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Zitternd saß Ria auf ihrem Bett. Was war geschehen? Dieser Typ hatte sie einfach geküsst und sie hatte auch noch bereitwillig ihre Lippen geöffnet. Sie hatte gestöhnt und seine warme Hand in ihrem Rücken genossen. Hatte er sie hypnotisiert oder war sie verrückt geworden? Vor ihrem geistigen Auge überschlugen sich die Gedanken. ‚Egal, wie sehr du dich wehrst, du gehörst mir.' Das kann doch alles nicht wahr sein.

„Ria! Ria, bist du da?"

Die Tür zu ihrem Zimmer flog auf und eine strahlende Kaira tänzelte in ihr Zimmer. Doch als sie Rias verwirrte Miene sah, stockte sie.

„Ria. Schwesterherz. Was ist los?"

Sie kniete sich vor Ria hin, ergriff ihre eiskalten Hände und schüttelte sie leicht.

„Ria, was ist los? Geht es dir nicht gut?"

„Alex." Mehr brachte Ria nicht heraus.

Kaira blickte sie mit großen Augen an. „Der Alpha und du?", fragte sie erstaunt. Doch dann hellte sich ihre Miene auf. „Aber das ist doch toll. Gratuliere. Erzähl. Bist du seine Seelenverwandte? Hat er dich gefragt, ob du seine Gefährtin werden willst? Hat er dich schon markiert?"

„Was", fragte Ria entsetzt. „Markiert?"

„Ja", strahlte Kaira glücklich. „Tom und ich, wir haben uns gegenseitig markiert. Schau mal."

Stolz zog Kaira ihr Shirt etwas nach unten und Ria konnte den Abdruck von Zähnen direkt auf diesem Muskelstrang, der von der Schulter zum Nacken führt, sehen. Der Biss blutete nicht mehr, aber alle Zähne waren klar und deutlich zu erkennen, ein leuchtend roter Ring von Zahnabdrücke. Alex hatte sie auch gebissen, ganz leicht nur, genau an dieser Stelle. Ria stöhnte.

„Seid ihr wahnsinnig", brach es bestürzt aus ihr heraus. „Das tut doch weh. Warum macht ihr das?"

„Na ja", gab Kaira zu, „ein bisschen weh tut es schon, das läßt aber gleich wieder nach. Aber jetzt weiß jeder, dass ich zu Tom gehöre und Tom zu mir. Keiner anderer wird es mehr wagen, mich anzufassen. Tom und ich sind Seelenverwandte und wir gehören ab sofort zusammen. Wir sind jetzt Gefährten und bald wird es ein Fest geben, wo wir es offiziell bekannt geben."

„Ihr spinnt doch", brüllte Ria entsetzt. „Ihr spinnt alle. Ich will nichts mehr davon hören. Lass mich allein. Geh."

Sie warf sich auf ihr Bett und zog das Kissen über ihren Kopf.

——

Es war bereits mitten in der Nacht, als Ria aus einem unruhigen Schlaf erwachte. Ihr Körper zitterte nicht mehr und das wirre Durcheinander von Gedanken war einer Leere gewichen. Es dauerte Minuten, bis nach und nach einzelne Situationen aus dem Vortag in ihre Erinnerung zurückkehrten.

Kaira hatte stolz ihre Markierung gezeigt, sie gehörte jetzt Tom. Alex hatte die Markierung bei ihr nur angedeutet und sie hatte aufgestöhnt. Nicht vor Schmerz sondern vor – Verlangen. Einen Moment lang wollte sich ihr Körper ihm hingeben, sehnte sich geradezu danach. Geht's noch? Dieser Mann tauchte aus dem Nichts auf, blickte ihr in die Augen und behauptete dann, sie würde ihm gehören? Sie glaubte erneut seine Stimme zu hören. ‚Egal, wie sehr du dich wehrst, du gehörst mir.'

Sie musste hier weg. Kaira gehörte zu Tom und Tom war Alex Beta. Würde sie hierbleiben, hätte Alex sie immer unter Kontrolle. Das durfte nicht geschehen. Sie sprang auf und schaltete das Licht an. Dann wurde ihr bewusst, dass man das von der Straße aus sehen konnte. Schnell ließ sie den Rollladen runter, bevor sie ihre Sporttasche aus dem Schrank nahm und wahllos Unterwäsche, Leggings, ein paar T-Shirts und Pullis hineinstopfte.

Plötzlich hielt sie inne. Wo sollte sie hin? Die einzige, bei der sie jederzeit auftauchen könnte, wäre Dorie. Dorie war fast ein Jahr älter als sie und hatte bereits eine eigene Wohnung. Für diese Nacht würde es wohl gehen. Und morgen. Morgen würde sie weitersehen.

Schnell schrieb sie noch ein paar Sätze auf die Unterlage auf ihrem Schreibtisch, dann löschte sie das Licht und schlich langsam und vorsichtig die Treppe hinunter in den Keller. Die Kellertür brauchte sie nur hinter sich zuzuziehen, dann war sie abgesperrt. Die Begrenzung zum Nachbargarten war nur ein kleines Mäuerchen und von dort konnte sie problemlos auf die Parallelstraße hinausgehen. Niemand würde sie sehen.

Die Wölfe vom Silmertal - Die Gefährtin des Alphas.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt