kapitel 28 - dominic

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DOMINIC

Ich hab es richtig verbockt.

Normalerweise fühle ich mich wenigstens für einen kleinen Moment besser, wenn ich Leute anschreie, aber dieses Mal nicht. Eigentlich sollte ich froh darüber sein, dass ich es ein weiteres Mal geschafft habe, sie wegzustoßen, aber ich fühle nicht als drückende Leere. Denn sie hatte Recht. Sie hat mich durchschaut, mich verstanden und kam mir auf einmal so nah, dass ich Panik bekommen habe. Sie hat zu viele Fragen gestellt, die ich nicht beantworten kann, ohne alles auf den Tisch zu legen und ich wusste nicht, was ich tun soll.

Ich habe die letzten Stunden auf der Couch in der Garage verbracht und keine Sekunde geschlafen, was zum einen an meiner Schlafstörung liegt, zum anderen an der durchgelegenen Matratze unter mir. Und vielleicht auch an dem Streit. Aber wir haben beide Abstand gebraucht, deswegen bin ich runter gegangen und hatte so jede Menge Zeit, über alles nachzudenken, was gerade passiert ist.

Und ich habe viel nachgedacht.

Ich hätte sie nicht anschreien dürfen. Die Dinge, die ich zu ihr gesagt habe, kamen aus purer Panik aus mir heraus, nichts davon habe ich so gemeint. Mein schlechtes Gewissen ist drängender als je zuvor und zum ersten Mal in meinem Leben realisiere ich, dass ich mich wirklich ändern muss. Oder will. Beides. Ich will niemanden mehr verletzen.

Erst recht niemanden, der es nicht verdient hat. Sie hat es nicht verdient, von mir so behandelt zu werden, weil ich mich nicht im Griff habe, und das, obwohl sie mir nur helfen wollte. Ich kann nicht glauben, dass ich sie schon wieder zum Weinen gebracht habe. Diese Nacht ist ein Desaster und es ist alles meine Schuld. Ich muss das irgendwie geraderücken.

Der Drang, mich zu entschuldigen und alles zu klären ist so stark, dass ich schließlich aufstehe. Ich muss mit ihr reden, jetzt sofort. Sonst werde ich wahnsinnig und dazu fehlt mir sowieso nicht mehr viel. Ich bin schon überrascht, dass ich überhaupt irgendetwas fühle, aber alles woran ich denken kann, ist sie. Die Tränen in ihren Augen, ihre zerzausten Haare, der verletzte Ausdruck in ihrem Gesicht, als hätte ich sie geschlagen. Und so wie ich sie kenne, kann sie ebenfalls nicht schlafen. Wahrscheinlich nimmt sie alles noch viel mehr mit als mich und ich habe schon das Gefühl, den Verstand zu verlieren.

Ohne weiter zu zögern, verlasse ich die Garage und gehe die Treppe hoch in meine Wohnung, doch ich halte inne, als ich realisiere, dass ihre Schuhe weg sind. Ist sie gegangen, ohne dass ich es bemerkt habe? Plötzlich packt mich ein schlechtes Gefühl. Die Vorstellung, dass sie mitten in der Nacht, in der Dunkelheit und in der gefährlichen Gegend, in der ich lebe, unterwegs ist, lässt mich erstarren. Wenn ihr etwas passiert, ist das meine Schuld.

Fuck.

Hastig schnappe ich meine Schlüssel, ziehe meine Schuhe an und verlasse das Haus. Es ist stockdunkel und ganz still. Die Nacht ist kühl und ich schaue mich auf der Straße um, doch sie ist nirgendwo zu sehen. Verdammt.

Mein Herz fängt an zu rasen, mein Hals schnürt sich zu, aber ich konzentriere mich. Meine Panik bringt mir gar nichts, ich muss ruhig bleiben. Also hole ich mein Motorrad und fahre los. Aufmerksam blicke ich in jede Straße, suche nach ihren blonden Haaren, doch sie ist nirgendwo zu sehen.

Vielleicht ist sie nach Hause gegangen? Das wäre die logischste Idee.

Ich biege in die Straße ein, die mich zu ihr führt und folge ihr. Die Straßenlaternen erleuchten nur mit fahlem Licht den Bürgersteig, das Geräusch des Motors ist das Einzige, was die Stille durchbricht. Je mehr Meter ich zurücklege, desto unruhiger werde ich. Sie ist nirgendwo zu sehen. Und ich kann schlecht bei ihrem Haus klingeln und abchecken, ob sie sicher angekommen ist. In meiner Eile habe ich außerdem mein Handy vergessen und kann ihr keine Nachricht schreiben. Verdammt.

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