kapitel 30 - dominic

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DOMINIC

Vielleicht liegt es daran, dass ich mein Leben in dysfunktionalen Pflegefamilien und rauen Kinderheimen verbracht habe, aber ich kann immer spüren, wenn etwas nicht stimmt. Ich weiß genau, wann es besser ist, sich bedeckt zu halten und still zu sein, oder wann man zurückschlagen sollte.

Aber ich bin mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem ich auf einmal keinen genauen Plan mehr habe, was ich tun soll. Ich habe ein schlechtes Gefühl. Ich weiß, was passieren wird. Ich spüre es. Alle paar Minuten checke ich mein Handy ab, aber abgesehen von der Uhrzeit und dem unschuldigen Wort „Sonntag" steht nichts auf dem Bildschirm. Keine Nachricht. Nichts.

Aber es ist nur eine Frage der Zeit. War es schon immer, wenn ich darüber nachdenke. Es liegt in meiner Familie, früher zu gehen und seit ich denken kann, ist mir bewusst, dass ich davon nicht verschont bin. Ich spüre diese Unruhe in mir, diese Rastlosigkeit. Mein Unterbewusstsein weiß, was passieren wird. Mein Körper weiß es.

Meine Hände zittern.

Ich schaue wieder auf mein Handy, öffne die Chats und als ich Leahs Profilbild sehe, kommt mir ein Gedanke. Später habe ich noch einen Boxkampf, aber vorher habe ich noch kurz Zeit. Und es gibt etwas, was ich noch erledigen muss. Also schreibe ich eine knappe Nachricht und ich habe Glück, denn sie antwortet innerhalb weniger Minuten. Nur kurze Zeit später schwinge ich mich auf mein Motorrad und rase los, um sie abzuholen.

Wie immer grinst sie fröhlich, als sie mich sieht und ich versuche sogar, es zu erwidern, aber ich kriege meine Mundwinkel einfach nicht hoch. Ihr Grinsen wird ein wenig schwächer, weil sie denkt, dass ich sauer bin oder was auch immer und ich will ihr sagen, dass alles gut ist, dass sie weiter lächeln soll, weil sie mich ablenkt und weil ich nie wirklich sauer auf sie sein kann, aber kein Ton kommt über meine Lippen. Wir fahren los, ich habe keine Ahnung, wo hin, aber ich fahre einfach. Ich biege auf eine Landstraße ein, bis ich ein gelb leuchtendes Sonnenblumenfeld in der Ferne erblicke und Leah mich prompt in die Seite piekst, um mich darauf aufmerksam zu machen.

Ich biege ab und als wir halten, springt sie ab und reißt sich schwungvoll den Helm vom Kopf.

„Wow, wie schön!" sagt sie andächtig und dreht sich breit lächelnd im Kreis, um die ganzen riesigen Blumen begutachten zu können und für einen Moment schaue ich ihr einfach zu. Die Sonne geht langsam unter, taucht den Himmel in ein warmes Orange, das ihre Augen zum Strahlen bringt.

„Hast du vor, mir Blumen zu kaufen, oder warum sind wir hier?" fragt sie mich dann mit hoffnungsvollen Augen und deutet auf den kleinen Selbstbedienungsstand, der an der Straße steht.

„Ich hab kein Geld dabei, aber ich kann dir welche klauen." Entgegne ich. „Aber das ist nicht der Grund, weswegen wir hier sind."

Sie schaut mich neugierig und ein wenig misstrauisch an, was ich ihr nicht verübeln kann. Sie kann nicht wissen, dass ich heute nichts schlimmes vorhabe. Zumindest nicht mit ihr.

„Ist alles okay?" fragt sie beunruhigt und ich nicke schnell.

Dann greife ich in meine Hosentasche und plötzlich beschleunigt sich mein Puls, als ich eine kleine Schachtel ans Tageslicht befördere, die sie überrascht beäugt.

„Sind das Drogen?" fragt sie mit piepsiger Stimme und ich schüttele schnell den Kopf.

„Nein. Keine Drogen." Sage ich und öffne die Schachtel. „Ich hab die Ohrringe mitgehen lassen, als ich eingebrochen bin. Und dann habe ich den ganzen Schmuck verkauft, aber die nicht. Und ich dachte mir, dass du sie haben sollst. Wenn du sie willst. Sie passen zu dir."

Ihre Lippen öffnen sich einen Spalt, als sie die eleganten Perlenohrringe begutachtet, die mich an sie erinnert haben. Ich weiß gar nicht, warum ich sie nicht einfach verkauft habe. Aber irgendetwas hat mich davon abgehalten.

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