zeit gehabt. Sie öffnete die Tür und stand direkt vor ihm. Das Gefühl, was sie hatte, als sie ihn sah war etwas zwischen Angst und Geborgenheit. Angst, da sie nicht mehr wusste, was sie von ihm halten sollte und Geborgenheit, da er wie ein Vater für sie all die Jahre war. Sie war hin- und hergerissen und hoffte, dass sie das jetzt nicht bereuen würde.
Plötzlich spürte sie etwas in ihrem Kopf. Snape versuchte ihre Gedanken zu lesen. Sie hatte jedoch erfolgreich Okklumentik bei ihm gelernt und konnte ihn deswegen ohne Probleme abblocken.
„Was sollte das?!" fragte sie empört und wollte die Tür wieder schließen. Snape jedoch hatte seinen Schuh davor, weshalb die Tür nicht zuging.
„Ich musste überprüfen, wie gut du deine Gedanken schützen kannst." sagte Snape und sah sogar ein klein wenig stolz aus.
„Wozu ist das nötig!?" fragte sie ihn.
„Damit ich dir erklären kann, was vorging."
„Ich bin ganz Ohr." sagte Lucy, verschränkte die Arme und sah ihn erwartungsvoll an.
„Ich bin auf Dumbledores Seite. Vertrau mir. Der dunkle Lord vertraut mir jedoch und dieses Vertrauen muss ich aufrecht erhalten, damit er besiegt werden kann. Ich nehme an, dein Bruder ist dabei seine Aufgabe zu erfüllen?"
Lucy nahm an, dass Snape von den Horkruxen wusste und nickte.
„Gut. Bitte verurteile mich nicht für mein Handeln. Mit dem Mord an deiner Mutter hat der dunkle Lord mich auf die Seite Dumbledores getrieben ohne sein Wissen. Das muss auch so bleiben, damit ich meine Rolle perfekt weiter spielen kann."
„Du bist also eine Art.. Doppelagent?" fragte Lucy.
Snape nickte.
„Ich habe jahrelang einen der größten und mächtigsten Zauberer getäuscht. Und damit meine ich nicht Dumbledore. Ich musste überprüfen, ob du immer noch so gut in Okklumentik bist, ehe ich es dir erklären konnt, falls der dunkle Lord in deine Gedanken eindringt. Und ich denke, das wird bald der Fall sein."
„Wie meinst du das?"
„Du bist nicht mehr sicher. Das Hauptaugenmerk liegt zwar auf deinem Bruder, doch deine Existenz wird der dunkle Lord nicht länger ignorieren. Er hat Interesse an deiner Magie und ist der Überzeugung, dass es einen Weg gibt, diese auf ihn zu übertragen. Somit bist du verwundbar und er nicht mehr."
„Und.. gibt es diesen Weg..?"
„Das ist ungewiss. Er wird dir jedoch nichts antun, solange die Magie in dir ist. Aber sei nicht zu selbstsicher. Körperlicher Schaden kann dir trotzdem zugefügt werden. Nur die Flüche prallen an dir ab."
Lucy sah sich ihren Ring an.
„Dieser Ring hier.. den hat mir Dumbledore vermacht. Er meinte, dass meine Magie dadurch stärker wird."
Snape nahm ihre Hand und sah sich den Ring genau an.
„Er hat ihn also tatsächlich gefunden.." sagte Snape leise zu sich. Lucy sah ihn erwartungsvoll an. Snape bemerkte ihren Blick.
„In diesem Stein schlummert alte Magie. Sie soll die alte Magie in deinem Körper verstärken, jedoch.."
„Jedoch was?"
„Jedoch kann es sein, dass die alte Magie dich wieder kontrollieren wird. Es wird nicht nur die Magie in deinem Körper verstärkt, sondern auch die Magie in deinem Ring, solange du ihn trägst. Du musst nur aufpassen, dass du diejenige bist, die an der Magie des Ringes zerrt und nicht andersherum. Ansonsten kann das fatale Folgen haben. Und ich spreche nicht von emotionalen Ausbrüchen, wie du sie in der Vergangenheit hattest.."
„Sondern...?" fragte Lucy vorsichtig.
„Sondern es kann sein, dass sowohl anderen als auch dir, körperlicher Schaden zugefügt wird. Trage diesen Ring bitte nur, wenn du wirklich diese zusätzliche Magie brauchst. Wir wissen schließlich noch nicht, ob du mit dem Ring im Einklang bist oder nicht."
„Gibt es nicht eine Möglichkeit die alte Magie loszuwerden? Ich möchte sie nicht mehr haben.. ich habe sie doch gerade erst kontrollieren können. Und nun kann es wieder gefährlich sein.. ich möchte nicht mehr." sagte Lucy verzweifelt.
„Ich weiß.. aber deine alte Magie ist die einzige, die die dunkle Magie abwehren kann. Du musst sie nur bewusst und gewissenhaft einsetzen können. Du und dein Bruder müssen zusammenarbeiten. Er zerstört die Horkruxe und du bekämpfst die dunkle Magie des dunklen Lords. Gemeinsam könnt ihr ihn töten."
Lucy wurde bewusst, welch eine Verantwortung sie und Harry hatten. Sie mussten Voldemort töten. Gemeinsam.
„Ich verstehe." sagte sie nur. Plötzlich hörte sie etwas von unten Miauen.
„Was war das?!" fragte Lucy nervös.
„Das... ist dein Geburtstagsgeschenk." sagte Snape und trat zur Seite, damit Lucy die Tür hinaus konnte. Sie ging nach unten und sah ein Kniesel. Er hatte braunes Fell und große schwarze Punkte. Seine Ohren waren groß und sein Schwanz ähnelte dem, eines Löwen. Die Augen waren strahlend grün, genau wie Lucys.
„Ist das ein Kniesel? Für.. mich?" fragte sie Snape glücklich.
„Er wird dich beschützen." sagte Snape. Lucy umarmte ihn.
„Danke." sagte sie zu ihm.
Der Kniesel ging freudestrahlend auf Lucy zu. Lucy hielt ihre Hand ihn und ließ sie beschnuppern. Der Kniesel miaute fröhlich und rieb sich an ihrer Hand. Sie streichelte ihn.
„Er scheint dich zu mögen und zu akzeptieren." sagte Snape.
„Ich nenne ihn Duncan." sagte Lucy stolz.
Sie hatte bereits von Kniesel in einem Lexikon gelesen. Kniesel waren katzenartige, sehr treue Wesen. Der Kniesel hatte die unheimliche Fähigkeit, verdächtige Gestalten aufzuspüren, und führte seinen Besitzer, sollte dieser sich verirrt haben, zuverlässig nach Hause zurück. Er war intelligent, eigenständig und gelegentlich angriffslustig.
Lucy war sich sicher, dass Duncan in der schweren Kriegszeit ein zuverlässiger Partner an ihrer Seite sein würde.

Und doch liebt sie ihnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt