K18 - Nachtgeschichten

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Die Nacht war für David unruhig. Die Diskussion mit Theresa beschäftigte ihn noch. Er hatte die Grausamkeit des Kriegs erlebt, als er klein war. Es war einer der Gründe, warum er Soldat war. Er wollte andere davor schützen. Doch war er damit nicht Teil des Problems geworden? Damals hatte er Glück gehabt, dass er nie in ein feindliches Land einfallen musste. Doch wie hätte er sich verhalten, wenn es dazu gekommen wäre? Hätte er dann wie seine Kollegen geplündert? Was, wenn es arme Bauern waren? Würde er dann sie sogar aufhalten?

<In dieser Hinsicht ist Krieg schlimmer als die Hölle. Niemand unterscheidet mehr zwischen Gut und Böse. Es gibt nur noch Feind und Freund. Und beim Feind ist alles erlaubt. Vielleicht hätte ich Theresa sagen sollen, dass es schon gut ist, wenn nur der Krieg wegfallen würde, wenn die Leute sich der Hölle bewusst sind. Wobei sie mich sicherlich an den sogenannten Heiligen Krieg im heiligen Land erinnert hätte. Das Böse findet wahrlich immer einen Weg.>

Eines Nachts kam Sophie zu David und Theresa herunter. Die beiden waren noch wach und unterhielten sich. Als sie die Treppe hörten, verstummten sie und schauten zu ihr herüber.

„Mama, Papa, ich kann nicht schlafen."

„Hast du was Schlechtes geträumt, Liebes?"

„Ja."

„Oh, dann komm, ich lege mich mit dir ins Bett und vertreibe die schlechten Träume."

„Papa soll auch kommen."

„Ich?"

„Ja, Georg meinte, er darf immer mit seinen Eltern schlafen, wenn er ein Albtraum hat."

<Georg, ich glaube, wir müssen mal reden.>

Gemeinsam gingen sie hoch in Sophies Zimmer. Sophie legte sich in die Bettmitte und David und Theresa legten sich je auf eine Seite.

„Und nun träum was Süßes, Liebes."

„Die Albträume werden nicht wieder kommen, oder?"

„Richtig, Mama und Papa werden sie von dir fernhalten."

„Träumt dann nicht ihr etwas Schlechtes? Das will ich nicht."

„Keine Angst, Liebes. Wir halten sie nicht nur fern, wir vertreiben sie komplett. Wir werden also, sobald wir fertig sind, dir in die Traumwelt folgen."

„Das heißt, wir werden gemeinsam träumen?"

„Ja, darum mach schnell die Augen zu, damit wir so viel Zeit wie möglich haben."

„Au ja, ich werde sofort einschlafen und ihr müsst ganz schnell mitkommen."

Bald konnte man Schlafgeräusche hören.

David sah rüber zu Theresa, die liebevoll die Wange von Sophie streichelte.

Erinnerungen an alte Tage kamen hoch.

Theresa sah zu ihm rüber.

„Weinst du?"

„Sei nicht albern."

David rieb sich unter den Augen, um zu prüfen, ob sie recht hatte.

„Woran hast du gedacht?"

„An früher."

„Oh."

Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen. Es war kein spöttisches, sondern es hatte einen Hauch von Bedauern.

„Es tut mir leid."

„Es war nicht deine Schuld. Die Welt ist schuld."

„Trotzdem, ich hätte für dich da sein sollen. Wäre ich dagewesen, wärst du nicht auf Abwege geraten."

„Wer weiß."

Sie starrten sich noch eine Weile schweigend an, bis die Müdigkeit überhandnahm und sie neben Sophie einschliefen.

Am nächsten Tag hatte Sophie am Abend eine Frage.

„Warum schlaft ihr nicht zusammen in einem Bett?"

„Warum willst du das wissen?"

„Georg meinte, seine Eltern schlafen zusammen, weil sie sich lieben und das Bett ein Ort ist, wo man Liebe macht."

<GEORG! Was erzählst du da meiner Tochter? Solltest du jemals um ihre Hand bitten, kannst du das vergessen!>

„Weißt du, Mama war lange weg und wir müssen uns erst wieder daran gewöhnen, dass der andere da ist."

„Aber sie ist jetzt schon eine Weile da. Solltet ihr euch nicht schon wieder daran gewöhnt haben?"

David sah Hilfe suchend zu Theresa, doch sie lächelte ihn nur an.

„Liebt ihr euch etwa nicht?"

„Ähem, Kleines, erinnerst du dich an unser Gespräch, als Theresa eingezogen ist?"

„Hmm, ich glaube nicht, dass das noch notwendig ist, Papa. Ich möchte nicht, dass es eurer Liebe im Weg ist."

<Sie lässt wohl nicht locker. Scheint, als hätte ich keine Wahl.>

„Vielleicht hast du recht, Kleines. Wir werden das zeitnah ändern."

Am Abend stand David vor dem Bett, in dem Theresa bereits lag.

„Angst, mit einem Engel zu schlafen?"

„Deine Flügel werden mich nicht in der Nacht aus dem Bett katapultieren, oder?"

„Haha, was für ein Gedanke. Nein, sie existieren nicht, um jemandem zu schaden. Sollten sie dich wirklich in der Nacht erreichen, wirst du sie eher wie eine Decke wahrnehmen."

„Auch, wenn sie direkt vor meiner Nase sind? Werde ich dann nicht niesen müssen?"

„Wenn du so viel Angst vor ihnen hast, kann ich auf der Seite schlafen. Dann zeigt mein Rücken weg von dir."

„Das wäre gut."

David stieg zu ihr ins Bett und legte sich auf den Rücken. Theresa starrte ihn an.

„Andererseits ist es unangenehm, wenn du mich so von der Seite die ganze Zeit anschaust."

„Ach herje. Dem Herrn kann man es auch nicht recht machen. Weißt du, andere würden dich darum beneiden, mit einem Engel im Bett zu sein."

„Vielleicht bin ich noch nicht so weit."

David wollte aufstehen, aber Theresa zog ihn zurück ins Bett.

„Hier geblieben. Du wirst dich schon daran gewöhnen. Die Flügel sind auch gar nicht draußen und solange ich es nicht will, werden sie auch nicht einfach erscheinen. Deine Angst ist unbegründet."

„Auch nicht, wenn du schlechte Träume hast?"

„Warum sollte ich schlechte Träume haben?"

„Hat man die als Engel nicht?"

„So wie ich die Welt sehe, gibt es für mich keinen Grund, einen Albtraum zu haben."

„Hoffen wir, dass du recht hast."

„Wovor fürchtest du dich wirklich?"

„Was meinst du?"

„Die Flügel sind doch nur eine Ausrede. In Wirklichkeit fürchtest du dich doch vor etwas anderem."

„... Ich weiß es nicht."

„Das glaube ich dir sogar. Dann gute Nacht, Schatz."

„Gute Nacht, Theresa."

In der Nacht wurde David geweckt. Nicht von einem Flügel, sondern von der Kälte. David tastete nach der Decke. Sie war weg.

<Stimmt ja, das hat sie früher auch schon immer gemacht. Manches ändert sich wohl nie.>

David stand auf und holte sich seine alte Decke. Mit ihr gewappnet, begab er sich wieder in das Land der Träume. Doch leider war es bereits um ihn geschehen. Seinen Fehler hatte er zu spät korrigiert.

Das schwarze Schaf - German / DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt