Kapitel 1 - Alenia

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Ich stand an den Herd gelehnt, auf dem in dem Topf die Chilli con Carne vor sich hin köchelte. Mit meiner rechten Hand tippte ich mich durch die Stories meiner Freunde und Klassenkameraden auf Instagram. Ein paar kamen vom Urlaub nach Hause. Ich wäre in den Ferien auch gerne irgendwohin gefahren. Doch auch in diesen Ferien war ich, genau so wie die letzten Jahre, die ganzen sechs Wochen zu Hause geblieben. Immerhin hatte ich so die freie Zeit gut nutzen können, um mehr Schichten in dem Restaurant, in dem ich arbeitete, übernehmen zu können.

»Leni? Wann ist das Essen endlich fertig?«, quengelte mein kleinster Bruder Finn ungeduldig. Ich setzte gerade zu einer Antwort an, als er in den Topf fassen wollte. Meine freie Hand schnellte nach vorne und ich packte ihn am Handgelenk.

»Spinnst du? Das ist heiß!«, zischte ich. Protestierend wand sich Finn aus meinem Griff. Ich legte mein Handy neben den Herd und schob Finn zum Küchenschrank. »Richte schon mal Teller und Besteck für uns her. Wenn du damit fertig bist, können wir anfangen zu essen«, wies ich ihn nun in einem netteren Ton an. Sofort strahlte der kleine Junge wieder.

»Sechs Teller?«, fragte er eifrig. Ich schüttelte den Kopf.

»Mama und Papa arbeiten heute doch und kommen erst abends wieder. Nur wir beide, Leana und Milo essen jetzt etwas. Wir brauchen also vier Teller«, erklärte ich und s dah daraufhin in Finns enttäuschtes Gesicht.

»Aber heute ist doch der letzte Tag vor dem Kindergarten!«

»Ich weiß, aber heute Abend sind sie ja schon wieder da.«, Ich beließ es dabei und wandte mich wieder dem Essen zu. Mein Handy fing an zu vibrieren. Ein Gruppenanruf. Von Marielle und Alessa. Ich ging ran, klemmte das Handy zwischen Wange und Schulter, schaltete den Herd aus und rührte das Essen im Topf um. Meine beiden Freundinnen begrüßten mich.

»Hey, was ist?«, fragte ich.

»Hast du gerade Zeit?«, erwiderte Marielle. »Es gibt Neuigkeiten.«

»Dann erzählt mal«, ich hielt das Handy von meinem Gesicht weg und schrie nach meinen beiden anderen Geschwistern. »Milo, Leana, das Essen ist fertig! Kommt runter.«, Dann stellte ich mein Handy auf laut.

»Wir bekommen eine neue Mitschülerin«, erzählte danach Alessa mit einem seltsamen Unterton.

»Oh, echt?«, erwiderte ich überrascht. »Wisst ihr auch, wen?«, Währenddessen servierte ich das Essen auf dem Tisch, an dem Finn schon ungeduldig wartete. Ich schöpfte ihm eine mittelgroße Portion auf den Teller und befüllte danach meinen. Das Handy legte ich nun daneben auf den Tisch.

»Juna heißt sie. Sie wiederholt die Klasse. Das ist die, die immer gefärbte Haare hat und diese seltsamen Klamotten trägt.«, Alessa stöhnte nachdrücklich in den Hörer. Ich wusste sofort, wen sie meinte. Dieses Mädchen war mir schon öfters ins Auge gesprungen. Nicht unbedingt negativ, sie war einfach nur sehr auffällig, weil sie sich so stark von den anderen Schülerinnen unterschied. Man konnte sie eigentlich gar nicht übersehen. Obwohl ihr Äußeres darauf schließen ließ, dass sie selbstbewusst war und viel Raum einnahm, machte sie auf mich einen eher zurückhaltenden Eindruck. Die meiste Zeit sah ich sie entweder alleine oder zusammen mit einer Asiatin. Ich nahm an, die beiden waren befreundet.

Meine beiden anderen Geschwister setzten sich an den Tisch und bedienten sich am Essen, ohne mich auch nur kurz anzusehen. Ich seufzte. Immerhin schaufelte Finn das Essen fleißig in sich hinein und sah mich zufrieden an. Er war der einzige, der die Arbeit wertschätzte. Und eigentlich kochte ich auch immer nur wegen ihm. Ich selbst hätte mich auch mit irgendeinem Fertiggericht zufrieden gegeben und Leana und Milo konnten sich auch selbst etwas zum Essen machen. Sie brauchten mich nicht als Köchin.

Wenn wir uns sehen könnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt