* 17 *

1.2K 53 0
                                    

Jetzt hatte sie zwar wieder etwas Geld, aber es reichte immer noch nicht, um sich ein Zimmer zu nehmen. Irgendwo aber musste sie die Nacht verbringen. Fragte sich nur wo. Ria hatte sich etwas in Eichstadt umgesehen. An der Uferpromenade entlang gab es zu viele Kneipen. Außerdem gab es noch zu viele Touristen. Sie würden in den Kneipen abhängen, vielleicht viel zu viel saufen und dann andere Menschen auf ihrem Heimweg anpöbeln. Darauf konnte sie verzichten.

Zudem konnten die Nächte durchaus schon ziemlich frisch werden. Sie hatte zwar ein Jäckchen in ihrem Rucksack, aber das würde nicht reichen. Ziellos lief sie hin und her in der Hoffnung ein Plätzchen zu finden, wo sie für die Nacht bleiben konnte.

Vielleicht sollte sie gleich zum Bahnhof gehen. Wenn sie Glück hatte, würde jetzt noch ein Zug fahren, der sie noch weiter nach Süden bringen würde. Aber hier hatte sie die Chance, am nächsten Tag nochmals Geld zu verdienen. Wer wusste schon, ob sie im Süden gleich wieder eine Arbeit finden würde und jeder Cent würde ihr weiterhelfen.

Ohne zu wissen warum, stand sie plötzlich wieder vor dem Restaurant, in dem sie über die Mittagszeit ausgeholfen hatte.

Es war bereits dunkel. Die Tische in der Gartenwirtschaft waren alle abgeräumt, die Stühle schräg an die Tische gelegt und mit einem Stahlband und einem Vorhängeschloss gesichert. Sie erinnerte sich daran, dass etwas weiter hinten in einer Nische direkt an der Hauswand eine Bank stand. Einige Angestellte hatten dort ihre Pause gemacht und eine Zigarette geraucht.

Ria schlich zwischen den Tischen hindurch zu dieser Bank. Hier war es deutlich wärmer. Mit angezogenen Beinen setzte sie sich in die Ecke. Von der Küche drangen noch Geräusche nach draußen. Wahrscheinlich waren auch in der Gaststube noch Gäste. In der Ferne konnte sie noch johlende Gesänge von betrunkenen Nachtschwärmern vernehmen. Aber auch sonst war die Nacht erstaunlich laut.

Fast hätte sie aufgeschrien. Zwei Augen starrten sie an. Zwei gelbe Punkte in tiefschwarzer Umgebung. Sie keuchte und biss in ihre Hand, um ja nicht laut zu schreien. Hatten sie sie gefunden? Nein, das konnte nicht sein, beruhigte sie sich selbst. Sie waren weit weg und wussten nicht, wo sie ist. Niemand wusste es. Also können sie auch nicht hier sein.

Dann hörte sie einen Hund bellen. Er kam näher. Die beiden gelben Augen drehten sich weg. Ria vernahm ein leises Fauchen, dann das leichte Tapsen von weichen Pfoten auf dem Schotterboden, ein Rascheln und das Kratzen von Krallen in Holz. Sie konnte das alles Hören. Wie das? Sie hatte noch nie so gut gehört. Jetzt stand der Hund unter dem Baum und bellte nach oben. Ria versuchte sich noch kleiner zu machen.

„Benno", rief eine Frauenstimme. „Verflixt nochmal. Benno komm her."

Doch Benno folgte nicht. Die Katze auf dem Baum war noch da. Er hatte sie noch nicht vertrieben. Doch dann verstummte er, drehte sich zu Ria um und starrte sie an. Ria hörte ein leises Grummeln, dann ein Schnauben. Benno bleckte die Zähne als würde er grinsen, duckte sich und robbte vorsichtig und langsam näher, dabei wendete er immer wieder den Kopf ab. Blickte wieder zu Ria und drehte schnell den Kopf wieder weg. Ria senkte den Kopf und Benno jaulte leise auf. Wie aus dem nichts war sie sich plötzlich sicher, dass Benno ihr nie etwas antun würde.

„Benno." Schritte kamen näher und plötzlich blieb die Person stehen. Ria blickte hoch und erkannte die Wirtin.

„Mädchen, was machst du denn hier?", fragte sie bestürzt.

Benno hatte Ria erreicht. Er jaulte leise, als würde er weinen, stupste Ria an und leckte ihre Hand. Ria beugte sich zu Benno hinunter und streichelte ihn. Benno streckte sich etwas und schnüffelte vorsichtig an ihrem Hals.

Die Wirtin war näher gekommen, hatte Rias Hand ergriffen und sie hochgezogen.

„Kindchen, deine Hände sind ja eisig kalt", rief sie mitleidig, „Komm mit."

Ohne auf Rias Abwehr zu achten, zog die Wirtin sie hinter sich her, durch einen Nebeneingang ins Haus und in einen privaten Wohnraum. Sie drückte Ria auf das Sofa, griff nach einer wollenen Decke und hüllte sie darin ein. Dabei verrutschte Rias Oberteil leicht und die Wirtin konnte die Markierung sehen.

„Was ist das denn?", fragte sie entsetzt. „Wer hat dir das angetan? Dein Vater? Dein Freund?"

„Nein", murmelte Ria, „ein Mann, der mich gerne besitzen möchte."

„Bist du abgehauen?", fragte die Wirtin vorsichtig und Ria nickte.

„Kindchen, Kindchen, Kindchen", die Wirtin schüttelte bestürzt den Kopf.

Sie nahm eine Cognacflasche und ein Glas aus dem Barfach und schenkte reichlich ein.

„Trink. Damit es dir wieder warm wird. Und dann ab ins Bett. Du kannst mir morgen erzählen, was passiert ist."

Die Wirtin duldete keinen Widerspruch. Sie wartete, bis Ria das Glas leergetrunken hatte, dann ergriff sie ihre Hand und zog sie in ein Gästezimmer und drückte sie aufs Bett.

„Schlaf gut." Mitleidig strich sie Ria kurz über ihre Haare, dann ging sie hinaus.

Benno blieb und rollte sich vor dem Bett ein.

Die Wölfe vom Silmertal - Die Gefährtin des Alphas.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt