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Sie hatten sie in einen großen düsteren Saal getragen und mittendrin auf den Boden gelegt. Dann hatten sie sich zurückgezogen. Ria hatte die Tür ins Schloss fallen hören. War sie jetzt allein? Sie lauschte. Was war passiert? Sie war im Zug auf die Toilette gegangen. Dann hatte ihr jemand was auf die Nase und auf den Mund gedrückt. Etwas, das eklig süß roch und dafür sorgte, dass alles um sie herum in ein schummriges Schwarz versank.

Das nächste, woran sie sich wieder bewusst erinnern konnte, war das Geräusch eines fahrenden Autos. Sie hatte jede Kurve gespürt, jede Unebenheit. Sie hatte Stimmen gehört, undeutlich zunächst dann immer klarer. Die Männer haben von ihrem Alpha geredet. Zunächst hatte sie geglaubt, Alex hätte sie doch gefunden, wäre wütend und würde sie nun mit dieser rauen Entführung für ihre Flucht bestrafen. Doch dann hörte sie den Namen Marius. War das dieser Typ, der neben dem Sabbertyp im Restaurant gesessen hatte? War der auch ein Alpha?

Ihre Gedanken schwirrten wild durcheinander. Obwohl sie wieder wach war, wieder hören, sehen und fühlen konnte, gelang es ihr nicht, das Durcheinander in ihrem Kopf richtig zu sortieren. Noch weniger gelang es ihr, sich zu bewegen. Leise stöhnend schloss sie ihre Augen. Sie war so müde, wollte schlafen, wollte sich in irgendeinem Mauseloch verkriechen. Doch sie lag hier auf dem kalten Boden eines Saales und wartete darauf, dass sie wieder Gewalt über ihren Körper bekam und dass sich das Gedankenknäuel in ihrem Kopf entwirrte.

Wenn sie ihre Augen schloss, hatte sie das Gefühl, dass ihre anderen Sinne schärfer waren. Das war ihr jedenfalls schon mehrfach aufgefallen. Muss wohl mit der Markierung zusammenhängen. Irgendwie. Wo war Alex jetzt? Du gehörst mir, hatte er zu ihr gesagt und auch, dass er auf sie aufpassen würde. Hatte er sie jetzt doch entführt? Oder war es doch jemand anderes? Und wenn sie von jemand anderem entführt wurde, würde er kommen und sie holen? Wie auch. Er wusste ja nicht, wo sie war. Sie schloss die Augen und unterdrückte ein Schluchzen. Sie wusste es ja selbst nicht.

Mühsam verdrängte sie ihre Angst. Was hatten sie mit ihr vor? Würden sie sie quälen, vielleicht sogar töten? Aber warum? Sie hatte doch niemandem etwas getan. Vielleicht hatte das doch irgendetwas mit Alex zu tun? Aber was? Wenn das was mit Alex zu tun hatte, dann war sie vielleicht ein Köder? Aber wenn Alex ihren Aufenthaltsort nicht kannte, wie könnte sie dann ein Köder sein? Wie sollte er sie dann finden? Dann gab es auch keine Hoffnung auf Rettung. Oder vielleicht doch? Vielleicht würden sie Alex sagen, dass sie hier war. Und dann? Würde er wirklich kommen? Oder hatte er mittlerweile genug von ihr? Dann gab es erst recht keine Hoffnung für sie.

Ihr Kopf schmerzte. Fragen über Fragen. Wirre Gedanken. Ganz langsam und schleichend fühlte sie Panik in sich aufsteigen. Doch gleichzeitig wuchs auch ihre Wut und ihr Trotz. Egal was kam, sie würde sich wehren mit allen Möglichkeiten, die ihr zur Verfügung standen. Und wenn die Männer sie wirklich töten wollten, dann würde sie es ihnen so schwer wie möglich machen. Sie würden dann sicher richtig wütend werden. Und das war gut so, denn würde es vielleicht schnell gehen. Dann würde sie vielleicht nicht lange leiden müssen.

Langsam lichteten sich die Nebenschwaden in ihrem Kopf und sie bemerkte, dass sie sich wieder bewegen konnte. Sie atmete auf und versuchte aufzustehen. Es war mühsam, sie wackelte, doch endlich stand sie aufrecht und atmete tief durch. Ihre Augen hatten sich mittlerweile an das Dämmerlicht gewöhnt. Der Saal war groß, rund und dunkel. Mehrere schmale, aber hohe Fenster waren durch dunkle Vorhänge verdeckt, die kein Licht durchließen. Oder war es vielleicht dunkel draußen? Direkt über ihr war eine flache Glaskuppel. Doch auch das dunkle Glas darin mit den seltsamen Symbolen ließ nicht allzu viel Licht durch. Es war also doch dunkel draußen. Nur ein paar Kerzen in den Wandhaltern zwischen den Fenstern brannten. Erstaunlich, dass sie trotz dem Dämmerlicht so viel erkennen konnte.

Sie war tatsächlich allein. Zumindest hier im Saal. Aber sie hatte das Gefühl, dass sie beobachtet wurde. Auf was warteten sie? Darauf, dass sie die Nerven verlieren und eine Fluchtmöglichkeit suchen würde?

Die Wölfe vom Silmertal - Die Gefährtin des Alphas.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt