Kapitel 10

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"Hast du schon alles eingepackt, mein Sohn?", fragte mich meine Mutter, als sie in mein Zimmer kam und sich auf meinen Sessel setzte. Ich nickte, zog den Reißverschluss meiner letzten Tasche zu und setzte mich zu ihr. Warm lächelte sie und legte ihre zarten Hände auf meine. Ich sah, wie traurig sie war – ist auch selbstverständlich. Mit meinem Verhalten in den letzten Monaten würde ich mich auch so ansehen. Ich blickte mich in meinem Zimmer um. Alles wurde weggeräumt und in meine neue Wohnung transportiert. Naja, eher gesehen: Bahar und meine Wohnung.

"Yusuf und das Baby können sich das Zimmer teilen. Hicran kann es nach ihrem Geschmack gestalten", sagte ich und schaute in die blauen Augen meiner Mutter. Ihre Augen wurden plötzlich glasig, also nahm ich sie in den Arm.

Sie schluchzte.

"Es tut mir leid, mein Sohn. Wenn ich könnte, würde ich die Heirat verhindern."

Ich löste mich von ihr und blickte erneut zu ihr.

"Ist schon okay. Es ist meine Entscheidung. Ich wollte es so."

Ich lächelte aufmunternd und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Du magst Bahar, oder?"

"Sie ist ein feines Mädchen. Ich bin sicher, sie wird gut auf dich aufpassen", flüsterte sie und strich sanft durch meine Haare.

"Jetzt ruh dich aus, morgen wird ein anstrengender Tag für dich."

Mit einem Kuss auf die Wange stand sie auf.

"Gute Nacht."

"Gute Nacht, Annem."

Ruhig legte ich mich in mein Bett und betrachtete die weiße Decke. Die letzte Nacht in meinem Elternhaus, und morgen werde ich offiziell Bahar heiraten. Gedanken daran, wie es wäre, Lâvin zu heiraten, durchzogen meinen Kopf. Sicherlich wäre ich überglücklich, aber das Schicksal hatte andere Pläne für mich. Jetzt hoffe ich nur, dass die Hochzeit mit Bahar reibungslos verläuft und ich danach einfach abschalten kann.

Trotz allem wünsche ich mir, dass Bahar glücklich wird. Die Müdigkeit übermannte mich, und meine Augenlider schlossen sich allmählich. Ich versank in einen tiefen und traumlosen Schlaf.

~~

Aufstehend am nächsten Morgen, traf mich die Realität erneut wie ein Schlag ins Gesicht. „Heute wird geheiratet", murmelte ich vor mich hin und begab mich ins Badezimmer. Nach einer erfrischenden Dusche, zog ich mir was bequemes an, nahm meine Tasche und ging hinunter in die Küche. Meine Mutter war bereits wach und bereitete das Frühstück vor.

„Setz dich und iss schnell etwas", befahl sie mir, während sie mir gleichzeitig eine Tasse Tee einschenkte. Doch gerade als ich einen Schluck nehmen wollte, erreichte mich eine Nachricht von Sinan.

Bin draußen.

Seufzend biss ich in mein Brot, gab meiner Mutter einen Kuss auf die Wange und schnappte mir meine Sachen.

"Muss los. Sinan ist da."

"Aber Frühstü-"

Mehr bekam ich nicht mit, denn ich war bereits draußen. Die angenehme Wärme, typisch für Ende August, umgab mich.

Sinan wartete in seinem Wagen und öffnete den Kofferraum von dort aus. Ich packte meine Tasche hinein, hängte meinen Anzug hinten auf und setzte mich anschließend nach vorn zu Sinan.

"Guten Morgen, Bräutigam. Wie fühlen Sie sich an Ihrem großen Tag?"

Er sprach mit einer gewissen Moderator-Geste und neigte seine Hand in meine Richtung. Ich schwieg und sah ihn einfach nur ernst an.

Sinan hob eine Augenbraue und sprach in sein imaginäres Mikrofon: "Die Nerven liegen blank. Es schwebt Aufregung in der Luft, meine Damen und Herren. Fortsetzung folgt."

Sinan lachte und schlug mir leicht auf den Oberarm.

"Komm schon, Sefa. Sei kein Miesepeter. Zumindest heute nicht."

Ich sah zu ihm.

"Für Bahar", sprach er noch als letztes startete sein Auto und fuhr zu Burak's Friseur Salon.

Gökhan und Eren sind bereits im Friseursalon, wo alles schon in vollem Gange ist. Während sie bereits für den großen Tag vorbereitet sind, finde ich mich in einem
Zwiespalt, zwischen dem, was sein sollte, und dem, was mein Herz fühlt.

"Mann, unser Bräutigam ist da!" rief Eren und umarmte mich. Plötzlich wurde Eren beiseite geschoben, und Gökhan stand kopfschüttelnd vor mir. „Auch wenn ich gegen diese Hochzeit bin, du bist nun mal mein Bruder." Er umarmte mich.

"Hey! Und ich?" sagte Eren gleichzeitig und hob eine Augenbraue.

Gökhan löste sich von mir und schlug Eren auf den Kopf. „Du bist nicht mein Bruder. Wir haben dich adoptiert." Während Gökhan und Eren weiter diskutierten, setzte mich Burak -der Friseur- auf den Stuhl und begann, mich frisch zu machen.

„Bist du aufgeregt?", fragte Burak und wischte mit dem Handtuch über mein Gesicht, dann sagte er: "Fertig." Ich beugte mich nach vorn zum Spiegel und sah mir das Endergebnis an. Dabei zuckte ich einmal mit den Schultern und stand auf.
„Danke Bruder. Wir sehen uns dann auf meiner Hochzeit", sagte ich lächelnd und bezahlte die Rechnungen. Sinan gab mir noch meinen Anzug, den ich im hinteren Raum anzog. Gökhan machte mir meine Fliege, brachte meine Manschettenknöpfe an und klopfte mir auf die Schulter. „Es kann los gehen."

In der Ehe muss man einen unaufhörlichen Kampf gegen ein Ungeheuer führen, das alles verschlingt: die Gewohnheit.

Honore de Balzac

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