kapitel 16 - leah

221 9 3
                                    

LEAH

Ich habe in den letzten Tagen weniger für die Schule gemacht als sonst, deswegen verbringe ich die nächste Zeit mit lernen. Ich habe den ganzen Samstag fast verschlafen, die K.O Tropfen haben mich wirklich für eine Weile ausgeknockt und ich hatte keine Konzentration, um mir meine Bücher anzuschauen.

Als ich Montag morgens am Frühstückstisch sitze und mein Müsli esse, verschlucke ich mich beinahe, als mein Vater plötzlich von seiner Zeitung aufschaut und meiner Mutter einen Artikel zeigt.

„Einbruch in Familienhaus der Millers, Hausherr schwer verletzt." Liest er vor und schüttelt den Kopf, ehe er seine Brille zurechtrückt. Mein Puls beschleunigt sich von null auf hundert, aber ich lasse mir nichts anmerken. Ich kann von Glück reden, dass man mich nicht dabei entdeckt hat, wie ich mich Samstag morgens ins Haus geschlichen habe, aber ich habe immer noch Angst, dass man mich darauf anspricht.

„Weiß man, wer die Täter waren?" fragt meine Mutter und beugt sich über ihn, um einen genaueren Blick in die Zeitung zu werfen.

„Nein, laut dem Bericht kann sich Tyler Miller an nichts mehr erinnern. Er hat keine Namen oder Beschreibungen genannt."

Ich beruhige mich ein wenig. Dominic hat mir bereits versichert, dass er nichts sagen wird, und er hat sein Wort gehalten.

„Armer Kerl. Mit dem haben wir doch neulich erst gute Geschäfte gemacht, nicht wahr? Das hat er wirklich nicht verdient."

Ich schlucke die Übelkeit hinunter, die in mir aufsteigt. So gerne würde ich ihre kleine sichere Bubble zerstören und ihnen zeigen, wie ihr „Freund" wirklich drauf ist, aber ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob es sie überhaupt interessieren würde. Ob sie mir glauben würden, wenn ich erzählen würde, dass Tyler Miller mich beinahe vergewaltigt hätte.

Die Tatsache, dass das passiert ist, habe ich immer noch nicht ganz verarbeitet. Ich vermeide es, darüber nachzudenken, ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Gestern habe ich zwei Stunden geduscht, um das Gefühl von seinen Händen von mir zu spülen, aber irgendwie berühren sie mich noch immer.

„Deswegen hältst du dich von der anderen Seite der Stadt fern, Leah." Sagt mein Vater streng und schaut mich durch die Gläser seiner Brille an. Ich weiß nicht mal, warum er immer so darauf bedacht ist, mich vor Leuten wie Dominic zu „schützen", wenn er es ist, vor dem ich mich am meisten fürchte. Dominic macht mir auch Angst, aber auf eine andere Art. Das elektrisierende, nervenaufreibende Gefühl, das er mir gibt, ist mit nichts zu vergleichen. Ich kann es nicht erklären.

Aber ich nicke einfach, lächele höflich und verhalte mich unauffällig, auch wenn ich mir auf die Zunge beißen muss, um nichts zu sagen. Ich werde schweigen. Denn abgesehen davon, dass ich nicht erklären kann, was ich in der Nacht des Überfalls zufällig bei Tyler Miller zuhause gemacht habe, will ich mir die Enttäuschung ersparen.

Ich bin schlau genug, um mich nicht auch noch absichtlich traurig zu machen.

In der Schule strenge ich mich doppelt so sehr an wie sonst, melde mich noch öfters als eh schon und leite praktisch den gesamten Unterricht. Jetzt wo ich nicht mehr so viel Zeit habe wie vorher, mich nachts aus dem Haus schleiche und meine Zeit bei den Proben verbringe, muss ich meine restlichen freien Stunden sinnvoll nutzen. Ich kann es mir nicht leisten, meine Noten schleifen zu lassen.

Nach meiner Musikstunde hält meine Lehrerin mich auf, während alle anderen Schüler schon aus dem Raum flüchten.

„Und, meine Liebe? Wie läufts mit der Band?" fragt sie strahlend und ihre braunen Locken wackeln, während sie nickt.

„Ähm." Murmele ich, ein wenig überfordert mit der Frage. „G- gut?" Die Lage ist schwer zu erklären und ich schaue mich schnell um um abzuchecken, ob jemand das Gespräch mithört. Niemand darf erfahren, dass ich der Band beigetreten bin. Die Gefahr, dass meine Eltern davon mitkriegen, ist zu hoch und ich will mir gar nicht ausmalen, was dann passieren würde.

ANTITHESISWo Geschichten leben. Entdecke jetzt