Die Wahrheit

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Lucy verließ Snapes Büro und blieb einige Sekunden davor stehen. Sie spürte, dass Harry bald endlich in Hogwarts eintreffen würde und somit würde der Krieg und all das sinnlose Töten endlich ein Ende haben. Sie hoffte jedoch, dass er sie überhaupt noch sehen möchte und ihr vertraute. Dass sie ihn im Anwesen der Malfoys mit ihrer Anwesenheit überrumpelte, sah sie an seinem Blick. Doch sobald sie die Möglichkeit bekommen würde, es ihm zu erklären, würde er es vermutlich verstehen und ihr wieder vertrauen. Hoffte sie jedenfalls. Sie ging in ihr Zimmer, streichelte Duncan, der bereits schlief und schlief dann ebenfalls später ein.
Dass Lucy den vorherigen Schulsprecher ablöste und sie nun das Abzeichen trug, sorgte für Getuschel in den Gängen. Sie fühlte sich ein wenig unwohl. Die Mitschüler merkten natürlich, dass sie nicht ohne Grund den neuen Platz als Schulsprecherin einnahm. Lucy hoffte, dass niemand ihr dunkles Mal sehen würde und zog ihre Ärmel vom Umhang weiter herunter. Dass die Ärmel eigentlich lang genug waren, war ihr egal. Sie hatte trotzdem Angst, dass man irgendwas erkennen würde.
Hogwarts war recht leer im Vergleich zum letzten Jahr.
Die meisten Gryffindors, die noch aufgrund ihrer Abstammung in die Schule durften, hielten sich im Raum der Wünsche auf. Auch Hufflepuff und Ravenclaw waren relativ leer. Die meisten Schüler waren in Slytherin, was Lucy nicht überraschte.
„Was hast du gemacht, hm? Dass du die Ehre hast, die neue Schulsprecherin zu sein?" fragte Pansy sie höhnisch. Sie kam gerade Lucy im Gang entgegen und hatte natürlich bereits das Gerücht über sie mitbekommen.
Pansy trat an Lucy heran und betrachtete ihr Abzeichen am Umhang.
„Haben wir die Seite gewechselt?" fragte Pansy sie skeptisch.
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst." sagte Lucy und ging an Pansy vorbei.
„Aus welchem Grund sollte man DICH mitten im Schuljahr zur Schulsprecherin ernennen?!" fragte Pansy laut. Einige Schüler blieben stehen und beobachteten die beiden tuschelnd.
Lucy wollte Pansy eigentlich ignorieren, doch Pansy provozierte sie weiter.
„Ich finde schon noch heraus, wie du das geschafft hast. Dass die Schule von Du-Weißt-Schon-Wem kontrolliert wird, ist kein Geheimnis. Du musst eine Verbindung zu ihm haben. Keine Sorge, das bekomme ich schon noch heraus!" sagte Pansy.
Lucy drehte sich wieder zu Pansy um und ging auf sie zu.
„Halt einfach deine dämliche Klappe, Pansy Parkinson. Du bist nur eine kleine nutzlose Schülerin in dieser verdammt großen Schule. Niemanden interessiert deine Meinung. Wenn du nicht auffallen und bestraft werden willst, dann würde ich dir vorschlagen dich daraus zu halten!" sagte Lucy wütend und deutete auf ihr Schulsprecher-Abzeichen.
Pansy schluckte. Auffallen in einer Schule, welche von dunklen Magiern geleitet wurde, wollte sie scheinbar wirklich nicht. Sie sah Lucy verachtend an und ging weiter. Dass Lucy nun mehr Macht in Hogwarts hatte, genoss sie tatsächlich ein wenig. Fühlte es sich so an, auf der dunklen Seite zu stehen? Mächtig und erhaben? Ein wenig gruselte sie sich vor ihren eigenen Gedanken. Es war falsch so zu denken. Sie hatte eine Mission, nicht mehr und nicht weniger.
Lucy ließ in ihrem Zimmer seit Tagen durchgehend das Radio laufen. Den Untergrundsender „PotterWatch" konnte sie zum Glück empfangen. Das Radio hatte Snape ihr besorgt, als sie ihm von diesem Radiosender mitteilte. Nur durch Zufall erfuhr sie davon. Doch es war recht nützlich, sie konnte dadurch erfahren, was gerade auf der Welt geschah und wer gerade gestorben war. Jedes Mal hoffte sie, keinen Namen zu kennen. Bislang hatte sie Glück.
Die Passwörter zu dem Sender wechselten bei jeder Ausstrahlung. Lucy hörte achtsam zu.
Sie lag auf ihrem Bett, starrte die Decke an, lauschte dem Radio und kraulte Duncan dabei.
Am Abend lief sie jeden Tag die Gänge mit Duncan ab. Duncan kannte Harry zwar nicht, doch Lucy beschrieb ihren Bruder und wusste, dass Duncan den richtigen Harry sicherlich so oder so aufspüren würde. Doch jeden Abend wurde sie aufs Neue enttäuscht. Keine Spur von Harry. Die Carrows gingen natürlich davon aus, dass Lucy auf ihrer Seite war und daher durfte Lucy ab und zu, trotz Unterricht, durch das Schloss laufen und nach ihrem Bruder suchen. Doch weder sie, noch andere Schüler hörten oder sahen etwas von Harry.
Lucy war so auf ihre Suche nach ihrem Zwillingsbruder konzentriert, dass sie zu niemandem weiter Kontakt hatte. Was Draco wohl so machte? Oft starrte Lucy ihn im Unterricht verträumt an, wenn sie nicht gerade durchs Schloss mit Duncan lief. Draco sah sie jedoch nicht mehr an. Irgendwann reichte es Lucy und sie ging ihm nach dem Unterricht hinterher und zog ihn zur Seite.
„Was willst du?!" fragte Draco sie genervt.
„Anstatt mich zu ignorieren, könntest du mir bei der Suche helfen!" entgegnete sie ihm und drückte ihn fester an die Wand.
„Ich habe meine eigenen Probleme, Lucy!" sagte er und befreite sich aus ihrem Griff. Draco wollte weitergehen, Lucy hielt ihn jedoch am Arm fest. Lucy drückte doller zu, als sie eigentlich wollte. Draco sah wütend und erschrocken zugleich aus.
„Siehst du, was aus dir geworden ist?! Du bist genau so geworden, wie er dich haben will!" sagte er zu ihr. Lucys Griff lockerte sich, da sie mitbekam, dass sie Draco ziemlich doll festhielt.
„Draco... es.. tut mir leid. Ich möchte doch nur Harry finden!" sagte sie zu ihm.
„Interessiert es dich auch mal, was ich möchte?!" fragte er sie wütend.
Lucy erschrak und schwieg.
„Dachte ich es mir doch.." sagte Draco genervt und ging weiter.
„Draco, natürlich interessiert es mich, was du möchtest! Sag es mir! Bitte!" flehte sie ihn an und lief ihm weiter hinterher.
„Was soll das bringen, hm!? Du tust doch eh nur das, was du willst!"
„Willst du mir wieder ins Gesicht sagen, wie dumm und naiv ich bin?! Ist es das?!" fragte Lucy ihn wütend.
„Dann wäre zumindest einer von uns ehrlich." sagte Draco.
„Was soll das jetzt bitte wieder heißen?!"
„Ich frage mich, wem du jetzt noch etwas vorspielst. Du nutzt deine neu gewonnene Macht ziemlich gut aus in Hogwarts. Willst du überhaupt noch, dass es wie früher ist oder hast du dich umentschieden?!"
Lucy sah ihn überrascht an.
„Gib mir einfach die Chance es dir zu erklären, Draco! Bitte!"
„Dann bitte! Ich höre zu!"
„Nicht hier auf den Gängen.. können wir uns später treffen? Bitte?"
„Entweder jetzt oder gar nicht, Lucy!"
„Draco, wenn da drin noch irgendwo Gefühle für mich sind, dann gib mir die Chance, es dir in Ruhe zu erklären. Bitte, Dray." sagte Lucy leise zu ihm und blickte ihn mit ihren grünen Augen an. Ihre Hand lag auf seiner Brust und er sah ihr tief in die Augen.
Er schnaubte laut genervt aus.
„Na schön. Aber erkläre mir alles. Bis ins kleinste Detail!" willigte er ein.
„Danke, Draco." sagte Lucy und umarmte ihn.
Draco wirkte überrascht und ein wenig kühl, dann legte er jedoch seine Arme um Lucy und strich ihr über den Rücken.
„Komm heute Abend in mein Zimmer. Ich erkläre dir alles." sagte Lucy liebevoll zu ihm. Sie genoss die Nähe zu ihm. Es gab ihr Sicherheit.
Draco löste sich aus der Umarmung und sagte nur kühl: „Bis dann."
Am Abend wartete Lucy in ihrem Zimmer auf Draco und lief aufgeregt hin und her. Sie hatte das Radio wieder laufen, bis sie ein Klopfen hörte. Mithilfe ihres Zauberstabs stellte sie das Radio auf stumm und lief zur Tür. Sie öffnete die Tür einen Spalt und vergewisserte sich, dass es Draco war.
„Also? Ich höre?" sagte Draco, beim Eintreten.
Lucy setzte sich auf ihr Bett und klopfte mit ihrer Hand auf die linke freie Seite neben sich.
„Setz dich bitte zu mir." sagte sie. Draco ging auf sie zu und setzte sich neben Lucy aufs Bett.
Lucy stellte mithilfe ihres Zauberstabs das Radio wieder lauter.
„Was ist das?" fragte Draco sie skeptisch.
„PotterWatch. Jeden Tag hoffe ich auf Nachrichten von Harry." sagte sie seufzend.
„Ich verstehe dich nicht mehr, Lucy. Ich sehe dich an und weiß nicht mehr, welcher Teil meiner Lucy vor mir gerade sitzt."
„Es gibt nur einen Teil von mir. Den wahren Teil. Ich bin auf Harrys Seite. Das war ich schon immer und werde ich immer sein. Und ich weiß, dass du dir Sorgen um mich machst, weil ich mein Leben aufs Spiel setze aber ich muss ein Opfer bringen, um die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Ich begebe mich mit Absicht in die Gefahr, dass meine wahren Absichten aufgedeckt werden, das ist mir bewusst. Bitte vertrau mir einfach.. wenn du mich immer noch liebst." sagte sie zu Draco und nahm seine Hand.
Draco zog seine Hand zwar nicht zurück, sah sie jedoch immer noch skeptisch an.
„Ich hatte das Gefühl, dass du dich in deiner neu gewonnenen Macht verlierst." sagte er zu ihr.
„Für einen kurzen Moment, ja. Ich gebe ehrlich zu, dass es mir für einen kurzen Moment gefallen hat. Doch ich habe meine Mission und ich möchte, dass du mir vertraust." sagte Lucy zu ihm.
„Ich möchte alles von dir wissen, um dich richtig verstehen zu können."
Lucy dachte an Snape.
„Ich muss dir auch etwas gestehen. Da du der Okklumentik mächtig bist, sehe ich keinen Grund mehr, es dir zu verheimlichen. Severus Snape hat mich großgezogen." sagte sie zögerlich.
Dracos Augen wurden größer.
„W-was?!" fragte er nur.
Lucy nickte.
„Es ist wahr. Er ist mein Ziehvater und er hat mich hier reingeführt." sagte Lucy und zog ihren linken Ärmel ein wenig hoch, sodass das dunkle Mal durchblitzte.
„Warum sollte er das tun?!" fragte er sie.
„Weil er das gleich möchte, wie ich. Er möchte den dunklen Lord tot sehen. Er vertraut mir, meinem Denken und meiner alten Magie. Harry und ich sind gemeinsam in der Lage den dunklen Lord zu töten. Severus riet mir, das Spiel als Todesserin mitzuspielen. Wenn ich nah genug an den dunklen Lord rankäme, würde es uns leichter fallen, ihn auszuschalten. Ich habe dir bereits erklärt, dass ich nur auf der dunklen Seite bin, um ihn auszuspionieren und damit habe ich nicht gelogen! Er vertraut mir. Er hat mich zu Schulsprecherin ernannt. Er möchte Harry leiden sehen, wenn Harry mich hier in Hogwarts so sehen würde. Er nutzt mich als seine Augen und Ohren von Hogwarts, doch dass ich es nicht für ihn, sondern für Harry tue, ahnt er nicht. Ich habe Harrys Mission verraten, um deine Familie zu schützen. Ich bin die Gefahr eingegangen, dass Harry scheitert und dafür schäme ich mich zutiefst, doch dadurch habe ich mir sein Vertrauen erarbeiten und euch schützen können!" erklärte Lucy ihm ausführlich.
Draco wusste nicht, was er sagen sollte. Er sah Lucy völlig überrumpelt an.
„Daher bin ich Schulsprecherin geworden. Severus hatte es ihm vorgeschlagen. Da er Severus und seinem scharfen Denken vertraut, willigte er ein, mir die Macht über Hogwarts und dessen Schüler zu verleihen. Daher hatte Severus mir ein Kniesel geschenkt. Er hatte es von Anfang an für mich so geplant. Meine Aufgabe als Schulsprecherin ist es, Harry aufzuspüren, damit wir im rechten Moment zuschlagen können! Der dunkle Lord darf ihn jedoch nicht als erstes finden. Ich muss Harry alles erklären können, damit er mir auch wieder vertraut. Mich in eurem Anwesen zu sehen, war ein ziemlicher Schock für ihn. Nun weißt du alles. Ich habe dir die komplette Wahrheit über Lucy Potter erzählt." sagte Lucy zu Draco und sah ihn erwartungsvoll an.
Draco sah sie jedoch schweigend an. Er musste all das erstmal verarbeiten.
„Was war mit dem Trank? Das Rezept hast also nicht du verändert, sondern Professor Snape, richtig?"
„Richtig. Er und ich sind beides ,Doppelagenten'. Der dunkle Lord hatte meine Mutter getötet. Die Frau, die Severus schon immer geliebt hat. Bis heute. Seine Spionage für Dumbledore, als auch ich, sind seine Art sich an Voldemort zu rächen!" erklärte Lucy.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin jedenfalls froh, dass du so ehrlich zu mir bist." sagte er zu ihr und streichelte ihre Hand.
„Ich vertraue dir, Draco. Vertraust du mir jetzt auch?"
„Ich vertraue dir. Ich stehe hinter dir, egal was du tust. Ich hoffe euer Plan geht auf und all das hat endlich bald ein Ende.." sagte er.
„Das wird es." sagte Lucy zuversichtlich zu ihm.
Sie näherte sich ihm und küsste ihn. Ihr Bauch kribbelte und es fühlte sich an, wie früher. Sie wollte Draco auf keinen Fall verlieren. Sie vertraute ihm.

Und doch liebt sie ihnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt