FÜNFUNDVIERZIG.

21 4 0
                                    

Nervös und mit zitternder Hand schließe ich die Haustüre auf und betrete leise den Flur. Mir schallen leise Klaviertöne aus dem Wohnzimmer entgegen und kurz darauf höre ich Harrys wundervolle Stimme, die den Raum sofort mit Wärme erfüllt.

"Just stop your crying. It's a sign of the times"

Ich halte sofort Inne und schaue zur offenen stehenden Tür zum Wohnzimmer. Ich kann Harry nicht sehen, denn das Klavier steht direkt rechts von der Tür. Die Töne des Klaviers hallen weiter durch die Räume im Haus und ich merke, wie sich eine Gänsehaut auf meinem Arm breit machte, als ich seine Stimme ein weiteres Mal hörte.

"We never learn, we been here before.
Why are we always stuck and running from?"

Was sang er da? Welches Lied war es? Ich hatte das Gefühl, dass die Worte, die er da sang über uns waren. Hatte er mitbekommen, dass ich geweint hatte, all sie letzten Tage? Hatte er mitbekommen, dass ich wieder unsicher wurde, dass ich ihn am liebsten gar nicht gehen lassen wollte? Langsam ging ich den Flur entlang, aufs Wohnzimmer zu und blieb kurz vor der Tür stehen, als das Klavier verstumme und ich Harry leise Worte singen hörte, wobei er sie eher sprach als sang.

"They told me that the end is near
We gotta get away from here.
Just stop your crying. Have the time of your life"

Ich merkte, wie sich wieder Tränen in meinen Augen bildeten. Er sang über uns. Und er sang genau das, was Chloe mir mehr oder weniger eben auch gesagt hatte. Das Ende ist nah, und vermutlich näher als ich es wahrhaben wollte. Langsam gehe ich den letzten Schritt und trete in Wohnzimmer. Mein Blick geht nach rechts und da sitzt er. Sein Lederbuch auf den Tasten und einen Stift in der Hand. "They told me that the end is near?" wiederholte ich seine Worte leise und ich merkte, wie mir dabei die erste Träne über die Wange lief.

Erschrocken fuhr Harry herum und sah mich mit großen Augen an "Sarah..." hauchte er und sprang förmlich von dem schwarzen Lederhocker auf und stellte sich direkt vor mir. Mein Blick war fest auf ihn gerichtet "Du... singst... Über uns...?" brachte ich flüsternd über meine Lippen und eine weitere Träne rannte über meine Wange herunter. Harry wusste nicht, was er sagen wollte, er zupfte nervös an seiner Unterlippe, wich meinem Blick aus und suchte nach den richtigen Worten. Doch die brauchte er gar nicht zu finden, denn das, was er eben gesungen hatte, wäre mehr als ausreichend.

Ich gehe einen Schritt zurück, entferne mich von ihm ohne ihn aus den Augen zu lassen. "Vielleicht haben sie recht... vielleicht ist das Ende nah und vielleicht ist es schon lange angekommen und wir wollten es einfach nur nicht wahrhaben" fing ich leise an. Meine Stimme zitterte und mein Kinn zog sich zusammen während ich versuchte den Kloß in meinem Hals zu unterdrücken. "Sarah... ich..." fing er an, doch ich hob meine Hand und schüttelte den Kopf "Bitte lass mich... Lass mich etwas sagen Harry" unterbrach ich ihn und holte tief Luft.

"Mir ist in den letzten Tagen wieder oft das Gefühl der Unsicherheit aufgekommen, ich habe einige Tränen vergossen und... Ich kann es nicht verhindern das diese Unsicherheit immer wieder in mir aufkommt. Ich kann es nicht, ich bin nicht dafür gemacht immer und immer wieder monatelang von dir getrennt zu sein. Ich kann es nicht... und... Ich will dir nicht immer wieder im Weg stehen, ich will dir dein Leben und deinen Traum nicht verbauen und vor allem will ich nicht, dass du auf irgendetwas verzichten musst." meine Stimme bricht weg, und ich kann Harrys Blick nicht weiter standhalten. Heiße Tränen brannten auf meiner Haut und ich kann ein Schlurzen nun doch nicht mehr verhindern.

Noch einmal hallen mir Chloes Worte durch den Kopf und für einen Moment habe ich Angst zu voreilig zu handeln. Vielleicht hatte sie einfach unrecht, vielleicht muss ich einfach lernen mit diesem Gefühl in mir umzugehen. Ich meine, ich liebe Harry, mehr als alles andere auf dieser Welt und ja, wir haben in den letzten Jahren so viel durchgemacht und dennoch stehen wir hier gemeinsam. In unserem eigenen Haus.

Vor kurzem kam uns sogar die Überlegung einen Hund anzuschaffen, für genau diese Zeiten, wenn ich alleine zuhause war und Harry unterwegs war. So hatte ich jemanden der mich beschützte und vor allem war ich eben nicht alleine, sondern hätte eine kleine Fellnase an meiner Seite.

Kurz muss ich schmunzeln über meine Gedanken, doch das verschwindet recht schnell wieder als Harrys Stimme mich aus meinen Gedanken holt und mir eine simple, aber angsteinflößende Frage stellte.

"Sarah... machst du... machst du gerade Schluss mit mir?" fragte er mich und sah, wie ihm jegliche Gesichtszüge dabei entglitten.


The way back to you 🖤 (h.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt