XII. Weckruf

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„AUFSTEHEN! HOPP HOPP!"

Unsanft werde ich aus meinem Alptraum gerissen. Gerade noch in einer Welt gefangen, in der ich verfolgt werde, lande ich in der knallharten Realität, in der eine süffisant grinsende Tanji vor dem Bett steht. Da ziehe ich die Bilder meines Unterbewusstseins eindeutig vor.

„Scheiße, bist du bescheuert?", grummle ich erbost, meine Finger über die Augen haltend, um sie vor dem bisschen Sonnenlicht abzuschirmen, welches nicht von Tetsurou abgehalten wird.

„Heute ist so ein schöner Tag, sieh dir nur den blauen Himmel an", flötet meine beste Freundin und deutet mit einer überschwänglichen Geste hinaus.

Tetsurou neben mir beginnt ebenfalls zu maulen. Sein Protest erstickt im Kissen, welches sein Gesicht versteckt.

„Alter, Tanji! Wie viel Uhr ist es?" Nachdem meine Stimme noch nicht auf ihren Dienst eingestellt ist, bricht sie immer wieder.

Kenma, der am Türrahmen lehnt und die Szene beobachtet, lächelt minimal ehe er antwortet: „Es ist acht Uhr früh. Warum ist Kuroo hier?"

Der Kapitän linst unter dem Kissen hervor. Ich kann ihm ansehen, dass er genauso gerädert ist, wie ich. Dunkle Schatten betonen seine hellen Augen, aber er hat ein kleines Grinsen auf dem Gesicht.

„Nanabe und ich haben Schluss gemacht", lässt er unsere beiden Freunde wissen.

„Echt jetzt? Wann? Wie?", löchert unser persönlicher Racheengel bereits darauf los und setzt sich ans Fußende, nachdem sie auch noch das Fenster weit aufgerissen hat. Auch sie kann, ähnlich wie ich einen Abend zuvor, ihre Begeisterung über diesen neuen Umstand kaum verstecken.

„Kann ich das beim Frühstück erzählen?", bettelt mein Bettnachbar und versteckt sich wieder hinter dem Feder-Viereck.

„Nein, bitte! Ich sterbe vor Neugier! Wie hat sie es aufgenommen?", blubbert einfach weiter aus ihr heraus, während sie aufgeregt am Fußende auf und ab hüpft.

Keine Ahnung, ob es mein genervter, oder Kuroos erschöpfter Blick ist, der Kenma auf dem Plan befördert, aber mit einem minimalen Schmunzeln in der Stimme sagt er: „Komm, wir machen Frühstück, Tanji." Wie es wohl auch in der Hundeerziehung gang und gäbe ist, stößt er sich vom Türrahmen ab und macht Anstalten, einfach zu gehen. Das ist erstaunlich effektiv. Tanji seufzt zwar nochmal gespielt entrüstet, entschließt sich aber dann, uns doch eine kleine Aufwach-Phase zu gönnen.

„Wehe, ihr schlaft noch mal ein!", droht sie uns, bevor sie mein Zimmer verlässt.

„Tür zu!", brülle ich ihr noch hinterher. Das schadenfrohe Lachen, welches darauf hin folgt, weist mich darauf hin, dass sie meinem Wunsch nicht nachkommen wird.

„Verdammte Scheiße", fluche ich und schwinge mich aus dem Bett. Barfüßig tapse ich auf den Einlass zu meiner persönlichen Hölle zu, um sie zu schließen und abzusperren. Ich möchte sicher sein vor dieser Furie.

Tetsurou regt sich nicht. Ich glaube schon, dass er in den wenigen Sekunden wieder eingeschlafen ist, als er das Kissen anhebt.

„Kommst du noch mal?" Seine Stimme klingt verschlafen und irgendwie sexy.

Seiner Bitte komme ich nur zu gerne nach. Der seichte Wind, der durch das Zimmer weht, lässt mich erschaudern.

„Du weißt, dass das ihre Rache für gestern Nacht war, oder?", beginne ich das Gespräch, nachdem ich meine kalten Füße an Tetsurous Beine presse.

„Sie ist wirklich nachtragend", seufzt er. Vorsichtig streicht er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Wie gut, dass er mich in diesem zerzausten Zustand schon kennt. Jeder andere Mann wäre entweder schreiend oder lachend davongelaufen. Für ihn ist es jedoch ein ganz normaler Morgen. Er kennt mich in dieser Verfassung schon.

„Gestern Nacht ist also wirklich passiert", murmelt er leise. Beinahe fragend. Unsicher beobachte ich seine Mimik. Sind das Zweifel? Nein. Er hat sich dafür entschieden. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

Kurz schmiege ich mich in seine große Handfläche, die an meiner Wange ruht, bevor ich ihm einen Kuss auf die Innenseite seines Gelenks drücke.

Mit großen Augen, in denen ich Verblüffung sehe, starrt er mich an.

„Wow", keucht er zaghaft, ein zarter rosa Schleier überzieht sein Gesicht. „Wie lange es wohl dauert, bis ich mich daran gewöhnt habe ..."

Er ist zu süß. Zum Dahinschmelzen. Wie er mich ansieht. Zurückhaltend, beinah schüchtern. So habe ich ihn noch nie erlebt. Doch, dass, was ich in ihm auslöse, macht er umgekehrt auch bei mir. Unter seinem Blick spüre auch ich die Farbe in meinen Wangen. Ein Dauerzustand nach letzter Nacht.

„Lass uns runtergehen, bevor Tanji noch komplett die Geduld verliert", versuche ich diese neue Art der Schüchternheit zu überspielen.

Tetsurou nickt. Er zieht seine Hand zurück, schwingt sich über die Kante und gähnt ausgiebig. Als er aufsteht, um sich anzukleiden, gibt mir das Zeit einmal mehr seine muskulösen Beine zu begutachten. Wie gebannt beobachte ich seine Sehnen und Bänder, die sich unter seiner Haut dehnen. Seine Boxer-Short lässt wenig Spielraum für Vorstellungskraft. Mein Blick bleibt an seinem trainierten Hintern hängen, wandert irgendwann an seinem muskulösen Bauch nach oben und bleibt bei seinen kraftvollen, aber dennoch grazilen Fingern hängen. Sexy. Einfach sexy.

„Willst du dich nicht umziehen?", erkundigt sich das Objekt meiner Begierde und wirft mir einen Blick über die Schulter zu.

Ertappt sehe ich ihn an. Ihm ist ganz genau bewusst, was ich gerade so ausgiebig begutachtet habe. Ich warte schon auf einen Spruch, den er mir bestimmt auf meine Kosten drücken wird, doch er spart ihn sich und grinst angesichts meiner Dreistigkeit.

Bevor er es sich jedoch anders überlegen kann und mich doch noch aufzieht, springe ich auf, greife nach meinem BH und wende ihm den Rücken zu. Eilig zwänge ich meine Brüste in ihr Gefängnis und versuche den peinlichen Moment einfach zu überspielen.

Als ich mich ihm wieder zuwende, steckt er in seinem Trainingsanzug, locker angelehnt an meinem Schreibtisch, die Arme verschränkt.

„Wie viel wollen wir den Beiden jetzt gleich erzählen?" Die Frage des Volleyballers trifft mich unvorbereitet, obwohl wir vergangene Nacht darüber gesprochen hatten. Wie sollen wir einem anderen Menschen beschreiben, was wir haben, wenn wir es selbst noch nicht genau wissen? Es gibt keine Beschreibung für diese merkwürdige Zwischenform, die unsere Beziehung eingenommen hat.

Ehrlich antworte ich ihm genau das: „Ich weiß es nicht."

Nachdenklich löst er den Knoten in seinen Armen und gibt gleichzeitig seine verteidigende Haltung auf. Das ermutigt mich, ein paar wenige Schritte zu machen und vor ihm zum Stehen zu kommen. Ich sehe ihn an. Standhaft hält er meinen Blick aus. Einer Eingebung nach schlinge ich meine Arme um seinen Bauch und lege mein Ohr an seine Brust. Schnell, aber gleichmäßig pocht Tetsurous Herz.

„Lass uns bei der Wahrheit bleiben. Tanji weiß ohnehin schon Bescheid, also sollte es Kozume ebenfalls erfahren", nuschle ich an dem roten Stoff der Trainingsjacke. Tetsurou zieht mich fester an sich und bestätigt mir somit, dass es die richtige Entscheidung ist. Für einen kurzen Augenblick hatte er verlegen und unsicher gewirkt, doch jetzt strotzt er wieder vor Selbstvertrauen, was auch mich mit Zuversicht erfüllt.

„Wir stehen das gemeinsam durch", mit diesen Worten strafft der Schwarzhaarige seine Schultern, drückt mir einen Kuss auf die Stirn und zieht mich an der Hand aus dem Zimmer. Auf meine Lippen legt sich ein verliebtes Lächeln. Es ist mir unmöglich meine Gefühle zu verbergen, die ich seit einiger Zeit unter Selbstschutz und Zweifel vergraben hatte.

Kuroomanie (Kuroo x OC) | Haikyuu Fanfiction | LaufendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt