Kapitel 19

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Sie lief langsam den Korridor entlang. Die Luft fing an ihr zu entweichen. Ab und an wurde ihr schwarz vor Augen. Sie spürte wie sich ihr Körper nach jedem ihrer Schritte schwerer wurde.

Als sie vor seiner Tür stand, schloss sie ihre Augen und unterdrückte ihre Tränen. "Du schaffst das Bahar", redete sie sich ein und verlor dabei noch eine Träne.
Sie wischte sich die Träne weg, atmete ruhig ein und aus und drückte die Türklinke langsam runter. Im Zimmer konnte sie sich diesmal nicht mehr zurück halten und fing an zu weinen. Sie lehte sich an die Wand, presste ihre Lippen zusammen und rutschte weinend die Wand runter.
"Kadir", sprach sie zittrig und lief langsam auf ihn zu. Er lag regungslos da. Nur sein Brustkorb hebte und senkte sich und das mit Hilfe der Maschinen. Seine wunderschönen grünen Augen sind heute seit drei Jahren geschlossen und seit drei Jahren ist er dank Bahar, an einer blöden Maschine gebunden.

" Kadir?... Aşkım", sprach Bahar sanft und berürte zögernd seine Hand.
"E-es.. tut mir so Leid."
Sie schluchzte und legte ihren Kopf auf seine Hand, ohne dabei ihre Hand zu lösen. Ungefähr fünf Minuten lag sie so und weinte.
"Ich hab wirklich gedacht ich würde alles vergessen, die Vergangenheit, die schmerzen und dich."

-schweigen-

"Ich wollte meine Schuldgefühle unterdrücken, doch je mehr ich das tat, desto schlimmer wurden die Schulgefühle und viel unerträglicher."

Bahar richtete sich auf und fuhr mit ihrer anderen Hand, seine Wange entlang und hinterließ dort einen leichten kuss.

"Seni seviyorum", flüsterte sie und verließ das Zimmer. (Ich liebe dich)

Weinend lief sie Richtung Ausgang, doch nachdem sie aus dem Zimmer war, ging es ihr nur noch viel schlimmer. Lange konnte sie sich nicht mehr halten und setzte sich schnell auf eines der Stühle, die sich in ihrer Nähe befanden.

"Geht es Ihnen gut?", hörte Bahar eine tiefe doch zu gleich sanfte Stimme.
Sie hob langsam ihren Kopf und sah wie ein junger Arzt, besorgt auf sie herab sah.
Träge nickte sie und wollte aufstehen, doch genau in dem Moment versagten ihre Beine und sie fiel fast zu Boden, doch der Arzt griff ihr schnell unter die Arme und setzte Bahar wieder auf den Stuhl.
" Ihnen geht es nicht gut. Wollen sie vielleicht ein Beruhigungsmittel?"
Sie schütellte wieder ihren Kopf.

" Bahar!", hörte sie jemand nach ihr rufen und nicht lange musste sie überlegen und richtete ihre Blicke Richtung Ausgang.
Bahar brach in Tränen aus und rannte zu Hacer. Sie umarmte Hacer und weinte in ihren Armen.
"Ha-hacer. Ich kann nicht mehr. Es tut so weh", schluchzte Bahar und suchte nach Trost. Hacer streichelte ihrer Haare.
"Es tut mir so Leid Hacer. Nur wegen mir ist er so.. nur wegen mir."
Bahars Stimme versagte und löste sich von Hacer.
"Nein, es ist nicht deine schuld. Und jetzt komm, wir fahren zu mir. Sefa hat wahrscheinlich schon gemerkt das wir ihn belogen haben. Zuhause rufen wir ihn dann an. Okay?"
Bahar nickte schluchzend, hakte sich bein Hacer ein und legte ihren Kopf auf Hacers Schulter.

Bei Hacer Zuhause

"Geh und wasch dir dein Gesicht. Ich ruf Sefa an und werde schon was erfinden."

Bahar nickte schwach und lief in Badezimmer. Dort wusch sie ihr Gesicht und setzte sich anschließen auf den Wäschekorb. Heute sind es schon drei Jahre. Drei Jahre in der sie nur Schuldgefühle und schmerz empfand.
Es klopfte an der Tür. "Bahar?"
Sie wischte sich die Tränen weg, atmete tief ein und aus und öffnete die Tür. Bahar blickte in zwei besorgte grüne Augen, die Augen die er auch hat. "Ich hab Sefa angerufen, er hat sich echt sorgen gemacht und war etwas wütend, er kommt gleich hierher. Ich hab ihm gesagt das du schon vorher bei mir Zuhause warst."
Bahar presste ihre Lippen aufeinander, nickte und lief mit Hacer zusammen ins Wohnzimmer.
Es war still, man hörte nur das Ticken der Wanduhr. Bahar unterbrach die Stille.
"Ich kann das nicht mehr Hacer."
"Was kannst du nichts mehr?"
"So tun als ob alles normal wäre, so tun als ob ich verliebt in Sefa wäre. Es schmerzt und es fühlt sich verdammt noch mal falsch an. Was wenn er aufwacht? Und du? Warum hasst du mich nicht dafür, dass ich geheiratet habe nur um deinen Bruder und meine Schuldgefühle zu unterdrücken?"

Bahar weinte und versteckte ihr Gesicht mit ihren Händen. Sie spürte wie Hacer sie behutsam in die Arme nahm.
"Ich bin dir nicht Böse und außerdem, musst du irgendwo neu anfangen. Du darfst und kannst nicht immer hinter ihm her trauern, er wird nicht mehr aufwachen. Und du wirst Sefa schon lieben lernen, es ist im Moment zwar schwer für dich aber du schaffst das."
Hacer küsste ihre Schläfe und löste sich von ihr.
"Das ändert aber trotzdem nichts an meiner Schuld", flüsterte Bahar und wischte sich ihre Tränen weg.
"Wie oft denn noch! Es war nicht deine Schuld! Es war Tuna der das Aut-"
Hacer wurde durch die Tür unterbrochen.
"Geh wieder ins Bad und mach dich frisch. Es müssten dort Abdeckstifte sein, die kannst du benutzen", sagte sie und lief zur Tür. Bahar eilte schnell ins Badezimmer und schloss die Tür hinter sich ab. Sie hörte wie Sefa Hacer begrüßte und er sofort nach Bahar fragte.
"Sie ist im Badezimmer, setzt dich schon mal ins Wohnzimmer, ich mach uns Tee", lenkte Hacer ihn ab .
Nach dem Bahar sich so gut wie möglich "frisch" gemacht hatte, lief sie lächelnd ins Wohnzimmer und traf einen wütenden Sefa. "Was ist los? Warum siehst du so wütend aus?", sagte Bahar und setzte sich neben ihn, dabei musste sie schmerzhaft an Kadir denken.
"Du hast mich angelogen", zischte er.
"Ja aber, ich wollte keine zwei stunden warten und bin einfach zu Fuß gelaufen. Was ist so schlimm daran?"
Er hob eine Augenbraue. "Das du so spät allein draußen warst? Und außerdem war Hacer zu dem Zeitpunkt nicht zuhause."
Und da hat sie es. Sie wusste nicht was sie sagen sollte, doch zum glück kam Hacer zu ihrer Rettung aus der Küche. "Sie hatte meinen Ersatz Schlüssel", sagte sie lächelnd und legte das Tablett mit den Gläsern auf den Tisch.

Am nächsten Morgen

In der letzten Arbeitsstunde konnte ich mich kaum noch konzentrieren. Ständig starrte ich auf die Uhr und konnte es kaum abwarten nach Hause, zu meinen Eltern zu fahren.
"Sefa du vollfosten!"
Ich erschrak und richtete meine Blicke zu Hacer. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich jetzt Tod.
"Ich rede mit dir und du hörst mir nicht zu!", meckerte sie.
Ich lächelte schief und ging mir durch die Haare. "Tut mir Leid. Ich will nur noch raus hier. Ich hab mich zu sehr an die freien Tage gewöhnt", seufzte ich und schaute wieder auf die Uhr.
"Ja ist ja gut jetzt, aber wir haben ein Problem."
Ich runzelte die Stirn.
"Ich weiß nicht ob jemand dir beschied gab, als du noch in Sydney warst, aber Cihan war bei euch Zuhause und hat dich gesucht."
Ich nickte. "Ja Sedat hat mich angerufen. Ich regel das noch."
Hacer schüttelte mit ihrem Kopf.
"Du brauchst es nicht mehr zu regeln."
"Warum?"
"Cihan hat gefunden was er bei dir gesucht hatte."
"Und was?"
"Lâvin... Und er hat sie nicht in Deutschland gefunden. Er hat sie in Sydney gefunden."

Meine Augen weiteten sich. Sie war in Sydney... Also war sie es doch!
An einem Tag in Sydney dachte ich Lâvin gesehen zu haben, aber da schob ich die schuld der Hitze, da es unerträglich warm war.

Meim Herz machte aufeinmal einen Sprung. Unendliche Gedanken und Fragen schwirlten in meinem Kopf.
Hat sie mich wegen ihren Brüdern verlassen?
Nein, ihre Brüder haben mich alle gemocht, naja außer der älteste, Cihan. Abee der wusste nichts von unsere Beziehung.
Hat er den alles erfahren?

Seufzend ging ich mir durch die Haare.

"Komm, wir haben Feierabend", sagte Hacer und zog sich ihre Jacke an.


Zuhause angekommen, lief ich hoch begrüßte Bahar, die sich im Schlafzimmer schminkte und stieg unter die dusche.
Nach 15 Minuten war ich auch schon komplett angezogen und berreit los zu fahren.

Im Auto herrschte vom gestrigen Abend unangenehme Stille. Eigentlich war ich immer noch wütend auf sie, doch irgendwie gibt sie mir das Gefühl schuld an der ganzen Sache zu sein.

"Tut mir Leid", sprach ich sanft, sah kurz zu ihr und dann wieder auf die Straße.

Ich sah wie sie zu mir sah. " Schon okay."
Wieder sah ich in ihre Richtung. Wir kamen kurz in Augenkontakt, doch Bahar richtete ihre Blicke schnell wieder auf die Straße und fing an laut zu kreischen. "SEFA!"
Das letzte was ich mitbekam war ein Hupen und ein harter Aufprall.


Es nimmt der Augenblick, was Jahre geben.

Johann Wolfgang von Goethe

SefaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt