Kapitel 21 - Juna

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Ich öffnete die Tür. Feline stand davor. Nicht Alenia. Natürlich nicht. Sie ließ sich Zeit. Maila war schon seit einer halben Stunde da. Ich musterte Feline. Ich mochte das, was sie heute an hatte. Eine kurze, an den Rändern ausgefranste, Hose und ein neongelbes Top, das nur einen Träger hatte.

»Hey, schön dass du da bist«, meinte ich schließlich und lächelte.

»Na, kann es gleich losgehen oder müssen wir noch warten?«

Maila tauchte hinter mir auf.

»Alenia fehlt noch«, meinte sie.

»Okay, dann komme ich noch schnell rein.« Feline steckte ihren Autoschlüssel ein, zog die Schuhe aus und wir gingen in das Wohnzimmer. Wir unterhielten uns ein wenig, bis es wieder klingelte. Mein Herz fing schneller an zu klopfen und ich ging direkt zur Tür und öffnete sie. Maila und Feline kamen mir langsam hinterher. Mir stockte der Atem, als ich Alenia erblickte. In der Schule hatten wir die letzte Woche kaum etwas geredet. Und selbst während Mathe, hatte sie mich kaum beachtet. Mit Alessa und Marielle verbrachte sie dagegen umso mehr Zeit. Aber nun stand sie hier. Sie war tatsächlich gekommen, um mit uns meine 10k Follower zu feiern. Und sie hatte sich hübsch gemacht. Noch hübscher, als sie es sowieso war. Ihre Haare steckten in einem Dutt, aus dem zwei Strähnen ihr ins Gesicht fielen. Dann das bauchfreie Top. Die Jeansjacke. Der Lederrock. Die feine Netzstrumphose. Die Handtasche. Die Schuhe. Die dezente Schminke. Sie sah einfach umwerfend aus. Würde ich sie nicht kennen und sie so beim Feiern sehen, ich hätte nur Augen für sie. Ich biss mir auf die Lippe. Und sie würde mich nicht einmal wahrnehmen.

»Alenia. Wir fahren gleich los. Kommt, alle anziehen. Dann kann es endlich losgehen. Juna muss gefeiert werden!«, sagte Feline schließlich, als weder ich noch Alenia etwas gemacht hatten, außer uns gegenseitig mit großen Augen anzustarren. Ich war Feline dankbar dafür, dass sie uns aus dieser Situation brachte und zog mir schnell meine Schuhe an. Dann gingen wir zu Felines Auto. Ich kontrolliert noch einmal, ob die Haustüre auch wirklich zu war und ich den Schlüssel sicher bei mir hatte, dann stieg auch ich in das Auto auf die Rückbank neben Maila. Uund Feline fuhr los.

Eine Viertelstunde später betraten wir den Club, den wir uns für den Abend ausgesucht hatten. Es war schon relativ voll. Die Musik dröhnte laut in meinen Ohren. Die Stimmung war ausgelassen.

»Komm, wir tanzen«, sagte Feline und zog mich auf die Tanzfläche. Die anderen folgten uns. Unsere Bewegungen waren ausgelassen. Die Anspannung fiel langsam von mir ab. Doch ich konnte meine Augen nicht von Alenia lassen. Ihre Bewegungen waren so gut. Sie hatte ein wahnsinniges Körpergefühl.

Nach ein paar Liedern gingen wir an die Bar und bestellten uns je einen Cocktail. Nur Feline einen alkoholfreien, da sie später noch Auto fahren musste. Wir drängten uns zu viert an den Tisch und versuchten bei unserem Gespräch gegen die Lautstärke anzukommen. Schließlich gingen Feline und Alenia zusammen auf die Toilette. Ich blieb mit Maila am Tisch.

»Na, wie gefällt dir deine Party bis jetzt?«, fragte sie und nahm einen Schluck.

»Ist ja nicht meine Party. Aber mir gefällt es. Und gefällt es meinen »Gästen«, auch gut?«, Ich lehnte mich an die Wand, die keine paar Zentimeter vom Tisch entfernt war.

»Natürlich. Ich mag unsere Truppe auch echt gerne.«

»Ich auch«, sagte ich schwermütig. Und Alenia mochte ich mehr als mir lieb war. Das war nicht gut. Das war überhaupt nicht gut. Dabei hatte sie mich doch von allen am schlechtesten behandelt. Wie konnte ich mich da so von ihr hinzugezogen fühlen?

»Können wir auch schnell noch auf die Toilette gehen? Ich muss doch auch. Und alleine will ich dich hier nicht stehen lassen. Unsere Getränke sind sowieso leer. Darauf muss niemand aufpassen.« Maila sah mich fragend an.

»Klar.« Wir gingen zusammen los in die Toilette. Schon als ich die Tür leicht aufmachte, hörte ich Alenias vertraute Stimme.

»Ich weiß doch selbst nicht, warum sich der Sex mit Fabio für mich nicht so gut angefühlt hatte. Ich wollte doch nur ... »

Ich biss mir auf die Lippe. Fest. Viel zu fest. Ich schmeckte leichten Eisengeschmack.

»Oh, hallo Juna und Maila«, unterbrach Feline Alenia hektisch. Ich lächelte schief. Maila ging sofort in eine der freien Toiletten. Mein Magen zog sich zusammen. Oder war es mein Herz? Die kleine Größe des Raums wurde mir deutlich bewusst. Ich fühlte mich eingeengt.

»Ich warte draußen, Maila«, brachte ich gerade noch heraus, dann verließ ich den Raum wieder so schnell wie möglich. Im Gang lehnte ich mich an die Wand.

Ich hatte nicht viel mitbekommen, aber das, was ich mitbekommen hatte, reichte mir. Alenia hatte mit Fabio geschlafen. Wahrscheinlich noch an dem Tag, an dem wir von Frankfurt zurück gekommen waren. Ich erinnerte mich an Alenias Story an dem Tag. Es war ein Selfie zusammen mit Fabio. Noch an dem selben Abend. Und sie hatte nicht mehr das angehabt, das sie im Zug angehabt hatte. Da war sie im lockeren Look gewesen - ungeschminkt. Dazu eine Jogginghose und ein einfaches Top. Auf dem Bild allerdings war sie geschminkt und hatte ein anderes Top an. Ein viel auffälligeres. Ich biss mir auf die Lippe. Ich hatte nicht gesehen, was sie sonst noch anhatte. Die Hose, die sie im Zug anhatte, war es aber wohl wahrscheinlich nicht.

Ich wollte nicht daran denken, wie Fabio und Alenia ... Nein! Das tat viel zu sehr weh. Warum hatte sie das nur gemacht? Und dann auch noch an dem Tag, an dem wir uns geküsst hatten. Warum tat es nur so sehr weh? Warum konnte mir Alenia nicht einfach egal sein? Eine leise Träne rollte meine Wange herunter und ich kontrollierte, ob ich meinen Schlüssel noch dabei hatte. Hatte ich. Und hatte ich die Haustüre auch wirklich zugemacht? Ich war mir nicht mehr sicher. Mein Handy. Wo war mein Handy? Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich tastete mich ab. Es war in meiner Hosentasche. Ich drückte meine Hände gegen die Wand. Ich wollte hier nicht länger sein. Ich wollte nach Hause. Ich wollte Alenia vergessen. Nein, das wollte ich nicht. Und das war das Problem. Ich war ein Experiment gewesen. Nicht mehr, nicht weniger. Wie konnte ich mir auch nur einbilden, dass Alenia das etwas bedeutet hatte? Dass es ihr auch so gut wie mir gefallen hatte? Wie konnte ich nur davon ausgehen? Es war doch klar, dass es nicht so war. Wieder rollte eine Träne über meine Wange. Frustriert wischte ich sie weg. Für Alenia war ich nur eine Nachhilfeschülerin. Doch für mich .... ich ... ich hatte mich in sie verliebt. Es gab gar keine Möglichkeit, in der das gut ausgehen konnte. Es war zum Scheitern verurteilt. Es gab keinen Ausweg, mit dem ich glücklich sein konnte und der Alenia gefiel. Das war nicht möglich. Weitere Tränen bedeckten meine Wangen.

Die Tür zu den Toiletten öffnete sich. Feline kam heraus. Nur Feline. Die anderen waren noch immer drinnen. Was machten sie dort nur so lange? Feline näherte sich mir, ging auf Augenhöhe und umarmte mich schweigend.

»Alenia muss erstmal damit klar kommen, aber ich bin mir sicher, dass sie es mochte«, sagte sie schnell, als auch die anderen beiden aus der Toilette kamen. Ich strich mir ein letztes Mal die Tränen weg. Und stand auf. Feline tat es mir gleich. Schweigend folgte ich den anderen zurück zu unserem Tisch, der tatsächlich noch frei war. Alenia wich meinem Blick aus. Warum? Weil sie mit Fabio geschlafen hatte? Jetzt musste sie auch kein schlechtes Gewissen vortäuschen. Es war ihre Entscheidung gewesen. Und außerdem war sie mir nichts schuldig. Außer vielleicht, dass sie mir einfach ins Gesicht sagen sollte, dass der Kuss ein Fehler war. Aber nein, sie tat lieber so, als wäre er gar nicht erst passiert. Also gab es auch keinen Fehler und so konnte sie den Anschein ihres ach so perfekten Ichs waren. Damit genügte es dann wohl auch, meinem Blick auszuweichen. Warum war sie dann überhaupt erst mit gekommen?

Auch den Rest vom Abend, sprachen Alenia und ich nicht wirklich miteinander. Erst recht nicht über das, was zwischen uns passiert war. Es war zum Verzweifeln. Aber, wenn man das ignorierte, war der Abend eigentlich trotzdem recht schön. Ich war froh, durch Alenia zumindest Feline kennengelernt zu haben. Es hatte also auch seine positiven Seiten. Und wenn es positive gab, gab es auch immer negative. Damit musste ich mich abfinden. 

Wenn wir uns sehen könnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt