Prolog

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„Wie findest du das Kleid", fragte Kaira und drehte sich um die eigene Achse.

„Nicht schlecht", grinste Ria und betrachtete ihre kleine Stiefschwester.

Sie war gerade sechzehn geworden und durfte zum ersten Mal am Sommerball teilnehmen. Dafür hatte sie sich ein langes, mitternachtsblaues Kleid ausgesucht, das ihren jungen schlanken Körper wie eine zweite Haut umschmeichelte. Ihre langen goldblonden Haare hatte sie zu einem eleganten Zopf geflochten, der ihr bis zur Hüfte reichte. Sie war schön, so schön und sie sah ihrer Mutter Maschara unglaublich ähnlich.

Ria lächelte. Maschara war ihre Stiefmutter. Früh schon hatte sie ihre Mutter bei einem Unfall verloren. Ihr Vater Ralf wäre fast daran zerbrochen, wäre da nicht Maschara gewesen, die ihn langsam aus seiner Trauer herausholte und nicht nur für ihren Vater, sondern auch für sie da gewesen war.

Ganze drei Jahre hatte es gedauert, bis Ralf anfing in Maschara nicht nur eine Freundin sondern auch eine Frau zu sehen, mit der er den Rest seines Lebens verbringen konnte. Er begann um sie zu werben und Maschara hatte keine andere Wahl mehr, als ihn in ihr Geheimnis einzuweihen.

Sie war ein Werwolf. Genauso wie ihr Gefährte, der Vater ihrer Tochter Kaira, der bei einem Kampf ums Leben gekommen war. Sie hatte ihn geliebt, aber er war nicht ihr Seelengefährte gewesen. Sie hatte ihn betrauert, aber sie war nicht an seinem Verlust zerbrochen. Dann begegnete sie Ralf in der Firma, in der sie beide arbeiteten. Ein kurzer Blick in seine traurigen Augen genügte und es war um sie geschehen. Maschara hatte ihren Seelengefährten gefunden und seither alles getan, um in seiner Nähe zu sein.

Kaira und Ria waren bei dieser Aussprache dabei gewesen. Ganz genau noch konnte sich Ria an diesen Moment erinnern. Die beiden waren ganz nahe beieinander gestanden und hatten sich tief in die Augen geblickt. Sie hatten sich nicht berührt und trotzdem schien es so, als wären sie eine Einheit. Natürlich war Ralf zunächst schockiert gewesen, doch er hatte sich in diese Frau verliebt und konnte sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Ria war ebenfalls schockiert gewesen und hatte lange gebraucht, um diese Neuigkeit zu verarbeiten. Aber sie freute sich für ihren Papa, der endlich wieder glücklich war und schließlich akzeptierte auch sie Maschara als seine Gefährtin.

„Was bist du schön, mein Schatz."

Maschara war unbemerkt in Kaira's Zimmer getreten und betrachtete voller Stolz ihre Tochter, die in der Tat eine jüngere Ausgabe ihrer Mutter war. Langsam kam sie näher und legte ihr feierlich eine goldene Kette mit einem Amulett um den Hals.

„Dieses Amulett habe ich von meiner Mutter bekommen an dem Tag, an dem ich zum ersten Mal als junge Frau an einem Ball teilnehmen durfte. Jetzt ist es an der Zeit, das Amulett an dich weiterzugeben."

Kaira strahlte.

„Und du willst wirklich nicht mitkommen?", fragte Maschara Ria. „Du wärst sicher auch willkommen."

„Nee", winkte Ria lachend ab. „Ich liebe Kaira als meine kleine Schwester und ich liebe dich als meine mütterliche Freundin. Ich bin so froh, dass Papa mit dir wieder glücklich geworden ist. Aber ich gehöre nicht zu eurem Rudel und mit diesem ganzen Wolfsgedöns möchte ich nach wie vor nichts zu tun haben. Sorry."

Maschara wollte noch etwas sagen, doch Ria schob sie zur Tür hinaus.

„Ihr müsst los, sonst kommt ihr noch zu spät. Papa wartet sicher schon am Auto."

Lächelnd blickte sie den beiden nach.

Die Wölfe vom Silmertal - Die Gefährtin des Alphas.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt