Kapitel 28 - Alenia

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»Was gibt es denn so wichtiges?«, fragte ich genervt. »Ich wollte vor der Arbeit eigentlich noch schnell duschen gehen.«

Leana und Milo standen mit verschränkten Armen an die Küchenzeile gelehnt. Finn löffelte seinen Joghurt gierig aus.

Unsere Eltern setzten sich an den Küchentisch. Abwartend sah ich sie an.

»Ich habe ein neues Jobangebot. Nächsten Monat fange ich dort an. Die Bezahlung ist besser und ich habe weniger Stunden«, erklärte meine Mutter.

»Das sind tolle Neuigkeiten, kommentierte ich lächelnd und meine Laune verbesserte sich schlagartig.

Finn sah meine Mutter mit leuchtenden Augen an. »Also bist du dann mehr zu Hause?«, fragte er. Meine Mutter nickte. Er stieß einen Jubelschrei aus und rannte zu ihr. Dann umarmte er sie ganz fest. Meine Mutter tätschelte ihn unbeholfen auf den Rücken.

»War's das?«, fragte Leana gelangweilt.

»Wenn es euch nicht weiter interessiert, ja.«

»Gut, dann können wir ja jetzt gehen.«

Nein, sie sollten jetzt noch nicht gehen. Das war eine gute Gelegenheit, von Juna zu erzählen. Wir waren jetzt schon seit fast einem Monat zusammen und sie wussten es immer noch nicht. Und ich konnte auch nicht einschätzen, wie sie darauf reagieren könnten. Aber das fand ich jetzt wohl heraus.

»Nein, ich muss euch noch was sagen«, sagte ich also hastig, denn Leana war schon fast aus dem Raum verschwunden.

»Was?«, fragte sie genervt.

»Ich habe eine Freundin«, sagte ich gerade heraus.

»Ich auch. Mehrere sogar!«, sagte Finn verwirrt. Leana und Milo sahen mich dagegen entsetzt an. Das tat weh. Ihre Blicke bohrten sich wie Messerstiche in meinen Körper. Ich traute mich nicht, zu meinen Eltern zu schauen.

»Ich meine eine feste Freundin. So wie Leana Patricks feste Freundin ist«, erklärte ich trotzdem.

»Oh, achso. Aber du bist doch kein Junge?«, fragte Finn verwirrt.

»Genau. Ist sie nicht. Und das ist auch überhaupt nicht gut, dass zwei Mädchen miteinander schlafen.«

Nun war ich es, die Leana fassungslos anschaute.

»Nein, Finn. Das ist Liebe, egal ob zwischen einem Mädchen und einem Jungen, oder zwischen zwei Jungs oder eben zwischen zwei Mädchen. Oder auch zwischen drei Personen und anderen Kombinationen. Alles ist in Ordnung.«

Dankbar sah ich Milo an. Anscheinend hatte er den Schock überstanden. Ich umarmte ihn fest. So fest, wie Finn es gerade eben noch bei unserer Mutter getan hatte. Eine Träne vor Erleichterung kullerte mir die Wange hinunter. Ich hatte ihn lange nicht mehr umarmt. Es hatte mir gefehlt. So schwer es mir auch fiel, trotzdem löste ich mich von ihm. Ich musste zu meinen Eltern schauen, das wusste ich. Aber ich wusste nicht, was mich in deren Gesichtern erwartete. Sie konnten auf jede erdenkliche Art reagieren, die es gab. Zumindest auf die meisten. Sich darüber freuen, mich dafür hassen, es konnte ihnen egal sein, sie könnten mit Vorwürfen reagieren. Mich dafür verurteilen. Und so weiter. und ich konnte es einfach nicht einschätzen, wie ihre Einstellung dazu war. Wir hatten nie über solche Themen gesprochen. Allgemein hatten wir in letzter Zeit überhaupt wenig miteinander gesprochen. Milo legte seinen Arm um mich. Es war ungewohnt. Viel zu ungewohnt dafür, dass wir eigentlich Geschwister waren.

»Die ist jetzt also echt lesbisch.« Leana verließ kopfschüttelnd den Raum. Wahrscheinlich würde sie gleich ihre Freundinnen anrufen und ihr diese brennenden Nachrichten erzählen. Und über mich ablästern. Aber sollte sie doch. Es war mir egal, was ihre Freundinnen über mich dachten. Ich mochte sie sowieso nicht. Ich schluckte. Sie ähnelten Alessa. Und ich hatte es die ganze Zeit über nie bemerkt. Wie konnte ich es Leana dann also übel nehmen, dass sie auch an solche Freundinnen geraten war? Eigentlich gar nicht.

Wenn wir uns sehen könnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt