III. Provokation

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Es klopft eindringlich an der Zimmertür. Die Stimme auf der anderen Seite ist kaum zu verstehen über den Lärm des Basses.
Ich sehe, wie sich die Klinke nach unten bewegt. Mein Herzschlag stoppt, panisch weiten sich meine Augen. Innerlich bereite ich mich bereits auf die peinlichste Situation meines Lebens vor, da legt sich Tetsurous Hand über meinen Mund. Er bedeutet mir keinen Laut von mir zu geben.

Der Griff senkt sich, die Tür selbst bleibt jedoch verschlossen. Unser Geheimnis ist fürs erste also in Sicherheit. Der Störenfried versucht es noch ein paar weitere Male, als er erkennt, dass es sinnlos ist, hören wir ihn zurück in Richtung Party schreiten. Erleichtert seufze ich.

Tetsurou löst unsere innige Verschmelzung und setzt mich behutsam ab.

Es fühlt sich an, als ob ich über ein Wasserbett gehe. Unsicher lehne ich mich an das Weiß hinter mir, ich befürchte, dass mir meine Beine den Dienst verweigern.

Mein bester Freund verknotet das Gummi. Unentschlossen hält er es zwischen Zeigefinger und Daumen.

„Wir können das auf keinen Fall in meinem Müll entsorgen, wenn meine Mutter das findet bin ich tot", sage ich. Das Kopfkino – die Reaktion meiner Mutter auf die Erkenntnis, dass ihre Tochter sexuell aktiv ist -  jagt mir Schauer über den Rücken.

„Hast du ein Taschentuch? Dann spül ich es die Toilette runter."

Nickend drücke ich mich von der Wand ab und taumle auf mein Nachtkästchen zu. Meine Lampe blitzt kurz auf, ehe wir in spärliches Licht getaucht werden.

„Scheiße", fluche ich leise, als ich die Verpackungen nirgends entdecken kann. „Sonst hab' ich hier immer welche rumliegen..."

Ich werde in meiner Schimpftirade unterbrochen. Erneut klopft es. Irgendwas scheint ja super dringend zu sein. Tetsurou und ich wechseln einen vielsagenden Blick.

„Gib mir eine Sekunde, ok?"

Zustimmend wendet er sich ab, um seine Jeans anzuziehen. Suchend blicke ich mich nach meinem Slip um. Keine Spur. Schulterzuckend schwanke ich auf meinen Kleiderschrank zu und fische eine weitere Spitze aus der Schublade.

Das Hämmern nimmt zu. Ungeduldig. Genervt seufze ich. Ich werfe einen letzten Blick über die Schulter, Tetsurou hat bereits wieder seine Hose angezogen, bevor ich den Schlüssel umdrehe und die Tür einen Spalt öffne.

„Na endlich!" Meine Mutter.

Entsetzt schiebe ich mich zu ihr auf den Flur, bevor sie mit ihren Augen etwas zu sehen bekommt, was eindeutig nicht für sie bestimmt ist.

„Geht's dir gut? Warum hat das so lange gedauert?"

„Mir war etwas schlecht", lüge ich. „Ich hatte mich kurz hingelegt."

„Kein Wunder, so viel wie du schon getrunken hast. Ich soll dir ausrichten, dass Tanji und Kenma gegangen sind."

Tanji ist meine beste Freundin. Seit ich denken kann, steht sie auf den Zuspieler der Nekoma. Sie hat die Gelegenheit also am Schopf gepackt.

„Ok, danke Mama."

„Kommst du? Deine Gäste vermissen dich schon." Eindringlich mustert sie mich.

„Geh schon Mal vor, ich komme gleich." Beschwichtigend lächle ich ihr zu und warte, bis sie um die Ecke verschwunden ist.

Tief durchatmend wende ich mich wieder Tetsurou und unserem Problem zu. Dieser sitzt auf meinem Bett und betrachtet mich nachdenklich beim Eintreten.

„So, zurück zu unserer kleinen Sache."

„Ich habe mich schon darum gekümmert."

„Was? Wie?" Verständnislos verschränke ich die Arme.

„Fenster auf, Gummi lauf."

Entsetzt sehe ich von ihm zum Fenster. „Was?"

Er grinst. „Lass das Kondom werfen, dann sparen wir uns Nerven."

„WAS?", wiederhole ich lauter, ungläubig stürme ich zum besagten Tatort. Keine Spur von dem Beweismittel. „Ich hoffe, das war nur ein schlechter Witz?" Um meine eigene Achse drehend, stehe ich einem, selbstbewusst grinsenden, Tetsurou gegenüber.

„Glaubst du wirklich, das war ein Witz? Dann hast du nicht viel Grips!"

„Lass diese bescheuerten Reime!", fluche ich laut und stampfe auf meinen besten Freund zu. „Hast du das benutzte Kondom wirklich zum Fenster rausgeworfen?"

Seine Finger legen sich um meine Handgelenke. Er will mich in Schach halten.

„Jap", grinst er.

Mit einem Kampfschrei stürze ich nach vorne. Was hatte er sich dabei nur gedacht? Was, wenn es bei uns im Vorgarten gelandet ist? Mit meinen ungeahnten Kräften hat wohl auch Tetsurou nicht gerechnet. Ich befreie mich aus seinem Griff, zusammen fallen wir auf meine Matratze. Meine kleinen Fäuste boxen wild um sich, ich treffe jedoch nur seine Brust und seinen Oberarm. Und das bei weitem nicht so fest, wie er es für diese Aktion verdient hat.

„Tetsurou Kuroo! Was hast du dir dabei wieder gedacht?", schimpfe ich laut. Lachend rollt er sich über mich und nagelt meine Waffen auf das Polster. „Chill mal. Hauptsache es ist weg oder? Deine Mutter wird es schon nicht finden. Ich habe es soweit schnalzen lassen, wie es ging." Schnaubend versuche ich mich zur Wehr zu setzen. Sinnlos. Er hat so viel mehr Kraft.

„Bist du bescheuert?"

Seine Brust bebt. Soll er doch an seiner Hyänenlache verrecken. Trotzig warte ich, bis er sich wieder etwas beruhigt hat.

„Sei nicht beleidigt. Wird schon gut gehen." Seine Nasenspitze nähert sich meiner. Seine goldenen Iriden beginnen schon wieder gefährlich zu funkeln. Würde er mich wieder küssen?

„Denk nicht mal dran. Das hast du jetzt nicht verdient."

Schmollend stützt er sich auf seinen Ellbogen. Fast beiläufig wandert seine Hand an mir herunter, legt sich an meine Taille und... beginnt mich zu kitzeln. Kichernd winde ich mich unter ihm.

„Lass das!", versuche ich ihn, wenig überzeugend, von mir zu scheuchen.

„Erst wenn du wieder lieb bist." Er stimmt in mein Lachen mit ein. Es ist so ansteckend, dass ich unter Sauerstoffmangel zu ersticken drohe.

„Ok, ok!" Ich ergebe mich. Wenn auch nicht gern. Aber mein Leben ist mir zu wertvoll, um an meinem 18. Geburtstag dem Erstickungstod zu erliegen.

„Geht doch." Tetsurou grinst mich an. Elegant springt er auf die Beine und hilft mir ebenfalls auf die Füße.

Vor dem Spiegel richte ich meine verwuschelten Haare, anschließend zupfe ich mein Kleid zurecht. Zufrieden bereite ich mich auf meine Rückkehr ins Geschehen vor. Morgen ist immer noch ein Tag, an dem ich mir den Kopf zerbrechen kann, was das zwischen uns Beiden jetzt sein soll.

Tetsurou lehnt am Türrahmen. Lässig fährt er sich durch seine schwarzen Strähnen, während er auf mich wartet.

„Bereit?", frage ich ihn. Grinsend bejaht er. Ich öffne die Tür bereits, da zieht er mich ein letztes Mal an sich.

„Happy Birthday Hanabi."

Aggressionslevel 100 - ich hasse diesen Namen. Wie oft habe ich ihm schon gesagt, er soll mich Hana nennen? Die Einzige, die mich bei meinem vollen Vornamen nennt, ist meine Mutter. In Situationen, von denen ich weiß, dass ich etwas ausgefressen habe. Bei ihm jedoch, ist es reine Provokation. Sein Sinn des Lebens.

Ich hole gerade Luft um ihm den Marsch zu blasen, da legen sich seine Lippen auf meine. Zärtlich, versöhnend. Vergessen ist meine Empörung. Er nimmt mir den Wind aus den Segeln und verwandelt meine Wut in Erstaunen. Abermals werde ich von dieser neuen Empfindung überrumpelt, die er jetzt in mir auslöst. Dieses bitzelnde Gefühl...

Es ist richtig. Es fühlt sich gut an. Es soll so sein.

Kuroomanie (Kuroo x OC) | Haikyuu Fanfiction | LaufendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt