kapitel 26 - dominic

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DOMINIC

Ich glaube, ich habe offiziell meinen Tiefpunkt erreicht.

Es ist stockfinster, ich liege auf dem Rücken und höre Leahs gleichmäßigen Atemzügen zu, um mich zu beruhigen. Wenn sie atmen kann, dann kann ich das auch. Es ist doch so einfach. Eigentlich. Ich passe mich an ihren Rhythmus an und konzentriere mich, ehe ich die Augen wieder schließe und einen neuen Versuch starte, einzuschlafen.

Doch nach nur drei endlosen Minuten kann ich mich nicht länger zurückhalten und greife nach meinem Handy. Der Bildschirm ist zu hell und ich drehe die Helligkeit schnell runter, damit Leah nicht aufwacht, die sich neben mir schon ein wenig bewegt. Es ist zwei Uhr nachts und ich bin hellwach, dabei ist mein Körper vollkommen erschöpft, vom Konzert und vom Leben. Ich habe seit drei Tagen nicht geschlafen und obwohl ich irgendwie darauf spekuliert habe, dass ich heute vielleicht wenigstens ein paar Stunden Ruhe finde, habe ich mich schnell mit der Tatsache abgefunden, dass ich das vergessen kann.

Normalerweise hat Leahs Anwesenheit eine seltsam beruhigende Wirkung auf mich. Vielleicht, weil sie es schafft, innerhalb von zwei Minuten einzuschlafen und weil sie so ruhig und friedlich ist, dass es auf mich übergeht. Aber heute nicht. Wir waren nach dem Konzert nicht mal feiern, obwohl ich versucht habe, sie zu überreden, mit Jackson mitzugehen, damit ich zuhause meine Ruhe habe. Aber sie hat sich geweigert, weil sie aus irgendeinem Grund lieber direkt zu mir wollte. Was ich nicht verstehen kann, weil ich eine depressive wandelnde Leiche bin und außerdem mit den Nerven völlig am Ende. Ich hab ja nicht mal was zu essen für sie zuhause.

Das scheint sie nicht zu stören und es sollte mir peinlich vor ihr sein, dass ich mein Leben nicht im Griff habe, aber ich habe keine Energie dafür. Genau genommen habe ich keine Energie mehr für irgendwas. Ich will einfach nur schlafen aber nicht mal das kann ich.

Ich schaue mir die Textnachricht zum zehnten Mal an und spüre den Druck, der auf mir lastet.

Mehr Cash oder ich lasse die Geräte abstellen, steht da und meine hektischen Augen gehen immer wieder über die Schrift, als würde sie plötzlich verschwinden und alles wäre gut. Vielleicht träume ich auch gerade. Vielleicht ist nichts mehr real. Würde ich es überhaupt merken?

Heute haben wir Geld eingenommen und ein Stapel Scheine liegt auf meinem Schreibtisch, aber das ist eine einmalige Zahlung und es wird mit jeder Woche mehr. Der Druck steigt und ich fahre mir über das Gesicht, ehe ich meine schmerzenden Schläfen massiere. Mein Kopf fühlt sich an als würde er jeden Moment platzen.

Ich habe die nächste Zahlung schon so weit herausgezögert wie es ging, aber ich weiß, dass ich dem ganzen nicht lange standhalten kann.

Es ist unmöglich, innerhalb von vier Tagen tausende Dollar anzuschaffen, aber ich muss. Mein Brustkorb verengt sich und ich fahre mir müde über das Gesicht. Ich könnte Chase und Jackson erzählen, was los ist. Zusammen könnten wir es schaffen, aber für wie lange?

Neben mir macht Leah ein kleines Geräusch und kuschelt sich tiefer in die Decke. Ihre Nähe macht das alles nicht besser. Kurz kommt mir der Gedanke, sie zu kidnappen und ihre Eltern zu erpressen, aber sie würde mich sofort verpetzen und im Gefängnis bin ich auch keine Hilfe. Eine weniger illegale Möglichkeit wäre natürlich auch einfach, sie zu fragen, denn das Mädchen neben mir ist eine lebende Geldquelle.

Aber das würde ich nie im Leben tun. Vorher sterbe ich.

Als wüsste sie, dass ich gerade über sie nachdenke, rutscht sie plötzlich näher und ich verspanne mich. Nach zwei Nächten mit ihr in einem Bett sollte ich daran gewöhnt sein, dass wir nicht wie normalerweise drei Meter Sicherheitsabstand zueinander haben, aber es ist trotzdem ungewohnt und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich wurde nie viel angefasst in meinem Leben. Und wenn doch, dann nur dann, wenn ich es nicht wollte. Berührungen haben sich für mich nie gut angefühlt. Ich rutsche ein Stückchen von ihr weg.

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