Ich hatte Satoru zurückgelassen. Während ich versuchte meine Tränen zurückzudrängen, rannte ich ins Wohnheim zurück. Ich wollte jetzt nach Suguru sehen. Ich machte mir große Sorgen um ihn.
Ich schluckte, strich über meine Wangen um meine Tränen aus meinem Gesicht zu wischen und klopfte an der Tür von Sugurus Zimmer. Ich wartete, doch es folgte keine Antwort. Ich klopfte ein weiteres Mal. Diesmal etwas lauter. Nichts. Ich atmete zitternd aus und drückte dann die Türklinke hinunter. Zu meiner Überraschung war die Tür nicht abgeschlossen.
Vorsichtig öffnete ich die Tür und schob meinen Kopf hindurch. Die Vorhänge waren zugezogen. Im schwachen Licht konnte ich Suguru auf dem Bett, mit dem Kopf gegen die Wand gelehnt, sitzen sehen. Seine Augen waren geschlossen, doch seine Atmung ging zu unregelmäßig, um zu schlafen.
,,Suguru?" Flüsterte ich leise in den viel zu stillen Raum hinein. Suguru zuckte zusammen. Sein Körper spannte sich an und er öffnete erschöpft seine Augen. ,,Hast du geschlafen? Tut mir leid wenn ich dich geweckt habe." Suguru richtete sich auf. Seine Muskeln entspannten sich und ein kleines Lächeln ließ Sugurus Mundwinkel heben.
,,Alles gut, ich habe nicht geschlafen." Langsam trat ich in das Zimmer ein und schloss die Tür hinter mir. ,,Ist es in Ordnung, wenn ich kurz reinkomme?" Ich hielt meine Stimme leise. Suguru setze sich auf die Bettkante und klopfte sanft neben sich. ,,Setz dich." Ich nickte leicht.
In Sugurus Zimmer herrschte Unordnung. Auf Zehenspitzen versuchte ich nicht auf herumliegende Kleidung oder andere Gegenstände zu treten. Ich ließ mich neben ihn nieder und betrachtete das Gesicht meines besten Freundes. ,,Ich freue mich, dass du hier bist."
Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. ,,Ich mache mir Sorgen um dich, Suguru." Suguru runzelte seine Stirn. Eine tiefe Falte hatte sich auf seiner Stirn gebildet. ,,Wieso das? Mir geht's- Hast du geweint?" Suguru lehnte sich zu mir vor und nahm mein Gesicht zwischen seine großen Hände. ,,Du hast geweint."
Ich drückte seine Hände aus meinem Gesicht. ,,Suguru, ich glaube dir nicht, dass alles gut ist." Langsam zog er seine Hand zurück und legte sie in seinen Schoß. Sugurus Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen.
,,Ich werde dich nicht dazu zwingen mit mir zu reden. Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich für dich da bin. Immer." Tränen bildeten sich erneut in meinem Augenwinkel, doch ich blinzelte sie weg. ,,Du kannst mit mir reden, Suguru. Über alles." Ich setze ein schwaches Lächeln auf. Sugurus Augen waren vor Überraschung weit geöffnet.
Er schluckte, bevor er ebenfalls schwach lächelte. Seine Arme schlossen sich um meinen Körper und zogen mich in eine warme Umarmung. ,,Danke, ich werde mit dir reden wenn etwas ist." Ich war überrascht von der plötzlichen Umarmung, doch ich erwiderte sie. ,,Ich möchte auch für dich da sein, Hirai. Ich sehe doch, wie du leidest."
Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Ich schluchzte leise, während sich mein Griff um Sugurus Pullover festigte. ,,Du bist mein bester Freund." Presste ich heraus. Sugurus Griff wurde fester um meinen Körper. Ich wusste nicht, wie lange wir so verharten, aber als wir uns lösten, schien nur noch schwaches Licht von außen ins Zimmer.
,,Möchtest du eine rauchen?" Fragte ich lächelnd und holte eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug hervor. ,,Du rauchst?" Fragte Suguru schwach lächelnd. Trotz seiner Frage nahm er die Packung entgegen und holte zwei Zigaretten heraus.
,,Die Packung hat Shoko mir geschenkt. Hin und wieder rauche ich etwas, wenn es gar nicht mehr geht." Suguru zündete seine Zigaretten an und warf mir mein Feuerzeug zu. ,,Kann ich das Fenster öffnen?" Fragte ich mit der Zigarette zwischen meinen Fingern.
,,Ja, mach ruhig." Ich krabbelte über das Bett zum Fenster und zog mit Schwung die Vorhänge zurück. ,,Was sagt dein Freund dazu, dass du rauchst?" Bei der Erwähnung von Satoru hielt ich in meiner Bewegung an. ,,Wir sind nicht mehr..." Ich wagte es nicht den Satz zuende zu bringen.
,,Oh, tut mir leid." Suguru zog an seiner Zigarette. ,,Ich habe Schluss gemacht." Gab ich leise zu. ,,Er bedeutete dir so viel, wieso?" Fragte Satoru. Ich öffnete das Fenster und setze mich auf das Fensterbrett. ,,Satoru ist so stark geworden. Ich fühle mich so...schwach und nutzlos. Er hat jemanden verdient, der genauso stark ist wie er und ihm nicht womöglich zur Last fällt." Ich legte die Zigarette an meine Lippen und zog daran.
Suguru setze sich mir gegenüber. ,,Ich kenne das Gefühl, nicht genug zu sein." Betroffen schaute ich aus dem Fenster. ,,Lass uns zusammen von hier verschwinden. Ich möchte ein glückliches Leben mit meinem besten Freund." Ich lachte auf und hielt die Zigarette aus dem Fenster, damit die Asche herunterfallen konnte.
Die Sonne war bereits beinahe hinter dem Horizont verschwunden. ,,Das klingt wirklich schön." Suguru folgte meinem Blick. ,,Ich habe etwas vergessen, dir zu geben." Suguru drückte seine Zigarette am äußeren Fensterbrett aus bevor er aufstand.
Neugierig schaute ich ihm hinterher. ,,Wo hatte ich es nur hingelegt?" Suguru durchwühlte die Stapel mit Kleidung. ,,Vielleicht, solltest du dein Zimmer aufräumen." Kicherte ich und warf meine ausgedrückte Zigarette ebenfalls aus dem Fenster.
,,Ich schaffe es...irgendwie nicht, Ordnung zu schaffen." Er grinste schief. Ich rutschte über Sugurus Bett und sprang auf. ,,Ich werde dir helfen. Zusammen schaffen wir das." Ich versuchte so gut es ging ein tröstendes Lächeln aufzusetzen. ,,Und danach gehen wir zusammen essen kochen." Suguru nickte.
Ich begann damit, seine Kleidung vom Boden aufzusammeln und sie ordentlich zusammenzufalten. ,,Ich habe es gefunden." Suguru richtete sich auf. In seiner Hand lag eine kleine Schachtel. ,,Was ist das?" Ich legte eine schwarze Jogginghose ordentlich zusammen, bevor ich mich Suguru zuwandte. ,,Ich wollte dir das schon viel früher geben, aber ich habe es vergessen." Suguru fuhr sich durch seine langen zerzausten Haare.
Suguru reichte mir die kleine Schachtel. Eine rote Schleife war über den schwarzen Stoff gebunden. Ich wollte die hübsche Schleife nicht kaputt machen, aber um an den Inhalt der Schachtel zu kommen, blieb mir keine andere Wahl. Vorsichtig löste ich den Stoff der Schleife und klappte danach die kleine Schachtel auf.
Meine Atem stockte, als ich den Inhalt der Schachtel sah. Vorsichtig nahm ich das Armband heraus. Es bestand aus weißer Kordel und hatte in der Mitte ein kleines Herz aus Silber. ,,Gefällt es dir?" Suguru lehnte sich gegen seinen Kleiderschrank. Die Hände in den Taschen seiner schwarzen Jogginghose. ,,Ich liebe es! Es ist wunderschön!" Ich hüpfte auf Suguru zu und fiel ihm um den Hals.
,,Freut mich, dass es dir gefällt." Er lächelte. Es war ein schwaches Lächeln. Doch er lächelte. ,,Ich habe das selbe in schwarz." Vorsichtig legte ich das Armband um mein Handgelenk und zog es enger, damit es perfekt an mein Handgelenk passte. ,,Also eine Art Freundschaftsarmband?" Ich legte meinen Kopf schief.
,,So in der Art. " Suguru ließ mich langsam wieder runter. ,,Ich müsste es nur finden." Suguru fuhr sich erneut durch seine Haare. Sie waren in diesem einem Jahr sehr lang gewachsen. Ich wusste, dass Suguru zu lange Haare nicht mochte. ,,Soll ich dir nachher die Haare schneiden?" Fragte ich, während ich die zusammengefaltete Kleidung in den Schrank räumte.
,,Gerne, sie sind schon viel zu lang gewachsen." Er nahm eine lange schwarze Strähne in seine Hand und wickelte sie um seinen Finger. ,,Aber kannst du das überhaupt?" Ich lachte. ,,Ich habe Satoru oft die Haare geschnitten." Ich klappte den Schrank zu. ,,Deshalb habe ich schon Übung darin." Ich widmete mich den ganzen Gegenständen auf dem Boden und räumte sie in die Regale ein. ,,Dann ist ja gut." Suguru lachte leise. Er lachte.
,,Hirai?" Ich richtete mich auf. ,,Ja?" Suguru schaute nervös zu Boden. ,,Danke, dass du da bist." Ich lächelte. ,,Für meinen besten Freund bin ich immer da."
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Hate Love
FanfictionNach der Ermordung geliebter Familienmitglieder, verändert sich das Leben von Hirai Kayano schlagartig. Zu allem übel wird sie auf der Party ihres verhassten Klassenkameraden Satoru Gojo, während Flaschendrehen gespielt wird, ausgewählt mit ihm in...