Kapitel 28

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Bahar

Als der Artzt gegangen war, setzte Bahar sich auf den Stuhl . Sie schwieg. Das gewimmer um ihr, wurde ihr mit jedem Atemzug bedrückender. Das Schweigen lastete auf ihren Schultern und ihrem Magen. Ihre Hände fingen an zu kribbeln, als ob jemand mit einer Nadel auf sie einsticht. Das Gefühl kroch ihr die Arme hoch und die Brust, und sie wusste, wenn es ihren Kopf erreicht, wird sie ohnmächtig. Sie wollte etwas sagen. Nicht ein Wort konnte sie herrauspressen.
Es war Hacer, der sie erlöste. Sie stand auf und nahm Bahar in die Arme. Beide ließen freien Lauf und weinten.

Sie war es gewohnt seine Stimme nicht mehr zu hören, eine Stimme, die eigentlich etwas anderes war. Sie war weich, sanft und melodisch. Seine Stimme konnte sie tragen und trösten, sie konnte sie beschützen und einschläfern.
Nicht mehr in seine Augen sehen zu können. Drei Jahre musste sie mit diesem verlusst Kämpfen. Jetzt traf sie es schlimmer.
Der Gedanke ihn nicht mehr berühren zu können, seinen Duft nicht mehr ein atmen zu können, seine Haare nicht mehr streicheln zu können. Es kam ihr so vor als ob Bahar, immer mehr in ein tiefes unendliches Loch fiel.

Sie fand keinen Schlaf. Nicht nach einem solchen Tag, nicht in dieser Nacht. Auch nicht in der nächsten oder der darauf folgenden. Sie lag neben Sefa und dachte an Kadir. Ihr wurde bewusst, wie viel Kraft ihr jeder Tag kostete. Sie empfand die Einsamkeit, in der sie lebte, plötzlich als unerträglich, obwohl es Sefa gab.
Bahar verehrte ihn und vertraute ihm. War unendlich dankbar für die Aufmerksamkeit, die Zuneigung, die er ihr schenkte. Dennoch fühlte sie eine seltsame Distanz zu ihm.

Sefa

Ich hob den Kopf ein wenig und betrachtete Bahar. Sie war seit dem offizielen Tod von Kadir, wie eine lebende tote. Sie nahm alles träge wahr, ging in keine Gespräche ein und lachte selten. Ab und zu versuchte sie mir mit einem lächeln zu sagen, dass es ihr gut ginge, jedoch ist es und war es unglaubwürdig.

Wie aus dem nichts, fing Bahar an zu würgen und rannte mit der Hand vor dem Mund ins Badezimmer. Es war fast unmöglich, sie nicht zu hören. Mit schnellen Schritten eilte ich ihr hinterher und wollte gerade ins Badezimmer rein, da schloss sie die Tür vor mir zu.
"Bahar." Ich klopfte an der Tür.

Sie würgte ein weiteres mal.

"Bahar mach die Tür auf."

Sie öffnete die Tür. Ihr Gesicht hatte sich blassgelblich gefärbt, und ihre Haut war mit winzigen Schweißperlen bedeckt. "Du siehst schrecklich aus", sagte ich belustigt um sie etwas aufzumuntern, jedoch scheiterte mein Versuch. "Schon okay", sagte sie monoton und wollte vorbei, was ich nicht zu ließ und sie in die Arme nahm. Genau in diesem Moment, fing sie an zu weinen und schmiegte sich enger an meine Brust. Ich spürte das wimmern und ihren schnellen Herzschlag. Ich sagte nichts, hob sie hoch und trug sie in unser Bett, lege mich zu ihr und zog sie auf meine Brust. Sie weinte bis sie letztendlich einschlief.

"Warte verdammt!"

Sie hörte nicht, rannte weiter.
Ich holte sie ein, packte sie grob am Arm und stoppte sie.
Mein Brustkorb hebte und senkte sich unregelmäßig, ich versuchte meinen Atem zu regulieren.
Mit schmerz und Kummer blickte sie mir in meine Augen.
Sie schütellte ihren Kopf, riss ihren Arm aus meiner Hand.

" Lass mich bitte in ruhe Sefa", flüsterte sie schluchzend.
"Zwei jahre." Sie machte eine pause.
" Ich habe auf deine liebe gewartet. Ich wusste, du liebst mich nicht. Ich wusste dein Herz gehört einer anderen, aber ich habe troztdem gewartet. Vielleicht würdest du genausowie ich, deine erste große Liebe vergessen, ein neues Kapitel aufschlagen."
Wieder machte sie eine pause. Ihre Augen hörten nicht auf Tränen zu verlieren.
"Du hast dich jedoch dagegen entschieden und mich nur ausgenutzt um deine Wunden zu heilen. Hat es dir was gebracht?"

Lächlend schütellte sie ihren Kopf, während ihr die Tränen wie ein Wasserfall runter liefen.

Ich konnte nichts sagen, nichts erwidern und nichts fühlen. Nur leer blickte ich in ihre blauen Augen.
Sie presste ihre schmalen rosa Lippen aufeinander und schütellte ihren Kopf.

"O-okay", stotterte sie und drehte mir ihren Rücken zu. Mit langsamen Schritten entfernte sie sich schluchzend von mir.

Ich konnte nichts mehr tun. Einfach nichts. Wie gelähmt stand ich da.
Irgendwas in mir bebte.

Sollte ich sie aufhalten?
Sie am Arm packen und in die Arme nehmen?

Ich hob meine Hand, betrachtete den silbernen Ring an meinem Ringfinger und drehte an ihm. Das Symbol der Ehe.

Ich hob meinen Kopf sah in die Richtung, in die meine Ehefrau sich mit langsamen Schritten von mir entfernte. Ihre Schulter langen, kastanienbraunen Haare verloren in den letzten Monaten ihren eigentlichen Glanz, genauso wie ihre wunderschönen blauen Augen.

Ist es ein Fehler nicht zu lieben?

Schweißgebadet zuckte ich aus meinem Schlaf. Mein Herz raste. Was war das? Tief atmete ich ein und ging mit den Händen durch meine Haare.
Ich sah zu meiner rechten und sah wie Bahar unruhig um sich herrun stemmte. Sie verließ mich in meinem Traum und liebte mich. Seufzend lehnte ich mich nach hinten und sah auf die Decke.

Ausgenutz. Wunden.

Diese beiden Wörter schwirrten in meinem Kopf herum. Es stimmte. Meine eigenen Gefühle waren mir wichtiger. Ich wollte Lâvin vergessen und dafür habe ich Bahar ausgenutz, nur um meine Wunden zu heilen.

Könnte ich Bahar eines Tages lieben? Und Bahar mich?
Und wenn ja, was hat dieser Traum für eine Bedeutung?

Es ist verdammt schwer, einen Menschen zu nehmen, wie er ist, wenn er sich anders gibt, als er ist.

Ernst Ferstl

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