Die Familie saß beim Frühstück.
„Liebes, würdest du nicht auch sagen, dass Papa lieber oben schlafen sollte? In letzter Zeit legt er sich hier unten zur Ruhe, anstatt nach oben zu gehen."
„Nein, ich denke, es ist beruhigender, wenn er unten die Tür bewacht."
„Ist dem so?"
Theresas Augen wurden schmal. David und Sophie gaben sich unter dem Tisch heimlich ein Zeichen des Erfolgs.
„Wie auch immer. Sophie, weißt du eigentlich, was heute für ein Tag ist?"
„Hmm. Nein, Mama."
„Heute ist Sonntag. Da müssen wir in die Kirche gehen, um Gott zu ehren."
„Mit Papa?"
„Da musst du ihn selbst fragen."
<Du wagst es, Sophie zu benutzen, um mich in die Kirche zu zwingen? Ist das etwa ihre Rache für vorhin?>
„Papa, kommst du mit in die Kirche?"
„Kleines, die Kirche ist ..."
Theresa sah David warnend an.
<... langweilig. Aber wenn ich das sage, bringt sie mich um.>
Sophie sah ihren Vater flehend an, eine Ablehnung befürchtend.
„Ähem, ein wunderbarer Ort. Natürlich komme ich gerne mit."
„Juhu, ich gehe mit Papa und Mama in die Kirche."
Sophie stand auf und tanzte durch das Zimmer.
Wenig später befand sich die Familie in der Kirche und nahm an der Messe teil.
„Brüder und Schwester, gebt euch ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung."
Theresa drehte sich zu David und sie gaben sich den Friedensgruß. Dann wiederholten sie das Ganze mit Sophie. Danach waren die umliegenden Menschen dran.
David drehte sich zu seinem Nachbarn. Er hatte bereits angefangen, seine Hand für den Gruß auszustrecken. Doch dann erkannte er sein Gegenüber und stockte.
<Ist das nicht der Händler, der vor kurzem einen viel zu hohen Preis von mir verlangte? Warum sollte ich ihm den Friedensgruß geben? Er sollte froh sein, dass er wegen Theresa nicht das Schicksal seiner Kollegen teilt und noch am Leben ist.>
Theresa sah, dass David zögerte und gab ihm mit dem Ellbogen einen kleinen Schubs in die Seite. Reflexartig führte David den Friedensgruß mit dem Händler aus.
„Der Friede sei mit dir."
<Verdammt, das war nicht meine Absicht! Verfluchtes Weib.>
Anschließend ging es zur Kommunion. Theresa trieb David und Sophie vor sich zum Pfarrer. Sophie war etwas nervös, aber Theresa stellte sich hinter sie und beruhigte sie, indem sie ihre Hände auf ihre Schultern legte. Der Pfarrer segnete Sophie und gab Theresa die Hostie. Dann war David an der Reihe.
<Sollte ich Sünder wirklich, die Hostie annehmen? Ich habe das Gefühl, dass ich dessen nicht würdig bin. Es fühlt sich falsch an.>
David legte seine rechte Hand auf das Herz. Ein Zeichen für den Pfarrer, dass er nur den Segen empfangen würde.
Nach der Messe sprach Theresa ihn darauf an.
„Ich hatte angenommen, dass du nicht viel von der Messe hältst und die Hostie einfach nehmen würdest. Es freut mich, dass du dir deine Sünden eingestehst und dich korrekt verhältst."
„Wenn ein Engel zu dir kommt, kann man schlecht die Existenz Gottes leugnen, oder? Ein Mindestmaß an Ehrfurcht sollt da doch selbstverständlich sein."
„Wohl wahr."
Theresa kicherte amüsiert.
Am nächsten Tag, als David Einkäufe erledigte, traf er den Händler von der Messe wieder.
„Oh, wenn das nicht ein Bruder ist. Wie kann ich euch heute helfen?"
„Ich nehme mir nur ein paar Äpfel. Wie viel macht das?"
„Zehn Kupfermünzen."
„Zehn?"
David schaute ungläubig in seinen Korb. Er hatte einige Äpfel genommen und ihn sollte das nur zehn Kupfermünzen kosten?
<Ist das nicht viel zu billig? Warum der Sinneswandel?>
„Natürlich. Wir Brüder und Schwester müssen doch zusammenhalten. Ich habe euch schon lange nicht mehr in der Kirche gesehen. Ich vermute, ihr hattet eine schwere Zeit und konntet erst jetzt wieder an der heiligen Messe teilnehmen."
<Scheinbar ist ein Besuch der Messe nicht nur für die Seele gut.>
Auf dem Rückweg sah David, wie sich Theresa mit einer Nachbarin unterhielt. Sie winkte David zu sich, als sie ihn sah.
„Ich wusste gar nicht, dass sie jemand Neues gefunden haben, David."
„Oh, ja, das ist alles recht schnell gegangen."
„Nun, ich freue mich für sie. Allein war es sicher schwer mit einer Tochter."
„Ah, Sophie ist ein liebes Kind. Ich hatte kaum Probleme mit ihr allein."
Sie redeten noch eine Weile, bis sie sich verabschiedeten.
„Siehst du? Es gibt Menschen, die sich um dich sorgen, derer du dir nicht bewusst bist."
„Mag sein, aber woher weiß ich, dass ich ihnen vertrauen kann?"
„Es ist richtig, nicht allen sofort zu vertrauen. Aber es gibt welche, die einem helfen würden, wenn man sie fragt."
„Und woran erkenne ich die?"
„Beobachte ihre Taten, dann weißt du es. Die Kirche ist auch ein guter Punkt, um solche Menschen zu finden. Die Bösen werden sich nur selten zur Messe aufmachen, insofern trifft man häufig ehrfürchtige Menschen dort. Diese werden die Gebote Gottes beachten, daher solltest du da eher fündig werden."
„Du weißt von der Hexenjagd?"
„Deswegen sagte ich häufig. Es gibt immer schwarze Schafe. Manche werden die Worte Gottes verdrehen und Unrecht in seinem Namen verrichten."
„Warum lässt Gott das zu?"
„Wer sagt, dass sie ungestraft davonkommen? Es wird der Tag kommen, an dem sie gerichtet werden."
„Und all die Opfer bis dahin sind Kollateralschaden?"
„Du gibst Gott die Schuld dafür?"
„Er hat uns doch erschaffen. Ist er dann nicht verantwortlich dafür?"
„Sind denn Eltern für immer für ihr Kind verantwortlich?"
„Wie meinst du das?"
„Eltern sind für ihre Kinder bis zum Erwachsenenalter zuständig. Danach sind sie selbstständig und übernehmen selbst die Verantwortung. Gott hat nichts mit der Hexenjagd zu tun. Es ist das Werk von Erwachsenen, die sich dafür verantworten müssen. Gott ist nicht in der Verantwortung."
„Sollte er aber nicht zumindest Einhalt gebieten?"
„Willst du, dass die Apokalypse beginnt? Himmel und Hölle greifen nicht unmittelbar ein, um das zu verhindern."
„Steht Gott nicht über allem? Sicher gibt es doch einen Weg für ihn."
„Sicherlich, aber wie ich schon sagte, die Erde ist nicht der Himmel. Wären wir noch im Paradies, würde er vermutlich eingreifen oder besser gesagt, es gar nicht erst dazu kommen lassen. Nur sind die Menschen bereits aus dem Paradies verbannt, insofern müssen sie selbst einen Weg finden, wie sie mit dem Bösen umgehen."
DU LIEST GERADE
Das schwarze Schaf - German / Deutsch
EspiritualDavid ist ein Sünder, doch er versucht, das vor seiner Tochter Sophie geheim zuhalten. Wird es ihm gelingen, oder wird sie die Wahrheit herausfinden? 40 Kapitel - 40k Wörter + Nachwort Eine Fortsetzung ist nicht geplant. Es ist mein zweites Buch, da...