Ich sah Fabio ins Gesicht. Nummer eins, die ich heute erledigen musste. Dann durfte ich Juna zur Therapie begleiten. Und dann das Gespräch mit Marielle und Alessa, das mir bis jetzt die größten Bauchschmerzen bereitete.
»Also, was ist los?«, fragte mich Fabio. Ich rückte meinen Schal wieder zu Recht. Gemeinsam liefen wir durch den fast verlassenen Park in der Eiseskälte. Ich war eindeutig ein Sommermensch. Da musste ich nicht frieren und ich konnte schönere Klamotten tragen. Ich vermisste den Sommer. Warum musste er auch immer so schnell vorbei gehen?
»Ehrlich gesagt beschäftigt mich in letzter Zeit ein Thema ziemlich sehr. Sollen wir uns da auf die Bank setzen?« Ich nickte auf eine Holzbank. Wir setzten uns dort hin. Nervös faltete ich meine Hände zusammen.
»Also, um was geht es?«
Beschämt sah ich auf meine Hände. »Ich bin mir unsicher, was das zwischen uns ist. Wir haben nie darüber geredet.«
»Was willst du denn, was zwischen uns ist?«
Ich musste nicht lange darüber nachdenken. Seitdem ich mich dazu entschlossen habe, dieses Gespräch mit ihm zu führen, dachte ich ständig darüber nach.
»Eine Freundschaft. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Dann sind wir zwei ganz normale Freunde.«
Überrascht sah ich ihn an. »Also ist das für dich in Ordnung?«
»Natürlich. Ich denke auch, dass es so besser ist. Und außerdem will ich für Juna kein Konkurrent sein.« Er zwinkerte mir zu. Ich zog die Augenbrauen hoch.
»Wie meinst du denn das?«
»Na ich sehe doch, wie ihr euch immer anschaut.«
»Wie Freundinnen.«
Er grinste. »Ja, rede dir das nur weiter ein. Ich habe auf jeden Fall nichts gegen LGBTQ+, falls du dich das in den nächsten Tagen mal fragen solltest. Und ich mag Juna. Also passt alles.«
»Spinner.« Ein schwerer Stein fiel von meinen Schultern und ich konnte erleichtert wieder einatmen.
Wir unterhielten uns noch für einige Zeit, bis ich dann schon langsam zu Juna losgehen musste.
»Also ich muss jetzt Juna abholen. Danke. Danke für alles.«
»Aber gerne doch.«
Ich lächelte und umarmte ihn aus Dankbarkeit. Dann gingen wir in zwei verschiedene Richtungen.
Ich hatte mich mit Juna vor einem Café verabredet. Als ich dort ankam, erkannte ich sie auch schon. Sie hatte etwas anderes als heute in der Schule an. Aber es war mindestens genauso schön.
»Hey«, begrüßte ich sie. Sie erwiderte es. Und dann liefen wir los.
»Auf einer Skala von eins bis zehn. Wie aufgeregt bist du?«
»200?«, Juna sah mich total fertig an. Ich wollte ihr unbedingt die Angst nehmen.
»Oh je, du schaffst das. Du bist nicht schwach, weil du jetzt dort hin gehst. Du bist stark, weil du dir die Hilfe holst, die du brauchst. Viele scheitern schon an diesem Schritt. Du bist das stärkste Mädchen, das ich kenne. Und das tollste.«
»Oh Alenia, mit so vielen Komplimenten kann ich doch gar nicht umgehen.«
»Ich sage nur die Wahrheit.«
»Danke. Wirklich danke, Alenia.«
Die selben Worte, die ich zu Fabio gesagt hatte. Heute war ein guter Tag.
Als wir vor dem Gebäude der Psychotherapeutin, zu der Juna gehen würde, ankamen, standen wir nicht einmal für zwei Sekunden und schon umarmte mich Juna fest. Ich schlang meine Arme um sie. Wir lösten uns lange Zeit nicht voneinander. Ich fühlte mich nicht unwohl, musste aber wieder an den Kuss vor ein paar Wochen denken. Ich konzentrierte mich auf das hier und jetzt, um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen. Ich spürte Junas schnellen Atem. Ihre Haare kitzelten meine Wange. Und ihre Berührungen hinterließen eine Gänsehaut an meinen Armen.
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Wenn wir uns sehen können
Teen FictionAlenia und Juna leben in komplett unterschiedlichen Welten. Alenia ist eine beliebte Schülerin, die gerne shoppen geht und viel Zeit mit ihrem Freundeskreis verbringt. Sie hat ein Faible für teure Designerkleidung und ist immer auf der Suche nach de...