kapitel 32 - leah

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LEAH

Es ist dunkel.

Ich weiß nicht, wie viele Stunden vergangen sind, seit Chase und Jackson gekommen sind, mittlerweile habe ich den Überblick verloren. Zeit und Raum sind miteinander verschmolzen. Ich liege einfach nur da, schaue Dominic beim Schlafen zu und überprüfe alle paar Minuten seine Atmung, um zu schauen, ob ich nochmal eine Spritze mit Naloxon geben muss. Ich habe ihm schon eine weitere verabreicht, zur Sicherheit.

Mein Körper ist völlig taub. Ich weiß nicht, was ich denken oder fühlen soll. Die extreme Angst und die Panik, die noch vor wenigen Stunden alles in mir eingenommen hat, ist verblasst und jetzt ist nichts mehr übrig geblieben. Ich habe noch nie so etwas erlebt. Trotz meinen schwierigen Verhältnissen zuhause bin ich sehr behütet aufgewachsen, ich habe nie überhaupt einen Fuß in diese Seite der Stadt gesetzt. Und was in den letzten Wochen passiert ist, ist so absurd, dass ich manchmal denke, ich würde jeden Moment aufwachen.

Und manchmal wünsche ich mir, ich würde aufwachen.

Ich brauche etwas zu trinken. Ich habe das Gefühl für meinen Körper verloren, aber mein Mund ist staubtrocken, also stehe ich auf. Ich traue mich kaum, ihn auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen, aber die letzten Stunden hat er durchgeschlafen und es ist kein neuer Notfall eingetreten, also sollte alles gut sein. Nervosität umklammert mich trotzdem, als ich aus dem Raum schleiche. Chase und Jackson sitzen auf dem kleinen roten Sofa und unterhalten sich leise, doch sie schauen auf und verstummen, als ich hereinkomme.

„Ich gehe gleich wieder zurück, ich muss nur kurz was trinken." Murmele ich schnell, doch Jackson schüttelt den Kopf, seine Augen sind leer.

„Komm mal her, Zwerg."

Ich fülle mir ein Glas Wasser auf und die beiden machen Platz, damit ich mich in die Mitte quetschen kann. Normalerweise würde mich der Gedanke verunsichern, so nahe an den beiden zu sein, vor allem an Chase, den ich immer noch nicht richtig einschätzen kann, aber nicht heute. Ich bin zu erschöpft, um mir irgendwelche Gedanken darüber zu machen. Im Gegenteil. Ich genieße die Wärme und die Nähe der beiden. Jetzt fühle ich mich nicht mehr so allein.

Jackson legt einen Arm um mich und ich versinke beinahe im Stoff des Sofas. Ich bin so müde aber mein Kopf ist so laut.

Eine Weile sagen wir nichts. Ich trinke mein Wasser, das ich dringend gebraucht habe und warte darauf, dass Jackson irgendeinen Witz macht, um die Stimmung zu heben, aber nichts passiert. Es ist ungewohnt ihn so still zu erleben und ich mag es nicht.

„Ist alles okay bei dir?" fragt er dann und schaut mich an, sein Blick ist müde. Der Funke fehlt, der normalerweise in seinen Augen glitzert. Die kleine Frage löst meine sorgfältig aufgebaute Fassung innerhalb von Sekunden auf und ich kann nicht verhindern, dass plötzlich schon wieder Tränen über meine Wangen laufen. Mist.

„Frag sowas doch nicht, sonst heule ich." Murmele ich und wische mir schnell die Tränen aus dem Gesicht, doch er zieht mich einfach tiefer in seine Umarmung.

Plötzlich spüre ich einen weiteren Arm an mir und ich bin überrascht, als ich realisiere, dass es Chase ist. Vielleicht brauchen die Jungs den Trost genauso sehr wie ich, auch wenn sie immer so tun, als seien sie unzerstörbar. Es ist komisch. Die drei fühlen sich mehr wie Familie an, als meine es jemals konnte. Ich war immer alleine mit meinen Gefühlen, aber heute nicht. Zum ersten Mal. Wir sind gemeinsam in dieser Situation und wir sind füreinander da.

„Du hast sein Leben gerettet, Leah." Sagt Chase schließlich mit rauer Stimme und ich presse die Lippen zusammen. Wenn ich nur wenige Minuten später, oder gar nicht gekommen wäre, wäre es zu spät gewesen. Er hat kaum noch geatmet, als ich da war.

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