Am nächsten Morgen nutzten David und Theresa es aus, dass Sophia wegen ihrer Krankheit viel schlief, um allein das Gespräch vom Vortag fortzusetzen.
„So sehr ich auch erfreut bin, dass Azrael uns hilft. So hat sich nichts am Fakt geändert, dass ich etwas stehlen muss, um den Pakt aufzulösen. Es ist diesmal lediglich ein Engel, mit dem ich den Deal habe und nicht ein Dämon."
„Denkst du wirklich so?"
„Liege ich denn falsch?"
„Ich sehe es eher als Prüfung an. Was genau ist der Unterschied im Deal zwischen den beiden?"
„Beide wollen den Seelenstein benutzen. Der eine für mehr Macht und der andere, um wieder Ordnung herzustellen."
„Worin liegt der Unterschied beim Vorgehen?"
„... Willst du darauf hinaus, dass Salomon den Stein behalten wird und Azrael ihn lediglich für die Übertragung benötigt?"
„Richtig. Der Seelenstein wird bei Salomon für immer beansprucht, während du ihn bei Azrael nur für eine gewisse Zeit benötigst."
„... Es ist also meine Entscheidung, ob ich den von Salomon genannten Stein stehle oder mir einen beliebigen Seelenstein ausleihe."
„Du hast es verstanden."
„Nur, wenn wir Salomon austricksen wollen, muss es der Seelenstein von der Burg sein, da er sonst misstrauisch sein wird. Werden wir wirklich einen Weg finden, ihn ohne Sünde zu bekommen?"
„Ich bin mir sicher, dass du einen Weg finden wirst."
„Warum bist du immer so positiv eingestellt? Ist es, weil du ein Engel bist?"
„Nein, weil ich den Boden der Grausamkeit erlebt habe."
„Den Boden der Grausamkeit?"
„Richtig. Hast du vergessen, wie wir uns getroffen haben? Die Zeit davor war die Hölle. Das, was du jetzt durchmachst, ist ein Kinderspiel im Vergleich."
„Tut mir leid, dass ich dich nicht früher gerettet habe."
„Kümmer dich nicht darum. Es ist schon lange Vergangenheit."
„Das kannst du einfach so sagen?"
„Das ist der Unterschied, wenn man in der Gegenwart lebt, im Vergleich zu jemandem, der noch in der Vergangenheit verweilt. Es braucht Zeit und ist nicht einfach, aber es ist möglich. Außerdem bin ich mir sicher, dass andere auch meine Vergangenheit als nicht so schlimm ansehen würden. Es gibt da draußen welche, die nicht so viel Glück wie ich hatten und nicht gerettet wurden."
„Sollte ich wieder auf die Suche gehen, um auch diese zu retten?"
„Wenn es das ist, was du willst. Aber mach es nicht zu deiner Aufgabe, alle zu retten. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit und wird dich nur ins Verderben stürzen. Achte erst auf dich und nur wenn du es kannst, helfe anderen. Es ist schon genug, wenn du eine Person rettest. Denn es setzt eine Kette in Gang, die viele weitere von sich aus retten wird, ohne dass du etwas tun musst. Wenn du es aber übertreibst, landest du erneut unten und musst wieder gerettet werden. Also bitte, achte auch in Zukunft auf dich."
„Das werde ich. Deine Lehren sind tief in mir verankert."
„Gut, gib auch acht, dass du sie an Sophie weitergibst. Es ist besser, vorbereitet zu sein, als sich die Dinge erst in der Not anzueignen."
„Natürlich. Du solltest dich allerdings bei ihr entschuldigen, dass du ohne ein Wort zu ihr verschwunden bist. Sie hat dich überall gesucht."
„Das schulde ich ihr wohl. Ich scheine die Zeit unterschätzt zu haben, die ich für die Nachforschung benötigte. Mir kam es bei Weitem nicht so lange vor, sonst hätte ich ihr kurz Bescheid gegeben."
„Du warst Tage weg, ich würde das schon als lange bezeichnen."
„Für euch waren es Tage, aber für mich nicht."
„Wie meinst du das?"
„Hmm, ich glaube dazu bräuchte es jemand Schlauen, um das zu erklären. Sagen wir einfach mal so, dass die Zeit anders vergeht, wo ich war, als bei euch."
„Schwer zu glauben. ... Glaubst du eigentlich, dass Azrael recht hat, dass der Vertrag nicht gültig ist? Es klingt etwas zu einfach, um wahr zu sein."
„Er kümmert sich um den Transport der Seelen, wenn er es also sagt, wird es schon stimmen. Es macht auch irgendwo Sinn. Rational betrachtet ist ein Vertrag nichts anders als ein Stück Papier, dem beide Parteien Bedeutung geben. Sollte eine Partei später sich weigern, ist die andere Seite eigentlich machtlos. Wenn sie aber eine höhere Instanz einbezieht, kann sie sehr wohl Macht ausüben. Bei Verträgen zwischen Bürgern kann es zum Beispiel der König sein. Wer ist es bei Verträgen oder in deinem Fall Pakten zwischen Mensch und Dämon? Wer steht über uns? Gott. Wenn Gott also den Pakt als nichtig ansieht, ist es nichts weiter als ein Stück Papier. Natürlich hat er trotzdem eine Wirkung, da er dich nicht gerade gut dastehen lässt."
„Ein König kann einen Vertrag als ungültig erklären. Dann klingt das nicht mehr unrealistisch. Nur wenn ich trotzdem in der Hölle lande, wird Salomon mich vor dem Teufel einfordern. Dieser wird den Pakt wohl anerkennen und damit ist er doch gültig."
„Das finde ich immer sehr interessant. Wer sagt, dass der Teufel der Herr der Hölle ist? Der Teufel und die Dämonen werden in der Hölle bestraft. Es ist kein Ort, den sie beherrschen und machen können, was sie wollen. Also, wenngleich du in der Hölle landest, glaube ich nicht, dass du unter dem Dämon stehst. Ihr werdet vielleicht zusammen bestraft, aber es ist nicht so, dass er über dich herrscht."
„Wer führt dann die Bestrafungen durch?"
„Gute Frage. Fest steht, dass Gott der Richter ist. Die Hölle ist ein Ort der Qualen. Es braucht niemanden, der die Bestrafung durchführt, da die Umgebung selbst schon Bestrafung genug ist."
„Aber leben die Dämonen nicht gerade dort? Warum sollte es für sie plötzlich eine Strafe sein, dass sie dort wohnen?"
„Der Teufel wurde aus dem Himmel verbannt. Sein Einfluss ist damit auf die Erde beschränkt. Das Gleiche sollte für die Dämonen gelten. Sie leben also zurzeit nicht in der Hölle, sondern bewegen sich auf der Erde."
„Wenn also Salomon verschwindet, dann transportiert er sich nur zu einem anderen Ort auf der Erde?"
„Ich bin noch ein junger Engel und kenne nicht alle Details, aber ich denke, er geht mehr in eine Zwischenwelt, die für die Menschen unsichtbar ist. Von dort beobachtet er dich vermutlich."
„Heißt das, er weiß von unserem Deal mit Azrael?"
„Nein, ich denke, die Präsenz von zwei Engeln sollte ihn selbst in dieser Zwischenwelt fernhalten."
„Wenn Engel Dämonen fernhalten können, warum ist dann nicht die Erde voll mit Engeln, um ihnen Einhalt zu gebieten?"
„Weil die Erde nicht der Himmel ist. Wie du an Azrael siehst, haben wir unsere eigenen Aufgaben und können nicht einfach als stehende Schutzschilde dienen. Auch ist die Präsenz nicht unbedingt ausreichend, je nach Stärke des Dämons. Stell es dir als Regen vor. Du kannst eine Weile im Regen stehen, aber du würdest lieber im Haus sitzen. Wird es zu einem Sturm, dann ist die Zeit, die du bereit bist, draußen zu sein, um einiges kürzer."
„Also könnte er aus Neugier dem Sturm getrotzt haben und es doch mitbekommen haben?"
„Möglich, aber unwahrscheinlich. Wir Engel können die Zwischenwelt wahrnehmen. Ich denke nicht, dass er Azraels und meiner Aufmerksamkeit entgangen wäre."
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Das schwarze Schaf - German / Deutsch
SpiritualDavid ist ein Sünder, doch er versucht, das vor seiner Tochter Sophie geheim zuhalten. Wird es ihm gelingen, oder wird sie die Wahrheit herausfinden? 40 Kapitel - 40k Wörter + Nachwort Eine Fortsetzung ist nicht geplant. Es ist mein zweites Buch, da...