kapitel 20 - leah

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LEAH

Ich bin so nervös. Alles geht plötzlich so schnell.

Mein Brustkorb hebt und senkt sich hastig, während wir die letzten Vorbereitungen treffen. Ich kann nicht glauben, dass ich wirklich gleich mein erstes Konzert gebe, vor hunderten Menschen, mit einer Band, die ich erst seit wenigen Tagen näher kenne. Es ist so viel passiert in so wenig Zeit.

Dom und Chase lehnen an der Wand hinter der Bühne und teilen sich einen Joint. Schon jetzt höre ich die Menschenmasse von draußen und mein Herzschlag beschleunigt sich. Jackson macht Hampelmänner, um die angestaute Energie loszuwerden, während ich völlig erstarrt dastehe und überlege, was für Fragen ich stellen könnte, aber mir fällt nichts ein.

„Willst du?" fragt Dominic, dem meine Aufregung nicht entgeht, und streckt mir den Joint hin, aber ich schüttele den Kopf. Ich will bei klarem Verstand sein, wenn ich zum ersten Mal auf dieser Bühne stehe. Die Jungs ziehen ihre schwarzen Masken über das Gesicht, sodass sie beinahe ganz verhüllt sind. Nur ihre Augen und der Mund sind zu sehen und ich muss zugeben, dass sie ziemlich einschüchternd aussehen. Wenn ich nicht wüsste, wer unter der Maske steckt, hätte ich Angst.

Dann wirft Dom mir auch eine zu und ich fange sie natürlich nicht. Meine Wangen röten sich, aber ich hebe sie schnell auf, als wäre nichts passiert, während er die Augen verdreht.

Ich verbeiße mir einen Schmerzenslaut, als ich nach der Maske greife. Meine Rippe tut noch immer verdammt weh und das macht meine Aufregung nicht besser. Ich habe es vermieden, viel zu sprechen und ich weiß nicht, ob mein Lungenvolumen zum Singen ausreichen wird. Aber das kann ich ja schlecht erklären.

Doch als ich mir die Maske anschaue, stutze ich.

„Ich dachte, ich kriege auch so eine wie ihr." Sage ich und Dominic zuckt die Schultern.

„Das war die Einzige, die wir auf die Schnelle auftreiben konnten. Ich dachte, du wärst bis jetzt schon lange ausgestiegen."

Nett.

„Sieht bestimmt gut aus." Fügt Jackson hinzu und schnappt mir die schwarz-weiße Ghostface Maske weg, um sie mir über den Kopf zu ziehen.

Dann zieht er mich zu dem Spiegel hinüber, der an der Wand hängt und stellt sich hinter mich. Wir bieten einen komischen Anblick. Hinter uns tauchen Chase und Dominic auf und einen Moment lang stehen wir zu viert vor dem Spiegel wie eine kleine Familie.

„Hat was." Murmelt Chase und Dominic nickt langsam.

Ich schaue an mir herab und muss beinahe Lachen. Immerhin passt die Maske farblich zu meinem kurzen weißen Kleid, während die Jungs schwarze Outfits tragen.

Ein kleiner Teil meiner Anspannung löst sich, während ich mich im Spiegel betrachte. Niemand kann mich erkennen. Meine Eltern, denen ich erklärt habe, dass ich bei Cara übernachte, um für die anstehenden Klausuren zu lernen, erst recht nicht. Es wundert mich, dass sie mir das überhaupt erlaubt haben.

Vielleicht hat er ein schlechtes Gewissen. Aber ich weiß genau, dass ihm dieses Wort genauso so fremd ist wie Empathie.

„Bereit?" fragt Chase dann und ich nicke. Ich kann das. Ich habe schon oft gesungen, sogar alleine. Die drei nehmen mich in ihre Mitte und gemeinsam treten wir hinaus auf die Bühne.

Augenblicklich beginnen die Leute zu schreien und mein Herz rast. Ich brauche einen Moment, um mich zu orientieren. Es ist dunkel, die Instrumente sind von Schweinwerfern erleuchtet und ich kann gar nicht fassen, wie viele Leute da sind. Es sind über tausend.

Das Keyboard, das Chase kurzerhand noch von seiner Tante organisiert hat, steht links vorne auf der Bühne und ich setze mich schnell. Vermutlich sollte ich mich den Zuschauern präsentieren, aber ich bin so nervös, dass ich gar nicht anders kann. Erst als ich sitze wird mir klar, dass niemand von meiner Existenz weiß. Ich bin ein neues Mitglied.

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