kapitel 35 - leah

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LEAH

Dumpfer Schmerz ist alles, was ich spüre, als ich in der Dunkelheit liege und an die Wand starre. Tausende Gedanken rasen in meinem Kopf und trotzdem kann ich keinen einzigen festhalten. Ich kann nicht glauben, was heute alles passiert ist.

Schwach betaste ich die Matratze unter mir, nehme einen leichten Hauch von Dominics warmem Duft auf. Ich bin bei ihm. Nicht zuhause. Ich bin in Sicherheit. Ich weiß nicht, wo Dominic ist, denn er ist nicht im Bett. Ich weiß nicht mal, wie viel Uhr wir haben. Wahrscheinlich packt er seine Sachen.

In diesem Moment geht leise die Tür auf, ich spüre, wie sich die Matratze unter mir senkt und die Decke raschelt. Er bemüht sich, ganz leise zu sein, weiß nicht, dass ich wach bin, und ich sage kein Wort. Aber dann wickelt sich ein großer Arm um mich und plötzlich zieht er mich an sich. Trotz allem, was passiert ist zucken meine Mundwinkel. Ich wusste, dass er es ist, der immer anfängt zu kuscheln. Manchmal zumindest. Und er ist sogar noch wach. Keine Ausreden.

Er hält mich fest und sicher und ich genieße die Wärme, die sein Körper ausstrahlt. Ich zerschmelze beinahe in seiner Umarmung, es fühlt sich so ungewohnt schön an, so nah bei jemandem zu sein. Sein großer Körper gibt mir ein Gefühl von Sicherheit und Schutz, er schirmt mich beinahe ab und ich genieße es, mich für einen Moment schwach und schutzbedürftig zu fühlen. Ich gebe die Kontrolle ab, endlich. Die Spannung verlässt meinen Körper, ich spüre meine Muskeln erschlaffen. Ich habe nicht mal gemerkt, wie verkrampft ich war.

Es ist still zwischen uns, seine Atemzüge werden langsamer und mein schmerzender Körper entspannt sich allmählich in der Wärme, die er abgibt.

„Er macht das schon, seit ich fünf bin." Sage ich plötzlich leise in die Dunkelheit und er zuckt zusammen, lässt mich sofort los, als würde ich so nicht bemerken, dass er näher gekommen ist, doch nach ein paar Sekunden des Zögerns legt er wieder vorsichtig seinen Arm um mich, beinahe zaghaft. Ich weiß nicht warum, aber ich habe plötzlich das Bedürfnis, zu reden. Zu viel geht in meinem Kopf ab, ich muss die Gedanken irgendwie loswerden.

„Am Anfang hat er nur geschrien, oder es gab einen Klaps oder eine Ohrfeige. Aber es wurde mit jedem Jahr schlimmer. Als ich zwölf war, hat er angefangen meinen Arm auszurenken. Beim ersten Mal sind wir noch zum Arzt gefahren, aber nach einer Weile musste ich mich selbst darum kümmern und ich habe jedes Mal geweint, weil es so weh tat und ich alleine in meinem Zimmer war."

Ich atme tief ein und aus, sein Griff um mich wird stärker und er streichelt behutsam meine Haare, spricht aber kein Wort.

„Danke, für alles was du heute für mich getan hast. Und dass du mich versorgt hast, ich hatte keine Kraft mehr."

„Natürlich, Leah." Raunt er, seine Stimme ist ungewohnt sanft. „Das ist doch selbstverständlich."

Ist es nicht. Noch vor einem Monat hätte er mich niemals nachts aus meinem eigenen Haus gerettet, mich geduscht, ohne meinen nackten Körper richtig anzuschauen, meine Haare gewaschen und mir seine Sachen angezogen. Ich bin so dankbar, ihn zu haben. Ich weiß nicht, was ich sonst getan hätte. Wo hätte ich hingehen sollen? Wäre ich überhaupt noch im Stande, zu gehen? Wäre ich noch am Leben?

„Und danke, dass du das Fenster hochgeklettert bist und mich rausgeholt hast." Füge ich leise hinzu und plötzlich brennen meine Augen. Ich kenne niemanden außer den Jungs, der das so schnell und professionell gemacht hätte, aber es war der richtige Weg. Der einzige Weg, um genau zu sein.

„Ich würde dich überall rausholen. Egal wo du bist. Ruf mich einfach an und ich bin da." Sagt er und streicht über meinen Kopf. Er ist so sanft zu mir, das bin ich nicht gewohnt. Aber es fühlt sich schön an. Wir haben beide viel zu viel erlebt in den letzten Tagen, wir brauchen ein bisschen Zuneigung. Vielleicht brauchen wir einander.

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